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# taz.de -- AfD gegen Verfassungsschutz: Rechte entdecken Vielfalt für sich
> Beim Prozess zur Einstufung der AfD gibt sich der rechte Scharfmacher
> Maximilian Krah handzahm. Ein Urteil ist noch fern.
Bild: Spricht gerne von „Umvolkung“, hält seinen Volksbegriff allerdings f…
Münster taz | Es war ein unfreiwillig komischer Moment im Sitzungssaal 1
des Oberverwaltungsgerichts Münster. Maximilian Krah, der selbst in Teilen
der AfD wegen seiner Radikalität und [1][seines Rassismus angefeindet]
wird, sagte am Ende seiner Ausführungen zum Volksbegriff, dass er sich
falsch verstanden fühle.
Der Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl gab ein etwas mitleidiges
Bild ab, war offensichtlich krank erschienen und hustete immer wieder
zwischen seinen Ausführungen. Am Ende schloss er: „Das Leben ist bunt, es
lebe die Vielfalt.“
Zusammenfassen lässt sich Krahs Vortrag mit: Er wolle doch nichts Böses. Er
sei „ein Gegner der Assimilation“, behauptet er. Die AfD wolle nicht die
private Ausübung des Islams einschränken. Nur das öffentliche Leben solle
nach einer deutschen Leitkultur funktionieren. Das sei doch wie bei der CDU
und in keiner Form verfassungsrechtlich bedenklich.
Wegen des Hustens warf ihm Richter Gerald Buck mitleidig einen Hustenbonbon
zu. Und vielleicht war es wirklich auch nur das Breitband-Antibiotikum, was
aus Krah sprach, als er versuchte, den rassistischen Markenkern der AfD zu
verleugnen.
## Beobachter*innen rechnen der AfD schlechte Chancen aus
Krahs Vortrag spielte am Donnerstag auf dem dritten Verhandlungstag im
Mammutprozess der AfD gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz. Die Partei
klagt gegen ihre Einstufung als „rechtsextremer Verdachtsfall“. Der
Geheimdienst gewann die erste Instanz vor dem Verwaltungsgericht Köln, vor
dem Oberverwaltungsgericht läuft [2][seit einem Monat die
Berufungsverhandlung].
Die meisten Beobachter*innen rechnen der AfD schlechte Chancen aus.
Wohl deshalb versuchen die AfD-Anwälte den Prozess zu verschleppen: Auch im
Vorfeld des dritten Verhandlungstages hat die AfD noch einmal mehr als 400
Beweisanträge gestellt, will ein Urteil vor den Landtagswahlen im Osten
verhindern.
Denn die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hat große Bedeutung auch
mit Blick auf eine mögliche Hochstufung der Partei als „gesichert
rechtsextrem“ und für ein mögliches Verbotsverfahren. Denn seit der
Einstufung als „rechtsextremer Verdachtsfall“ hat die AfD sich weiter
radikalisiert und wird mittlerweile vom extrem rechten Flügel um Björn
Höcke dominiert.
## „Pauschal diskriminierende Abwertung“
Und der sieht das mit dem Volksbegriff nämlich so, wie man es sonst auch
von Krah kennt. Das betonte dann auch der Anwalt des Verfassungsschutzes,
Wolfgang Roth. Die AfD unterscheide zwischen Staatsangehörigen und
ethnischem Volk, verbunden mit einer pauschal diskriminierenden Abwertung
von Menschen mit Migrationshintergrund bis hin zu Bürgern zweiter Klasse.
Das könne man nicht nur aus dem Programm herauslesen, wenn es um den
„Erhalt der ethnischen Identität“ gehe, sondern noch deutlicher aus vielen
Äußerungen von Krah.
Roth verwies auf dessen zahlreiche Tweets in der umfangreichen
Materialsammlung zu den verschwörungsideologischen Konzepten der
„Umvolkung“ und des „Großen Austauschs“. „Wir wollen nicht diesen
Meltingpot“, habe Krah gesagt. Oder bedauert, dass „Masseneinwanderung die
ethnische Struktur der Bevölkerung grundlegend verändere“. In seinem Buch
„Politik von rechts“ klage er über 15 Millionen Integrationsunwillige, die
Krah – egal ob deutsch oder nicht – zur „Remigration“ bewegen wolle.
Roth hätte wohl noch viele weitere unappetitliche Zitate wiedergeben
können, wenn der Vorsitzende Richter Gerald Buck ihn nicht irgendwann
gestoppt hätte: „Wir kennen alle diese Zitate. Wir haben alles gelesen.
