# taz.de -- „Die Yacht“ von Anna Katharina Fröhlich: In einem Paralleluniv… | |
> Sizilien, Luxus, Begehren und Hedonismus: Anna Katharina Fröhlichs | |
> Erzählung „Die Yacht“ scheint aus der Zeit gefallen zu sein. | |
Bild: Sommer, Sonne, Nagellack | |
Schmetterlinge fliegen so einige auf in diesem Buch, und schmetterlingshaft | |
kommt auch die Prosa von Anna Katharina Fröhlich daher: leicht und bunt. | |
Diesmal entführt sie uns nach Italien, wo sie selbst schon viele Jahre | |
lebt. In der Stadt N. besucht ihre Protagonistin Martha Oberon einen | |
Malkurs, und dort läuft sie dem tomripleyhaften Salvatore Spinelli über den | |
Weg, einem extravaganten Sozialhilfeempfänger, Luftikus und Lebemann. Er | |
nimmt Martha mit nach Sizilien, wo die oberen Zehntausend ihre Zeit vertun. | |
Die titelgebende Yacht gehört dem Ehepaar Tabarin. Das Gefährt hört auf den | |
unheilvollen Namen „Devil’s kiss“. Die Tabarins und die Ihrigen sind Leut… | |
die man aus der Regenbogenpresse kennt oder aus Romanen wie „Der große | |
Gatsby“. Angeber, Snobs, müde Hedonisten, wie es einmal heißt. Anna | |
Katharina Fröhlich führt sie in ihrer als Sommernovelle apostrophierten | |
Erzählung mit fein perlender Ironie vor. | |
Die Dame des Hauses schildert sie als asketische Kämpferin für die | |
Hagerkeit: „Während die Gäste erregende Speisen zu sich nahmen, verzehrte | |
Madame Tabarin das Mahl eines Hasen: einen kleinen Haufen Rucola. Die | |
Magerkeit des großen Mädchens triumphierte bei ihr über die Schwerkraft der | |
zunehmenden Jahre. Sie bewohnte ihren Körper wie ein Mönch seine Zelle.“ | |
Dieser herrlich unbarmherzige Blick auf eine bestimmte Gesellschaftsschicht | |
trägt viel zur Unterhaltsamkeit des Buches bei. Spätestens nach 100 der 160 | |
Seiten fragt man sich aber auch, wo das alles bloß hinführen mag, und ahnt, | |
dass es so richtig an kein Ziel führen wird. Egal. | |
Martha heißt dabei keineswegs zufällig Oberon mit Nachnamen, ganz so wie | |
der Elfenkönig aus Shakespeares „Sommernachtstraum“. Ähnlich wie der | |
dortige Zauberwald als Paralleluniversum funktioniert, ist auch Fröhlichs | |
[1][Luxusblase] auf Sizilien ein solches. Dort herrschen andere Gesetze, | |
und Liebe und Begehren vernebeln den Menschen Hirn und Herz. Bei Fröhlich | |
geschieht das unter südlicher Sonne. In der Hitze wird der schöne Butler | |
Balthasar zum allseits angehechelten Objekt der Begierde. | |
## Ihr adjektivsatter, leicht parfümierter Erzählstil | |
Die Liebe als Himmelsmacht spielte auch schon in anderen Werken von | |
Fröhlich eine zentrale Rolle. Bislang hat die 1971 geborene Autorin vier | |
Romane vorgelegt, jeden in einem anderen Verlag. Ihr erfolgreichster war | |
„Kream Korner“, 2011 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Ihr | |
Debüt „Wilde Orangen“ erschien sieben Jahre früher. Seitdem scheiden sich | |
die Feuilleton-Geister an ihrem adjektivsatten, leicht parfümierten | |
Erzählstil. | |
Die letzten Male führte Fröhlich in ihren Büchern nach Indien, wo sie | |
üppige Landschaften vermaß. Länderklischees bildet sie auch diesmal | |
plastisch ab und malt sie atmosphärisch aus. Die Liebe zur bildenden Kunst | |
grundiert ihre Sommernovelle. Martha stellt sich auf Sizilien der Malerin | |
Leonora Moore als Modell zur Verfügung. Was die Menschen im Buch darüber | |
hinaus vereint, ist eine eigentümliche Liebe zur Vergangenheit. Vom | |
Widerstand gegen den Zeitgeist ist einmal die Rede. Von Martha heißt es, | |
sie habe eine Vorliebe für Menschen, die sich in ihrem Jahrhundert weniger | |
gut fühlen als in einem vergangenen. | |
Gegen den Zeitgeist gegenwärtigen Erzählens stemmt sich auch Anna Katharina | |
Fröhlich. Sie bevorzugt ein aus der Zeit gefallenes Erzählen, das sich | |
weder um Weltpolitik noch [2][um Postmoderne schert.] Vielmehr vertraut | |
Fröhlich auf sinnenfrohe Fabelhaftigkeit. Auf engstem Raum gelingt ihr | |
dabei ein kurzer Gesellschaftsroman, der den Superreichen und ihrem | |
Hyperkonsum auf die manikürten Finger schaut, ohne sich viel Zeit für | |
Ambivalenzen zu nehmen. Es ist eine dekadente Welt, die das sogenannte | |
Draußen aussperrt wie einen Aussätzigen. | |
Der Mond strahlt dazu „kalt glänzend wie eine Ein-Euro-Münze“. In einem | |
Interview hat Fröhlich einmal gesagt, ihr ginge es in erster Linie darum, | |
dass die Sprache lebendig bleibe und der Text pulsiere. Das gelingt ihr | |
hier ohne Weiteres. Ihr neues Buch bleibt ein kurzes Sommervergnügen, mit | |
charmant losen Enden. | |
12 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Shirin Sojitrawalla | |
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