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# taz.de -- Debatte über Sterbehilfe in Frankreich: Im Dickicht der ethischen …
> Frankreichs Regierung legt ein von Präsident Macron gebilligtes Gesetz
> zur Sterbehilfe vor. Doch wer bestimmt, ab wann ein Leiden unerträglich
> ist?
Bild: Sterbehilfe wird auch in Frankreich sehr kontrovers debattiert
Paris taz | Die französische Regierung hat am Mittwoch nach rund
12-monatigen Diskussionen und Stellungnahmen einen Entwurf für das von
Staatspräsident Emmanuel Macron seit Langem versprochene Sterbehilfegesetz
vorgestellt und will es in den kommenden Monaten den beiden
Parlamentskammern vorlegen.
[1][Wie in vielen anderen Ländern] wird das Thema einer Verkürzung des
Leidens am Lebensende mit medizinischer Hilfe sehr kontrovers debattiert.
[2][Diverse ethische Fragen] werden davon berührt oder aufgeworfen, was
namentlich religiöse Institutionen (inklusive des Vatikans), aber auch
Organisationen des Pflegepersonals zu oft widersprüchlichen Stellungnahmen
herausfordert.
Darum, so meint Präsident Macron, braucht es einen gewissen politischen Mut
für den Gesetzgeber, in einem so umstrittenen Bereich eine progressive
Regelung vorzuschlagen: „Mit dieser Vorlage schauen wir dem Tod ins
Angesicht“, hatte er Anfang März in einem Interview mit den Zeitungen
Libération und La Croix gesagt.
Das hindert ihn aber nicht, gewisse Reizwörter wie beispielsweise den
Begriff [3][„ärztlich assistierter Suizid“] aus der Vorlage zu verbannen.
Stattdessen ist von Sterbehilfe unter sehr strengen Voraussetzungen und im
Rahmen einer Prozedur mit Kontrollen und Notausgängen die Rede.
## Todestrank auf Gesuch – aber erst nach Prüfung
Eine Aussicht auf eine medizinische Hilfe beim Sterben sollen
Patient*innen nur dann bekommen, wenn sie volljährig (über 18 Jahre)
und voll zurechnungsfähig sind, an einer als unheilbar erklärten Krankheit
leiden, die nicht schmerzlindernd erträglich gemacht werden kann und die in
einer absehbaren Frist zum Tod führen wird.
Sie müssen dann selber (oder eventuell mit von einer Vertrauensperson
vorgelegten vorher verfassten Erklärung) einen Antrag auf eine
medikamentöse Sterbehilfe stellen. Die Anfrage muss danach ausdrücklich
nochmals bestätigt werden, damit diese von einem medizinischen Kollektiv
innerhalb einer Frist von zwei Wochen geprüft werden kann. Gegen dessen
positive oder negative Entscheidung kann allenfalls ein Widerspruch
eingelegt werden.
Wenn das Gesuch akzeptiert ist, wird ein drei Monate gültiges ärztliches
Rezept für ein todbringendes Medikament ausgestellt, das die Sterbewilligen
danach selber einnehmen, ausnahmsweise könnte es im Fall einer Behinderung
von einer Drittperson verabreicht werden. Bis zuletzt soll jedoch die
Möglichkeit eines Verzichts garantiert bleiben.
Sowohl die Befürworter wie auch die [4][Gegner] einer solchen Regelung der
Sterbehilfe erachten mehrere Punkte als problematisch. Ist es richtig, dass
mit dem Kriterium der „vollen Zurechnungsfähigkeit“ beispielsweise Menschen
mit Demenz und anderen degenerativen Pathologien, die das Urteilsvermögen
einschränken, vom Recht auf Sterbehilfe ausgeschlossen werden?
Was genau gilt als „unheilbare“ Krankheit, und wer bestimmt, wann ein
Leiden unerträglich wird und nicht gelindert werden kann? Auch ist es oft
relativ schwer zu sagen, in welchem Zeitraum eine schwere Krankheit zum Tod
führen würde. Vielleicht möchte der Gesetzgeber diesbezüglich mit Absicht
einen Ermessensspielraum belassen, der je nach Fall von den Betroffenen und
vom medizinischen Fachpersonal interpretiert werden kann.
Schon in der Vordebatte zeichnete sich aber ab, dass die nun vorgesehene
gesetzliche Regelung mit ziemlich restriktiven Bedingungen den einen allzu
ungenügend erscheint, anderen aber, meist aus Gewissensgründen, viel zu
weit geht.
10 Apr 2024
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## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Frankreich
Sterbehilfe
Ethik
Emmanuel Macron
Hamburg
Schauspiel Hannover
Ärztlich assistierter Suizid
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