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# taz.de -- Generalstreik in Nigeria: Wer arbeitet, soll essen können
> Nach zwei Tagen Generalstreik willigt Nigerias Regierung in Verhandlungen
> mit den Gewerkschaften ein. Die fordern einen 16-fach höheren
> Mindestlohn.
Bild: Gewerkschaftsprotest in Nigeria gegen die hohen Lebenserhaltungskosten im…
Abuja taz | Als sei der Verlust des Status der größten Volkswirschaft
Afrikas und das Abrutschen auf den vierten Platz hinter Südafrika, Ägypten
und Algerien nicht genug, steckt Nigeria jetzt auch in einem Dauerkonflikt
zwischen Regierung und Gewerkschaften. Ein Generalstreik für höhere
Mindestlöhne und niedrigere Strompreise hat am Montag und Dienstag das
210-Millionen-Einwohner-Land weitgehend lahmgelegt und erhöht den Druck auf
[1][Präsident Bola Tinubu] ein Jahr nach seiner Amtseinführung.
Zu der unbefristeten Arbeitsniederlegung seit Montag riefen die
Gewerkschaftsdachverbände [2][NLC (Nigeria Labour Congress)] und [3][TUC
(Trade Union Congress)] aus. Die meisten staatlichen Einrichtungen blieben
geschlossen, die Energieversorgung und der Flugverkehr brachen zusammen.
Damit wurden auch andere Branchen mit hineingezogen, auch weil manche
Angestellte in der Privatwirtschaft sich dem Generalstreik anschlossen.
Auch das Gesundheitswesen war betroffen.
Der Stromversorger TCN (Transmission Company of Nigeria) stellte
landesweite Stromausfälle fest. Die beiden größten Flughäfen Nigerias, der
Nnamdi Azikiwe International Airport in der Hauptstadt Abuja und der
Murtala Muhammed International Airport in der Wirtschaftsmetropole Lagos,
wurden von Streikenden blockiert, was zu Flugausfällen führte.
In einem der ohnehin unsichersten Länder Afrikas sorgt all dies für
zusätzliche Probleme. „Wir rechnen mit Zusammenstößen zwischen
Protestierenden und Sicherheitskräften, falls es zu Demonstrationen kommt,
auf denen Anweisungen der Polizei ignoriert werden“, sagt eine Quelle im
Sicherheitsapparat.
## Tägliche Treffen für Verhandlungen
Es gibt zwei Gründe für die Streikwelle. Zum einen hat die Regierung eine
300-Prozent-Erhöhung des Strompreises auf 225 Naira (13,8 Cent) pro
Kilowattstunde gebilligt. Zum anderen verlangen die Gewerkschaften eine
deutliche Anhebung des gesetzlichen monatlichen Mindestlohns von derzeit
30.000 Naira (rund 18 Euro) auf mindestens 500.000 Naira (über 300 Euro).
Die Regierung hat 60.000 Naira (rund 37 Euro) angeboten und auch einen
höheren Betrag in Aussicht gestellt, ohne diesen zu benennen. Dies liege
„im nationalen Interesse“, hieß es in einer Regierungserklärung. Es werde
ab jetzt „für die kommende Woche tägliche Treffen geben, um einen
akzeptablen landesweiten Mindestlohn zu erreichen“. Präsident Tinubu wies
das Finanzministerium an, neue Zahlen vorzulegen.
In Erwartung eines verbesserten Angebots verkündeten die
Gewerkschaftsverbände am Dienstag abend die Aussetzung des Generalstreiks
für eine Woche. Derweil führen Mohammed Idris, Minister für Information und
Nationale Orientierung, und Nkeiruka Onyejeocha, Staatsminister für Arbeit,
die Regierungsdelegation bei Gesprächen mit den Gewerkschaftsdachverbänden
an. Diese werden von NLC-Präsident Joe Aljaero und TUC-Präsident Festus
Osifo geführt.
## Afrikas stärkste Gewerkschaftsbewegung
Eine Erfüllung der Gewerkschaftsforderungen wäre nicht einfach. Nigeria
steckt in einer Wirtschaftskrise, die Staatseinnahmen befinden sich im
freien Fall. Nach den jüngsten Quartalsdaten der Zentralbank verringerten
sich die auf Bundesebene eingenommenen Staatseinnahmen von 4,1 Billionen
Naira (2,5 Milliarden Euro) im dritten Quartal 2023 auf 2,6 Billionen (1,6
Milliarden Euro) im vierten Quartal. Der [4][Staatshaushalt für 2024] sieht
insgesamt wieder deutlich höhere Staatseinnahmen in Höhe von 18,3 Billionen
Naira (11,2 Milliarden Euro) vor, von denen rund zwei Drittel vom
Zentralstaat erwirtschaftet werden; die Staatsausgaben für dieses Jahr sind
mit 27,5 Billionen Naira angesetzt.
Der starke Verfall der Landeswährung in den letzten Monaten lässt die
staatlichen Haushaltszahlen in Euro oder US-Dollar umgerechnet deutlich
niedriger aussehen, als sie geplant waren – aber er steigert die Inflation,
lässt die Kaufkraft erodieren und erschwert die Finanzierung des
Haushaltsdefizits. „Wir rechnen mit einem höheren Druck auf den
Staatshaushalt durch höhere Gehälter und steigende Kreditausgaben“,
prognostiziert der Finanzanalyst Tunde Abidoye, Equity Research Analyst at
FBN Capital.
Nigeria hat eine der stärksten Gewerkschaftsbewegungen Afrikas. Da viele
Menschen aber nicht in der formalen Wirtschaft arbeiten, vertreten die
Gewerkschaften nur Teile der Bevölkerung, vor allem im Staatsdienst, im
Ölsektor und in den großen Verkehrsgesellschaften. Der Mindestlohn ist aber
gesetzlich verbindlich.
5 Jun 2024
## LINKS
[1] /Neuer-Praesident-fuer-Nigeria/!5937104
[2] https://www.nlcng.org/
[3] https://tucnigeria.org.ng/
[4] https://budgit.org/post_infographics/2024-proposed-budget-framework/
## AUTOREN
Emeka Okonkwo
## TAGS
Nigeria
Mindestlohn
Generalstreik
Bola Tinubu
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Schwerpunkt Islamistischer Terror
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