# taz.de -- Wahlkampfauftakt zur EU-Wahl: „Es lebe die Demokratie“ | |
> Mit Videos von Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs will das Europaparlament | |
> die Wähler an die Urnen locken. Positive Botschaften fehlen. | |
Bild: „Nutze deine Stimme“: Wohin die Reise gehen soll, bleibt in der Kampa… | |
Mit emotionalen Werbespots und düsteren Warnungen vor einem möglichen Ende | |
der Demokratie hat das Europaparlament die Kampagne für die Europawahl | |
gestartet. Diesmal gehe es ums Ganze, hieß es bei der Vorstellung der | |
Wahlkampagne am Montag in Brüssel. „Nutze deine Stimme. Sonst entscheiden | |
andere für dich“ – so das offizielle Motto. | |
In der EU wird vom 6. bis 9. Juni ein neues Parlament gewählt, in | |
Deutschland wird für den 9. Juni zu den Urnen gerufen. | |
Die EU sei „sterblich“ und könne untergehen, hatte Frankreichs Staatschef | |
Emmanuel Macron in der vergangenen Woche in einer [1][europapolitischen | |
Grundsatzrede] in Paris gemahnt. Ähnlich düster klingt es nun im | |
Europaparlament in Brüssel. Es will die Wähler mithilfe von Berichten aus | |
dem Zweiten Weltkrieg und dem Kalten Krieg aufrütteln. In düsteren | |
Wahlspots, die EU-weit ausgestrahlt werden sollen, [2][berichten Zeitzeugen | |
von ihren Erfahrungen mit dem Naziregime] und dem Kommunismus. Das Fazit | |
einer 96-jährigen Französin, deren Mutter von den Nazis ermordet wurde: | |
„Wenn ich dir noch eine Botschaft mitgeben darf, bevor ich gehe: Es lebe | |
die Demokratie.“ | |
Die Spots sind eindringlich – doch ob sie die gewünschte Wirkung erzielen, | |
ist fraglich. Ein Bezug zur heutigen Zeit ist nicht unmittelbar zu | |
erkennen, zudem fehlen positive Botschaften für die EU. Wohin die Reise | |
gehen soll, bleibt in der Kampagne des Europaparlaments offen. Nicht einmal | |
die Rolle der Spitzenkandidaten ist klar. Zwar treten fast alle Parteien | |
mit mehr oder weniger prominenten „Spitzen“ an. Doch Chancen werden nur | |
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eingeräumt, [3][die für die | |
konservative Europäische Volkspartei EVP antritt]. Die EVP holt bei | |
Europawahlen traditionell die meisten Stimmen; auch diesmal liegt sie in | |
den Umfragen vorn. | |
Auf den Wahlzetteln wird der Name von der Leyen jedoch nicht auftauchen – | |
denn sie bewirbt sich nicht um einen Sitz im Europaparlament. Selbst in | |
Deutschland wird man die CDU-Politikerin nicht direkt wählen können. Ihre | |
Hoffnung auf eine zweite Amtszeit stützt sich denn auch vor allem auf die | |
Staats- und Regierungschefs, die sie für eine zweite Amtszeit nominieren | |
müssten. | |
Dort sind zuletzt jedoch Zweifel aufgekommen. Die EU habe in den | |
vergangenen fünf Jahren viel geleistet, doch sie sei im internationalen | |
Wettbewerb weit zurückgefallen, sagte Macron in seiner Europa-Rede – ein | |
kaum überhörbarer Seitenhieb auf von der Leyen und ihre magere | |
wirtschaftliche Bilanz. Ganz ähnlich klingt es bei der FDP und den | |
EU-Liberalen. | |
Macron soll bereits über Alternativen zu der deutschen Politikerin | |
nachdenken, heißt es in Brüssel und in Rom, wo auch die | |
[4][postfaschistische Regierungschefin Giorgia Meloni] in den EU-Wahlkampf | |
eingreift. Meloni hat sich sogar zur Spitzenkandidatin erklären lassen, | |
obwohl auch sie sich nicht für einen Sitz im EU-Parlament bewirbt. | |
Noch sind dies nur Wahlkampfmanöver und Gerüchte. Doch sie zeigen, dass die | |
Musik nicht bei den Wählern, sondern bei den Staats- und Regierungschefs | |
spielt. Sie sind es, die nach der Europawahl den oder die Kandidatin für | |
die künftige Leitung der EU-Kommission nominieren. Das Europaparlament | |
wollte ihnen dieses Recht 2019 streitig machen – und ist gescheitert. | |
Diesmal erhebt es nicht einmal mehr den Anspruch, über die EU-Spitze | |
mitzubestimmen. | |
Auch politisch haben die Wählerinnen und Wähler nicht viel zu melden. Bei | |
den brisantesten Themen – der Ukraine und der Asyl- und Flüchtlingspolitik | |
– hat die EU längst die Weichen gestellt. Die Ukraine soll EU-Mitglied | |
werden und weiter mit Waffen und Geld im Abwehrkampf gegen Russland | |
gestärkt werden. Die Beitrittsverhandlungen mit Kyjiw sollen aber erst nach | |
der Europawahl beginnen – offenbar will die EU das Thema aus dem Wahlkampf | |
heraushalten. | |
Auch der umstrittene [5][Rechtsruck in der Migrationspolitik] – mit Lagern | |
an den EU-Außengrenzen und Abschiebungen in unsichere Drittländer – soll | |
keine große Rolle mehr spielen. Das Europaparlament hat diesen Maßnahmen | |
bereits zugestimmt; der Deal wurde rechtzeitig vor der Europawahl besiegelt | |
und kann nicht mehr aufgeschnürt werden. | |
30 Apr 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Macron-Rede-an-der-Sorbonne-Universitaet/!6006852 | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=qi64udnjrgw | |
[3] /Ursula-Von-der-Leyen-bei-der-Europawahl/!5996956 | |
[4] /40-Jahre-Lega/!6000727 | |
[5] /Reform-des-EU-Asylsystems/!6000276 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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