# taz.de -- Science-Fiction-Serie auf Disney+: Mit fliegenden Autos über Lagos | |
> „Iwájú“ ist eine Science-Fiction-Serie über die nigerianische Stadt | |
> Lagos. Wichtig war den Macher*innen, ein authentisches Nigeria | |
> abzubilden. | |
Bild: Tola, ihr Vater und ihr Freund Kole | |
Gebannt schaut Tola aus dem Autofenster. Zum ersten Mal fährt das | |
11-jährige Mädchen über die Brücke, die die Wohlhabendsten von dem ärmeren | |
Großteil von Nigerias Megacity Lagos trennt. Hinter ihr die Insel mit | |
kunstvoller Glasarchitektur, geformt wie Skulpturen, von Gött*innen, als | |
würden die Menschen in Kunstwerken wohnen. Vor ihr die Fahrt aufs Festland. | |
Dort will Tola ihren Vater vom Flughafen abholen. Gleich einem Jenga-Turm | |
bestehen die Hochhäuser hier aus Containern und verschiedene Bauformen, in- | |
und aufeinandergestapelt. Gerade die andere Seite erreicht und schon steht | |
sie mit ihrem Fahrer im Stau. Typisch Lagos. „Dem Verkehr in Lagos sind die | |
Pläne der Menschen egal“, sagt ihr Fahrer, den sie Onkel G nennt. Aber kein | |
Problem. Onkel G drückt einen Knopf auf dem Bedienpult. Das Auto beginnt zu | |
schweben und fliegt über den Verkehr hinweg. | |
Könnte so das Lagos der Zukunft aussehen? In der neuen Disney-Serie „Iwájú… | |
tauchen die Zuschauenden ein in Tolas Welt eines futuristischen Lagos. Das | |
Seriendebüt ist eine echte Premiere. Geschichten, die das Leben | |
afrikanischer Länder erzählen und die Menschen vor Ort schreiben und | |
gestalten, gibt es selten. Zu oft geschieht das durch andere aus der Ferne. | |
## Über die Brücke ins „wahre Lagos“ | |
Im Comic-Genre wird es noch schwieriger. Die beiden Nigerianer Olufikayo | |
Adeola und Tolu Olowofoyeku, zusammen mit Hamid Ibrahim, der in Uganda | |
aufwuchs, wollten das ändern. Als Kinder fragten sich Adeola und | |
Olowofoyeku: Wo sind die Superheld*innen, etwa aus Nigeria, oder | |
Sci-Fi-Geschichten, in die Sagen und Märchen ihrer Kindheit eingesponnen | |
sind? | |
Später gründeten sie die [1][panafrikanische Unterhaltungsfirma Kugali | |
Media und verkündeten in einer BBC-Reportage], Disney auf dem afrikanischen | |
Kontinent in den „Arsch treten“ zu wollen. Kurze Zeit später meldete sich | |
der Medienkonzern. Und die Idee für „Iwájú“ entstand. Ende Februar ersch… | |
dann die Science-Fiction-Serie, die seit 4. April auch in Deutschland zur | |
Verfügung steht. Nie zuvor hat Disney mit einer externen Produktionsfirma | |
zusammengearbeitet. | |
In sechs 20-minütigen Folgen erzählt „Iwájú“ von Tola, die im wohlhaben… | |
Teil der Stadt aufwächst. Sie hat einen Traum: Ab aufs Festland, um das aus | |
ihrer Sicht „wahre Lagos“ kennenzulernen. Dort will sie die belebten Märkte | |
besuchen, die Welt einer ihrer wenigen Freunde, Kole, kennenlernen und den | |
Ort erkunden, an dem ihr Vater, ein Selfmade-Tech-Erfinder, aufgewachsen | |
ist. Doch ihr Vater sorgt sich um ihre Sicherheit, denn der technische | |
Fortschritt hat zwar die Stadt verändert, aber viele Probleme, die das Land | |
auch heute hat, nicht aufgelöst. | |
Die verschiedene Erzählstränge werden zuweilen sehr schnell miteinander | |
versponnen. Die Geschichte nimmt Probleme des heutigen Nigerias auf, | |
vereint sie mit dem Lebensgeist der Stadt und einem Reichtum an | |
Actionszenen und Technikinnovationen, die man von einer | |
Science-Fiction-Serie erwartet. Und zugleich ist die Serie eine universelle | |
Erzählung, mit der sich Menschen überall identifizieren können. Von der | |
