| # taz.de -- „Diffus“-Magazin Gründer Torben Hodan: „Wir bewerten Musik �… | |
| > Während der klassische Musikjournalismus stirbt, wagt das Online-Magazin | |
| > „Diffus“ den Schritt zum Printmedium. Gründer Torben Hodan erklärt, | |
| > warum. | |
| Bild: Neues Magazin, altes Konzept: „Diffus“ setzt in den ersten Ausgaben a… | |
| taz: Herr Hodan, viele Musikmedien wurden in den letzten Jahren | |
| [1][eingestellt], Diffus hat gerade seinen zehnten Geburtstag gefeiert. Wie | |
| steht es um Musikjournalismus in Deutschland? | |
| Torben Hodan: Um Musikjournalismus [2][steht es schlecht], er liegt auf dem | |
| Sterbebett. Viele Printmedien von Spex bis Intro sind weg. Auch dem | |
| Musikexpress und dem Rolling Stone scheint es nicht gut zu gehen – das | |
| sieht man an den Covern mit den immer gleichen älteren weißen Herren. | |
| Andere Medien vor allem aus dem HipHop-Bereich entwickeln sich eher in | |
| Richtung Subkultur-Agentur. Wir veröffentlichen aber weiterhin täglich | |
| Podcasts, Videos und Beiträge, in denen es um Musik geht. Ich habe das | |
| Gefühl, dass es bei Menschen, die sich für Musik interessieren, noch immer | |
| einen Bedarf nach Musikjournalismus gibt. Sie wollen mehr als nur [3][bei | |
| Spotify] auf den Play-Button klicken. Sie interessieren sich für die | |
| Geschichten dahinter. | |
| Wie ist Diffus entstanden? | |
| Ich habe das Magazin 2014 als Student in Ilmenau gestartet. Ich habe zu der | |
| Zeit von Spex über Juice und Visions bis Intro alle Musikmagazine gelesen, | |
| war ein großer Fan. Ich fand aber, dass sie alle online nicht so gut | |
| funktioniert haben, und dachte mir: Ich versuche es selbst. Ich habe dann | |
| eine Website gebaut, mir eine Kamera gekauft und angefangen, einmal die | |
| Woche Videos über Musik zu veröffentlichen. Mittlerweile hat Diffus ein | |
| kleines Team von zehn Mitarbeiter*innen in Berlin. | |
| Im Musikjournalismus gab es schon immer zwei Ansätze. Einerseits den | |
| analytischen Blick von oben, wie ihn etwa Diedrich Diederichsen geprägt | |
| hat. Andererseits die Innenansicht. Sie wollen mittendrin sein, Rezensionen | |
| gibt es dagegen nicht. Warum? | |
| Die Rolle von Musikjournalismus hat sich verändert. Früher waren | |
| Musikjournalist*innen Gatekeeper, die den Leuten gesagt haben: Das | |
| ist gut und das ist schlecht. So sehe ich Diffus nicht. Journalismus lebt | |
| immer von seinen Primärquellen. Ich finde es viel spannender, mit den | |
| Menschen, die die Musik gemacht haben oder daran beteiligt sind, zu | |
| sprechen, als von oben draufzuschauen. Wir bieten Zugänge zu Kultur und | |
| bewerten Musik eher über unsere Auswahl. Was wir nicht gut finden, findet | |
| nicht statt. | |
| Bisher haben Sie das online gemacht, seit 2023 erscheint auch eine | |
| Printausgabe. Warum ausgerechnet ein Printmagazin? | |
| Das Printmagazin soll ein Ort für lange, zeitlose Texte sein, die ansonsten | |
| zu kurz kommen. Es funktioniert ein bisschen wie ein Merchandise-Produkt, | |
| das ein Zusatz zu unserer Onlineplattform ist. Eine Art Coffee Table Book, | |
| in dem wir gute Geschichten erzählen wollen. | |
| In den ersten beiden Magazinen geht es unter anderem ausführlich um die | |
| AJZ-Kultur in Deutschland und feministischen Black Metal. Daneben gibt des | |
| Interviews mit Rapper*innen und Bands. Verfolgt Diffus überhaupt eine | |
| klare Linie? | |
| Unser Name sagt es ja schon: Die Musikauswahl ist diffus. Das kommt daher, | |
| wie ich selbst früher Musik gehört habe. Ich finde in allen Genres Sachen, | |
