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# taz.de -- Juristische Eingruppierung von Femiziden: Verzerrte Darstellung
> Frauenfeindliche Motive für einen Femizid gelten nicht als „niederer
> Beweggrund“. Der Bremer Senat will das auch nicht ändern.
Bild: Familientragödie? Femizid! Frank R. aus Mahndorf hat seine Frau ermordet…
Bremen taz | Der Bremer Senat hält eine Aufnahme von frauenfeindlichen
Motiven in die Liste der „niederen Beweggründe“ für unnötig. Das geht aus
einer Antwort auf eine große Anfrage der Koalitionsfraktionen zum Thema
Femizide hervor. Eine solche Ergänzung hätte nach Auffassung des Senats
ausschließlich deklaratorischen Charakter.
In ihrer Anfrage hatten die Fraktionen von SPD, Grünen und Die Linke vom
Senat wissen wollen, wie viele Frauen von 2013 bis 2020 im Bundesland
getötet wurden und wie viele Tötungsversuche es gab. Aber auch die Zahl der
Verurteilungen, die Beurteilung einer möglichen Ergänzung der niederen
Beweggründe um eine frauenverachtende Motivation des Täters und Maßnahmen
zur Prävention solcher Taten wurden abgefragt.
Frauenfeindliche oder -verachtende Motive als niedere Beweggründe im Gesetz
zu ergänzen „würde die Strafzumessung im konkreten Einzelfall durch die
Gerichte nicht verändern“, heißt es nun in der Senatsantwort. Auch würde
das die Prävention solcher Straftaten nicht verbessern, so die
Regierungseinschätzung.
Seit 2013 werden in Bremen und Bremerhaven im Schnitt fünf Frauen jährlich
angegriffen – mit dem Ziel, sie zu töten. Und zwar, weil sie Frauen sind.
Die Zahlen der Delikte „im Kontext von Partnerschaftsbeziehungen“ steigen
seit 2013. Während damals zwei Frauen im Land Bremen starben, waren es neun
im Jahr 2020. „Das lässt uns nicht kalt“, sagt Maja Tegeler,
frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion. Es bestehe eine
Dringlichkeit, über das Thema [1][Femizide] zu sprechen, sagt sie. Darum
habe sie gemeinsam mit Grünen und SPD die Anfrage gestellt.
Als „Ehedrama“ oder „Familientragödie“ steht es oft in der Zeitung:
Meistens hat dann aber ein Mann seine Frau ermordet. Dahinter liegen oft
frauenfeindliche Motive. Tötet ein Mann seine Partnerin aus solchen
Motiven, heißt das für Jurist:innen nicht automatisch, dass er aus
niederen Beweggründen gehandelt hat. Diese gelten als Mordmerkmal.
Ausdrücklich erkennt das Strafgesetzbuch (StGB) niedere Beweggründe nur an,
wenn „rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige
menschenverachtende“ Ziele verfolgt werden.
„Wir beobachten, dass Straftaten gegen Frauen oft als Familiendramen
dargestellt werden“, sagt Antje Grotheer (SPD). „Das ist unangemessen.“
Ein solches „Familiendrama“ hat sich auch vor einem Monat in Bremen im
Stadtteil Mahndorf ereignet: Ein Vater hatte seine Frau gewürgt und
erstochen. Dann hat er das gemeinsame Haus in Brand gesetzt. Er selber kam
im Feuer um, eins der zwei Kinder starb erst im Krankenhaus. Über den Fall
wurde auch überregional berichtet.
Auf der Website News.de vermutet der Autor des Artikels zum „Feuerdrama“,
dass ein eskalierter Streit der Eheleute der Grund für den Mord des Vaters
an Frau und Kindern sein könnte. Bekannten zufolge soll die Ehefrau ihrem
Mann zuletzt mehrfach mit Scheidung gedroht haben, heißt es auf der
Website. Außerdem habe der Mann wegen Corona Stress gehabt. Ein bisschen
scheint hier mitzuschwingen, dass Stress und Ehekrach gute Gründe für einen
armen Mann sind, Frau und Kinder zu ermorden.
„Dass bei Femiziden niedere Beweggründe nicht anerkannt werden muss sich
ändern“, sagt Sülmez Dogan, Sprecherin für Rechtspolitik der
Grünen-Fraktion in der Bremer Bürgerschaft. Die Taten würden dadurch
abgewertet. „Weil frauenfeindliche Beweggründe nicht als niedere
Beweggründe gelten, werden solche Morde meist als Totschlag verhandelt“,
sagt sie. Die Bestrafung falle so geringer aus. Dogan hält darum eine
Ergänzung der niederen Beweggründe im StGB um eine frauenverachtende oder
frauenfeindliche Motivation des Täters für sinnvoll.
27 May 2021
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## AUTOREN
Mahé Crüsemann
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