# taz.de -- Geplante Proteste in Nigeria: „Tinubu muss weg“ | |
> Massenproteste gegen Korruption und Teuerung sollen ab dem 1. August | |
> Nigeria lahmlegen. Vorbild ist die Jugendprotestbewegung in Kenia. | |
Bild: Schon lange angespannte Lage: Protest in Nigerias Hauptstadt Abuja gegen … | |
Abuja taz | Nigerias Regierung ist in höchster Alarmbereitschaft: Ab 1. | |
August sind Massenproteste gegen [1][Präsident Bola Tinubu] geplant. | |
Aktivisten mobilisieren unter Parolen wie [2][„Tinubu Must Go“] (Tinubu | |
muss weg) und „End Bad Governance“ (Setzt der schlechten Regierungsführung | |
ein Ende) und verlangen Reformen des Wahlsystems, Maßnahmen gegen | |
Korruption und niedrigere Strom- und Treibstoffpreise. | |
Am 1. August sollen in der Hauptstadt Abuja, der größten Metropole Lagos | |
und anderen Millionenstädten wie Enugu, Kaduna, Kano und Port Harcourt | |
zentrale Straßen und Flughäfen blockiert werden. Vor dem Parlamentsgebäude | |
in Abuja sind Versammlungen geplant, ebenso vor den Gouverneurssitzen in | |
verschiedenen Provinzen landesweit. | |
Es drohen Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften sowie mit | |
regierungstreuen Demonstranten, die unter dem Motto „Protect Nigeria“ | |
(Schützt Nigeria) auf die Straße gehen wollen. Die Proteste sind für zwei | |
Wochen angesetzt, bis 15. August. | |
Die politische Lage ist entsprechend angespannt. Der Inlandsgeheimdienst | |
DSS (Department of State Services) wirft der Protestbewegung vor, sie wolle | |
die Regierung in ein schlechtes Licht stellen und die Massen gegen sie | |
aufhetzen. Der DSS erklärte, sie habe „einen finsteren Plan gewisser | |
Elemente, die Proteste zu unterwandern und zu nutzen, um Chaos und extreme | |
Gewalt zu schüren,“ aufgedeckt. „Das langfristige Ziel ist Regimewechsel�… | |
sagte DSS-Sprecher Peter Afunanya. | |
Dies folgt auf Vorwürfe des Präsidentensprechers Bayo Onanuga, dass die | |
Oppositionspartei LP (Labour Party), deren [3][Kandidat Peter Obi] 2023 die | |
Präsidentschaftswahlen gegen Tinubu und die Regierungspartei APC (All | |
Progressives Congress) verlor, hinter den Protesten stecke. | |
Der Vorwurf wird von Oppositionellen zurückgewiesen. Agu Chineme, | |
Generalsekretär der regionalen Organisation SERG (South East Revival | |
Group), sagte: „Mit ihrer skrupellosen Propaganda stürzen die Schergen von | |
Präsident Tinubu das Land ins Chaos, aus Verzweiflung nach nunmehr neun | |
Jahren Scheitern der verschiedenen APC-Regierungen.“ Die Regierung habe | |
ihre eigenen Vorhaben nicht umgesetzt und verbreite nun Lügen über Peter | |
Obi, um vom eigenen Versagen abzulenken. | |
Polizeichef Kayode Egbetokun warnt im Vorlauf der Proteste vor Gewalt. „Wir | |
werden nicht stillsitzen und zuschauen, wie Aktivisten unsere friedlichen | |
Gemeinschaften mit Gewalt überziehen oder kritische Infrastruktur | |
zerstören“, sagte er. | |
Nigerias Protestbewegung nimmt sich Kenia zum Vorbild, wo [4][eine junge | |
Protestbewegung] seit Wochen gegen Präsident William Ruto auf die Straße | |
geht und seinen Rücktritt fordert. Rund 50 Menschen sind dabei bisher ums | |
Leben gekommen. | |
## Andauernde Wirtschaftskrise | |
Hintergrund in beiden Ländern ist die andauernde Wirtschaftskrise. Kenia | |
hat kürzlich einen Status als größte Volkswirtschaft in Ostafrika an | |
Äthiopien. Nigeria ist unter Tinubu vom ersten auf den vierten Platz in | |
Afrika abgerutscht, hinter Südafrika, Ägypten und Algerien, obwohl es mehr | |
Einwohner hat als alle diese drei Länder zusammen. | |