Liebe eines Vaters für seine Tochter, von Freundschaft und der Neugier | |
eines kleinen Mädchens, das selbstständig wird. | |
## Keinesfalls Afrofuturismus | |
Die Kugali-Gründer wollten sich auf ihre Art ausdrücken: „Ich glaube, wenn | |
man einfach eine Geschichte erzählt, die sich nigerianisch, ugandisch oder | |
kenianisch anfühlt, wird sie natürlich anders sein, weil der Geist dieser | |
Orte anders ist als der Geist Großbritanniens oder dem der USA“, sagt der | |
Co-Gründer und Screenwriter der Serie, Adeola. Das sehe man auch in | |
[2][japanischen Anime], da es stilistische und erzählerische Mittel gebe, | |
die in deren Kultur verwurzelt seien, sagt Adeola. „Das Einzige, worauf ich | |
mich [im Erzählen] wirklich verlassen kann, ist diese Authentizität“, | |
folgert er. | |
Die echte Stadt Lagos bleibt trotz Sci-Fi klar erkenntlich: Etwa durch | |
kulinarische Spezialitäten wie Puff-Puff, die Sprache oder den Verkehr. All | |
die kleinen Details sollten sichtbar werden, sagt Olowofoyeku. Der | |
Nigerianer war kultureller Berater, die Augen und Ohren vor Ort, um das, | |
was typisch Lagos ist, abzubilden. An mancher Stelle führte das mit Disney | |
zu einem Kultur-Clash im Kampf um Authentizität und erzählerische | |
Entfaltung. | |
Die Macher betonen, dass die Serie eine Science-Fiction-Erzählung ist und | |
keinesfalls [3][Afrofuturismus]. „Wenn man sich die Geschichte von | |
Afrofuturismus anschaut, dann kommt der von Menschen afrikanischer | |
Abstammung, die in den USA oder in Großbritannien aufgewachsen sind und | |
darin ihre Erfahrungen aus der Diaspora verarbeiten“, sagt Olowofoyeku, der | |
auch heute noch in Lagos lebt. Diese Erfahrungen hätten sie nicht gemacht. | |
Das unterscheide ihre Geschichte auch etwa von Wakanda – das wohl | |
bekanntesten Werk des Afrofuturismus. Der Disney-Film geriet auch in die | |
Kritik, weil er verschiedene Kulturen des Kontinents miteinander | |
verschmolzen hat. | |
„Iwájú“ dagegen beschäftigt sich mit einem einzigen Ort. Das Wort ist | |
Yoruba und grob zu übersetzen mit „Zukunft“, abgeleitet von „ojo iwájú… | |
(„der Tag vor uns“). Sie hätten einen kurzen, verständlichen Namen für d… | |
Serie gesucht und genau wie die Serie die Sprache nutzen wollen, die in | |
Lagos tief verwurzelt ist. | |
## Der Tag vor uns | |
Nigeria ist eines der sprachenreichsten Länder der Welt. Über 500 Sprachen | |
werden dort gesprochen. Dass sich das auch in der Serie wiederfindet, war | |
den Machern besonders wichtig. So nutzen die Protagonist*innen auch | |
Worte aus dem Yoruba, der Sprache der Region. und Pidgin – ein Mix von | |
Englisch mit den meistgesprochenen Sprachen des Landes. Im Englischen | |
stammen auch alle Sprecher*innen aus der Region. Auch im Deutschen wird | |
das in Teilen beibehalten. So nennen die Angestellten Tolas Vater stets | |
„Oga“, also Boss. | |
Ein kleinen Schmerz hinterlässt nur, dass Disney+ nicht regulär in Nigeria | |
verfügbar ist. Erst Ende April/Anfang Mai soll die Serie für bestimmte | |
Abonent*innen in Nigeria im Disney Channel verfügbar sein. Das Team von | |
Kugali Media hat noch viel vor. Sie wollen zahlreiche Spiele und Comics und | |
somit ein Netzwerk für afrikanische Künstler*innen schaffen. „Iwájú“ ist | |
für sie nur der Anfang. | |
16 Apr 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bbc.com/news/av/stories-46816347 | |
[2] /Neuer-japanischer-Animationsfilm/!5979801 | |
[3] /Afrofuturismus-Schau-ohne-Schwarze/!5614537 | |
## AUTOREN | |
Adefunmi Olanigan | |
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