| # taz.de -- „Ehrenmord“-Prozess in Bremen: „Der Getöteten ein Gesicht ge… | |
| > Vor dem Landgericht Bremen wird der Mord eines Bruders an seiner | |
| > Schwester verhandelt. Der Angeklagte will „aus Ehre“ gehandelt haben. | |
| Bild: Vorm Landgericht Bremen wird der Mord an einer Frau durch ihren Bruder ve… | |
| Bremen taz | Der Bildschirm im Gerichtssaals im Landgericht Bremen zeigt | |
| Ilham A., ein blaues Kopftuch umfasst ihr Gesicht. Das Portraitfoto ist | |
| schlecht beleuchtet, es ist kaum zu erkennen, wie A. auf dem Bild aussieht, | |
| ob sie lächelt. Einige Frauen im Zuschauerraum schluchzen; es sind | |
| gemeinsame Schwestern der Ermordeten und des Angeklagten. | |
| „Ich möchte der Getöteten ein Gesicht geben“, erklärt Richterin Gesa Kas… | |
| ihre Entscheidung, das Foto zu zeigen. „Bei einem Mordprozess steht | |
| natürlich [1][immer der Angeklagte im Zentrum“,] sagt sie. „Wir werden | |
| Herrn A. im Laufe der Verhandlung kennenlernen. Die Getötete können wir | |
| aber nicht mehr kennenlernen.“ | |
| Kasper führt in den kommenden Wochen bis voraussichtlich Ende Mai den | |
| Vorsitz im Verfahren zu einem sogenannten Ehrenmord. Mohammed A. ist | |
| angeklagt, seine Schwester [2][in ihrer Wohnung in Bremen-Walle erstochen | |
| zu haben.] A. bestreitet die Täterschaft nicht, er hatte sich unmittelbar | |
| nach der Tat bei der Polizei gestellt und den Mord damit begründet, seine | |
| Ehre wiederherstellen zu müssen. Ein feministisches Bündnis hatte bereits | |
| im Dezember gegen die Tat als „Ehrenmord“ protestiert. Es handele sich um | |
| einen Femizid, die Bezeichnung Ehrenmord verschleiere die misogyne | |
| Dimension. | |
| Am 9. Dezember, dem 23. Geburtstag von Ilham A., klingelte laut | |
| Staatsanwaltschaft spät abends der Angeklagte an der Wohnungstür und wurde | |
| hereingelassen. Mehrfach habe er daraufhin in ihrem Schlafzimmer mit einem | |
| Küchenmesser „in Tötungsabsicht und unter erheblichem Kraftaufwand“, so d… | |
| Staatsanwältin, auf den Oberkörper seiner Schwester eingestochen. | |
| Lebenswichtige Organe, das Herz, die Lunge, die Leber wurden verletzt. | |
| Ilham A. starb noch am Tatort. | |
| ## Planvolles Vorgehen | |
| Offenbar direkt im Anschluss rief Mohammed A. die Polizei. Im Gerichtssaal | |
| wird die Aufzeichnung des Notrufs abgespielt: „Ich habe gerade eben meine | |
| Schwester umgebracht“, sagt A. dort. Die Tat scheint nicht im Affekt | |
| geschehen, sondern geplant gewesen zu sein: Gegenüber der Polizistin, die | |
| ihm die Handschellen anlegte, gab A. am Tatort an, er habe die Tasche für | |
| das Gefängnis bereits gepackt. In seiner Wohnung werden Briefe an seine | |
| weiteren Schwestern und seine Verlobte gefunden. | |
| „Ich kann ohne Zukunft weiterleben, nicht aber ohne Ehre“, liest die | |
| Richterin daraus vor; seine Schwester habe „versucht zu leben wie eine | |
| Schlampe“. Bei seinen übrigen Schwestern und seiner Verlobten entschuldigt | |
| er sich dafür, „dass ich euch jetzt alleine lasse“. Gegenüber einem bisher | |
| im Prozess nicht näher definierten Adressaten brüstet er sich: „Ich war | |
| auch ein Mann gewesen, wie du.“ | |
| Während an der Täterschaft angesichts des Geständnisses wenig Zweifel | |
| besteht und das Motiv zwar unscharf bleibt, aber doch angerissen wird, | |
| deutet A.s Verteidiger an, dass er den geistigen Zustand des Angeklagten | |
| zur Tatzeit thematisieren will. Er selbst habe A. am Morgen nach der Tat in | |
| besonderer Verfassung erlebt. A. selbst gab bei seiner Vernehmung kurz nach | |
| Mitternacht an, Alkohol, Kokain und Cannabis konsumiert zu haben. Der | |
| durchgeführte Alkoholtest ergab allerdings einen Promillewert von 0,0. | |
| Die drei Polizist*innen, die am Einsatzort mit A. Kontakt hatten und vor | |
| dem Landgericht als Zeug*innen befragt werden, beschreiben den | |
| Angeklagten bei seiner Festnahme als ausgesprochen ruhig und gefasst. „Er | |
| war die Ruhe selbst. Ich habe Menschen erlebt, die bei Kleinigkeiten viel | |
| aufgeregter waren“, erklärt eine Polizistin im Zeugenstand. „Falls Sie das | |
| Licht suchen, der Lichtschalter ist rechts“, habe A. bei seiner Abführung | |
| durch den Hausflur kurz nach der Tat gesagt, erinnert sich ein anderer | |
| Polizist. „Für mich war das ein seltsamer Gedanke, dass man das in der | |
| Situation so sagt.“ | |
| Während der Tat waren noch eine weitere Schwester, deren zwei Kinder sowie | |
| ein männlicher Bekannter in der Wohnung. Kinder und Schwester waren nach | |
| Eintreffen der Polizei aus ihren Zimmern gekommen; die Kinder weinten, die | |
| Schwester habe „zunehmend hysterisch“ gewirkt und offenbar einen Streit mit | |
| dem Angeklagten begonnen, sagten die Polizist*innen aus. Die Schwester | |
| wird bei der nächsten Sitzung des Gerichts Anfang Mai als Zeugin geladen. | |
| 18 Apr 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Lotta Drügemöller | |
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