Bitte keine weiteren Zitate. Unser Besprechungsraum ist durch die Akten
erheblich kleiner geworden.“ Tatsächlich umfasst das Material des Prozesses
tausende Aktenseite auf 20 Aktenmetern.
Etwas absurd wurde es, als Krah aus seinen guten Verbindungen in autoritäre
Regime das Argument ableiten wolle, er könne doch kein Rassist sein –
schließlich [3][beschäftige er einen Mitarbeiter mit chinesischem
Migrationshintergrund] und sei mit einer Slowakin verheiratet. Es wurde
nicht besser, als die AfD-Anwälte behaupteten, der „Einzelfallticker“ –
eine Art Internet-Sammlung von Gewalttaten, mit denen die AfD gegen
Minderheiten hetzt – sei nicht zynisch gemeint und solle niemanden pauschal
unter Verdacht stellen.
## AfD-Bundesvorstand bestreitet Islamfeindlichkeit
Mitangereist war am Donnerstag auch der AfD-Bundesvorstand Peter
Boehringer, der in Mails gerne mal vom „vergewaltigten Volkskörper“ oder
der „Merkelnutte“ schreibt, sich hier aber verhältnismäßig handzahm
präsentierte.
Er sollte für die AfD-Programmkommission sprechen und deutlich machen, dass
die Vielzahl der Zitate sich ja nicht auf die Programmatik auswirkten.
Einen Rechtsruck habe es in der AfD nicht gegeben, behauptete Boehringer,
und überhaupt: „Es ist doch nicht verboten, einem konservativen Weltbild
anzuhängen, das vor 20 Jahren noch ganz normal war.“
Und beim Punkt „Islamfeindlichkeit“ behauptete Boehringer tatsächlich, dass
Hans-Thomas Tillschneider, Vize-Landesvorstand aus Sachsen-Anhalt und einer
der radikalsten AfD-Politiker überhaupt als Islamwissenschaftler einen sehr
differenzierten Blick auf den Islam habe.
BfV-Anwalt Roth konterte schlicht mit Aussagen von Tillschneider selbst.
Der etwa sagte, dass es falsch sei, „zwischen Islam und Islamismus zu
unterscheiden“ und dass das „Grundgesetz nicht für den Islam“ gemacht w�…
Vor einem Jahr hat Tillschneider gar wörtlich zum „Krieg gegen die
Bundesregierung“ aufgerufen.
## Die Verzögerungstaktik geht zumindest teils auf
Ein weiterer Streitpunkt war die Diskussion um das Demokratieprinzip, das
die AfD aus Sicht des Verfassungsschutzes in Frage stelle. Hier führte Roth
aus, dass zahlreiche Vergleiche der BRD mit dem NS-Regime oder der
DDR-Diktatur eben keine zulässige Oppositionskritik seien, sondern eine
illegitime Gleichsetzung, die zudem den Nationalsozialismus verharmlose.
Etwa wenn man nach Corona ein „Nürnberg 2.0“ fordere und
Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit den Hauptkriegsverbrechern der
NS-Diktatur gleichstelle. Roth sagte, solche Äußerungen legten „die Axt an
die freiheitlich demokratische Grundordnung und haben den Boden bereitet
für den Sturm auf den Reichstag“.
Das brachte schließlich den am Donnerstag ansonsten eher ruhigen Boehringer
auf, der selbst sehr präsent bei Querdenken-Protesten war. Der
Bundesvorstand sagte, dass die AfD doch immer wieder von den restlichen
Parteien als Nazi-Partei bezeichnet werde – dann müssten doch auch alle
anderen Parteien vom Verfassungsschutz beobachtet werden, so seine Logik.
Der Richter stellte später klar, dass niemand schutzlos dem
Verfassungsschutz ausgeliefert sei. Schließlich seien geheimdienstliche
Maßnahmen im Rechtsstaat ja „gerichtlich voll überprüfbar, dafür sind wir
ja da.“
Das kann allerdings in dem Berufungsverfahren noch dauern. Immerhin kam die
Verhandlung am Donnerstag relativ gut voran – wohl auch, weil Richter Buck
mittlerweile eine Routine beim Aufschieben von Beweisanträgen entwickelte.
Klar bleibt indes: Ein Urteil wird nicht so schnell fallen – und auch das
öffentliche Interesse ist bereits deutlich kleiner, vor Ort waren weniger
Journalist*innen als zum Prozessbeginn. Die Verzögerungstaktik der AfD
geht also zumindest kurzfristig auf.
11 Apr 2024
## LINKS
[1] https://twitter.com/robertwagner198/status/1769199434695393456
[2] /Berufung-gegen-den-Verfassungsschutz/!5994848
[3] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100247784/a…
## AUTOREN
Gareth Joswig
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