| die mich interessieren. Diffus soll ein Ort sein, an dem klassische | |
| Popmusik, Metal oder HipHop zusammenkommen können. Wir wollen | |
| Musiker*innen abbilden, die etwas zu erzählen haben und innerhalb ihrer | |
| Genres besonders sind. Wenn sich eine unserer Autorinnen also gut mit | |
| feministischem Black Metal auskennt, dann will ich darüber lesen. Auch weil | |
| es dafür in klassischen Metal-Medien eher keinen Raum gibt. Leute kaufen | |
| sich die neue Ausgabe dann zwar vielleicht wegen Brutalismus 3000 auf dem | |
| Cover, entdecken aber auch den Artikel über die Punkband Team Scheisse oder | |
| einen Essay über weibliche Fankultur. In Magazinen lässt sich viel | |
| entdecken. Online klickt man dagegen einen spezifischen Artikel an, scrollt | |
| deswegen aber noch lange nicht durch die Website. | |
| Verstrickungen mit der Musikindustrie waren immer ein Ding im | |
| Musikjournalismus. Dem Spex-Verleger gehörten Anteile eines großen | |
| Musikvertriebs, die Intro war verwoben mit großen Festivals. Bei Ihnen | |
| steht Beat Gottwald, Musikmanager und Betreiber der Bookingagentur | |
| Landstreicher, als Herausgeber im Impressum. Wie unabhängig kann Diffus da | |
| noch sein? | |
| Ich habe Diffus jahrelang allein betrieben, irgendwann hat Beat Gottwald | |
| damit begonnen, mich zu unterstützten. Wir hatten beide das Gefühl, dass es | |
| mehr guten Musikjournalismus in Deutschland braucht, und daraufhin | |
| begonnen, lose zusammenzuarbeiten. Irgendwann haben wir eine Firma für | |
| Diffus gegründet. Ich hatte zwei Bedingungen. Erstens: Ich mache das nur, | |
| wenn sich das Magazin selbst trägt. Zweitens: Wir bleiben unabhängig. Beat | |
| Gottwald ist der Manager von Casper, Kraftklub und K.I.Z und betreibt | |
| Landstreicher Booking. Aber wir berichten natürlich darüber hinaus – auch | |
| über Sachen, die er nicht mag. Wir wollen offen durch die Musikwelt gehen, | |
| ohne durch Firmenkonstrukte eingeschränkt zu sein, und das klappt auch. | |
| Gab es Situationen, in denen Sie Themen nicht umsetzen durften? | |
| Noch nie. Beat Gottwald hat gar nicht die Zeit dafür, in Redaktionsmeetings | |
| zu sitzen und uns Dinge zu verbieten. Er ist maximal der Türöffner, um | |
| Zugänge zu Künstler*innen zu bekommen. Für die Titelstory unseres ersten | |
| Magazins vom November 2023 sind wir mit Casper in die USA gereist, in die | |
| Heimat seines Vaters, zu seiner alten Schule. Für eine so persönliche | |
| Reportage braucht es Vertrauen. | |
| Auch Casper steht als Herausgeber im Impressum des Magazins. Ist eine | |
| solche Cover-Story dann nicht eher PR-Tool? | |
| Wir gehen damit offen um, deswegen steht er ja auch im Impressum. Man muss | |
| das alles in Relation setzen. Wir machen Kulturjournalismus. Und wir | |
| definieren unseren Kulturjournalismus so, dass wir spannende Geschichten | |
| erzählen wollen. Mit der bloßen Draufsicht verdient man heute kein Geld | |
| mehr. Casper wollte uns dabei unterstützen und das schließt sich für mich | |
| nicht aus. Wären wir ein politisches Magazin und ein Bundestagsabgeordneter | |
| wäre Herausgeber, fände ich das problematisch. Aber wir sind eben im | |
| Kulturjournalismus und da werden selten die großen Probleme besprochen. | |
| Caspers Herausgeberschaft ist eher ein symbolisches Ding. Er mischt sich | |
| nicht ein. | |
| 23 Apr 2024 | |
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| Johann Voigt | |
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