Der IWF (Internationaler Währungsfonds) sieht für Nigeria dieses Jahr ein | |
Wachstum von nur 3,3 Prozent voraus, kaum mehr als das | |
Bevölkerungswachstum; seit Jahren tritt die Wirtschaft auf der Stelle. | |
Für Nigerias 72-jährigen Präsidenten Bola Tinubu, ehemals Gouverneur von | |
Lagos, sind die erwarteten Proteste die größte politische Herausforderung | |
seit seinem Wahlsieg 2023. | |
Erst vor acht Wochen hatte ein [5][Generalstreik] die Regierung in | |
Bedrängnis gebracht. Am 18. Juli vereinbarte die Regierung schließlich mit | |
dem Gewerkschaftsdachverband eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns | |
von 30.000 Naira (18 Euro) auf 70.000 Naira (40 Euro) im Monat. Doch dann | |
begannen Ausstände im Gesundheitswesen und im Universitätssektor. Die | |
Inflationsrate liegt bei über 30 Prozent. | |
Ein neuer UN-Bericht, von der UN-Drogen- und Kriminalitätsbehörde UNODC | |
gemeinsam mit dem nigerianischen Statistikamt NBS erstellt, errechnete | |
außerdem, dass Nigerianer allein im Jahr 2023 umgerechnet über 1,15 | |
Milliarden Euro Schmiergeld an öffentliche Bedienstete zahlen mussten. Der | |
Anteil der Privatunternehmen, die Schmiergelder zahlen musste, sei von 6 | |
Prozent im Jahr 2019 auf 14 Prozent vier Jahre später gestiegen. | |
Aber über 70 Prozent der Menschen hätten sich trotz Aufforderung geweigert, | |
eine solche ungesetzliche Zahlung zu leisten, heißt es im Bericht | |
[6][„Corruption in Nigeria: Patterns and Trends“] – ein Zeichen, dass die | |
Bürgerinnen und Bürger die korrupten Zustände nicht länger hinnehmen. | |
28 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Neuer-Praesident-in-Nigeria/!5917160 | |
[2] https://www.boomplay.com/lyrics/156428842 | |
[3] /Wahlkampf-in-Nigeria/!5912461 | |
[4] /Massenproteste-in-Kenia/!6019071 | |
[5] /Generalstreik-in-Nigeria/!6015400 | |
[6] https://www.unodc.org/conig/uploads/documents/3rd_national_corruption_surve… | |
## AUTOREN | |
Emeka Okonkwo | |
## TAGS | |
Nigeria | |
Bola Tinubu | |
Kenia | |
Pandemie | |
Nigeria | |
Nigeria | |
Nigeria | |
Schwerpunkt Islamistischer Terror | |
Schwerpunkt Islamistischer Terror | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Biologe über Pandemiebekämpfung: „Afrikaner können mit Epidemien umgehen“ | |
Die Lehren aus der Ebola-Epidemie in Westafrika waren die Grundlage für die | |
Pandemiebekämpfung von Covid, sagt der Biologe Christian Happi. | |
Nigerias Protestbewegung lehnt Dialog ab: „Messer an die Kehle“ | |
Die Protestbewegung gegen Nigerias Präsident Bola Tinubu geht erneut auf | |
die Straße. Vergeblich hatte Tinubu in einer TV-Ansprache Dialog angeboten. | |
Proteste in Nigeria: Straßenschlachten, Tote und Bomben | |
Der erste Tag geplanter Massenproteste in Nigeria gegen die Regierung artet | |
in Gewalt aus. Die Polizei setzt Schusswaffen ein, es gibt Plünderungen. | |
Generalstreik in Nigeria: Wer arbeitet, soll essen können | |
Nach zwei Tagen Generalstreik willigt Nigerias Regierung in Verhandlungen | |
mit den Gewerkschaften ein. Die fordern einen 16-fach höheren Mindestlohn. | |
Entführung von Kindern in Nigeria: Chibok als Brennglas | |
Die Massenentführung von Chibok löste vor Jahren Entsetzen aus. Sie ist ein | |
Beispiel dafür, was grundsätzlich in Nigeria schiefläuft. | |
Verschleppte Kinder in Nigeria: Das ignorierte Riesenland | |
Die Geiselnahme zeigt: Nigeria hat trotz neuer Führung alte Probleme. | |
International wird das kaum erkannt. Es bräuchte Investitionen und | |
Interesse. |