# taz.de -- Macron-Rede an der Sorbonne-Universität: „Europa ist nicht unste… | |
> Frankreichs Staatschef Macron hält eine Grundsatzrede an der Sorbonne. Er | |
> warnt vor Europas Bedeutungsverlust und fordert eine neue Handelspolitik. | |
Bild: Der französische Präsident, Emmanuel Macron, hält eine Rede über Euro… | |
PARIS taz | In einer Grundsatzrede zur Zukunft Europas hat Emmanuel Macron | |
am Donnerstag dramatische Töne angeschlagen. Seine Landsleute, aber auch | |
die Regierungspartner und Mitbürger in den anderen EU-Staaten müssten | |
verstehen, wie existenziell dringend jetzt das gemeinsame Handeln zur | |
Stärkung der europäischen Unabhängigkeit sei. Und: Alles werde „in den | |
kommenden fünf Jahren“ entschieden. | |
„Europa ist nicht unsterblich“, warnte Macron. Der französische Staatschef | |
will sich aber mit einer [1][von nationalistischen Parteien | |
ausgeschlachteten Untergangsstimmung] nicht abfinden. Noch hätten die | |
Europäer die Wahl, mit gemeinsamen Initiativen den Gefahren zu trotzen, um | |
ihren Wohlstand, ihre humanistischen Grundwerte und die Demokratie, aber | |
auch ihre Grenzen zu verteidigen. Die Zukunft aber wird – Macron zufolge – | |
in den „kommenden fünf Jahren“ entschieden. Wenn Europa sich nicht | |
gemeinsam wehre, drohe außer der Abhängigkeit eine kollektive „Verarmung“. | |
Eine „Conditio sine qua non“ für unsere Sicherheit sei es, [2][dass | |
Russland in der Ukraine nicht gewinnen dürfe]. Er bedauere es auch nicht, | |
am 26. Februar eine „strategische Zweideutigkeit“ geschaffen zu haben, als | |
er erwähnte, im Interesse einer glaubwürdigen Abschreckung dürfe der Westen | |
die Entsendung von Truppen an die Front nicht ausschließen. | |
Die Gefahren gehen aber weit über die militärische Bedrohung hinaus. Macron | |
erwähnte in diesem Zusammenhang auch die Probleme der Immigration. Mit dem | |
kürzlich beschlossenen Migrations- und Asylpakt müsse Europa seine Grenzen | |
schützen und auch dazu stehen. Nach britischem Vorbild abgewiesene | |
Geflüchtete in ein afrikanisches Land abzuschieben, erteilte Macron eine | |
Absage. | |
## EU muss eine „Macht“ werden | |
Ein besonders wichtiges Thema für Macron ist die wirtschaftliche | |
Unabhängigkeit. Die richtige Strategie ist für den französischen Staatschef | |
– wie schon in seiner ersten Sorbonne-Rede 2017 – eine „europäische | |
Souveränität“ bei der Verteidigung, der Energieversorgung, der Versorgung | |
mit strategischen Gütern, bei Gesundheit und Ernährung zu erreichen. Dazu | |
dürfe die EU nicht länger „naiv“ bleiben, sondern müsse eine „Macht“ | |
werden, die ihre Interessen gegen militärische Bedrohungen oder | |
Cyberattacken verteidigt. Insbesondere auch gegen unlautere Konkurrenz | |
durch Wirtschaftsgroßmächte, wie die USA oder China, die internationale | |
Handelsregeln nicht mehr respektieren. | |
Europa müsse in einen „Pakt für den Wohlstand“ investieren. Und damit in | |
Innovationen, Produktivitätssteigerung und in eine Re-Industrialisierung. | |
Ganz nach dem Vorbild der USA und Chinas sollten eigene | |
Wirtschaftsinteressen im Vordergrund stehen. [3][Dies gelte erst Recht für | |
die Rüstungsindustrie.] Macron verlangt nichts Geringeres als einen | |
„Investitionsschock“. Als Inspiration dafür nannte er die europäische | |
Anleihe von rund 800 Milliarden Euro zur Stützung der Wirtschaft in der | |
Corona-Pandemie. Zusätzliche Mittel für die massiven Investitionen dafür | |
sieht er unter anderem in Einnahmen aus einer CO2-Abgabe und der | |
Besteuerung „reeller“ Gewinne multinationaler Konzerne in den EU-Staaten. | |
Die EU sei zwar in den letzten Jahren auf dem Weg zu einer „europäischen | |
Souveränität“ vorangekommen, aber zu zimperlich. Mit seiner Rede skizzierte | |
Macron der zukünftigen EU-Kommission detailreich die Basis für ihre Agenda. | |
Zugleich lieferte er seinen Beitrag zur Europawahl in knapp sechs Wochen. | |
Allerdings ohne dabei eine Liste oder Kandidaten auch nur zu erwähnen. Ganz | |
vorne im Saal an der Sorbonne saß neben diversen Ministern Valérie Hayer, | |
die Spitzenkandidatin der französischen Regierungsparteien. | |
Bisher verteidigte sie ohne viel Aufhebens Macrons Vision bei den | |
anstehenden Wahlen. Umfragen geben ihrer Liste Renaissance derzeit weniger | |
als 20 Prozent der Stimmen, während das rechtspopulistische Rassemblement | |
National mit mehr als 30 Prozent klar in Führung liegt. Starthilfe durch | |
den offiziell über den Parteien stehenden Staatschef Macron kam der noch | |
schwunglosen Hayer bestimmt gelegen. | |
25 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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