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# taz.de -- Streit über Kindergrundsicherung: Grüne verteidigen Paus' Pläne
> Tausende neue Stellen hat die Ministerin für die Einführung der
> Familienleistung angemeldet – bei SPD und FDP stößt das auf Kritik. Grüne
> kontern.
Bild: Will „von der Holschuld der Bürger zur Bringschuld des Staates kommen�…
Berlin taz | Die Grünen pochen darauf, die Kindergrundsicherung schnell
einzuführen – trotz Kritik der Koalitionspartner an den bisherigen Plänen,
die eine neue Behördenstruktur und Tausende neue Verwaltungsstellen
vorsehen. „Als ich gehört habe, dass 5.000 Stellen geplant sind, war ich
etwas verwundert“, hatte SPD-Chef Lars Klingbeil vergangene Woche dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland gesagt. [1][FDP-Vizefraktionschefin Gyde
Jensen sagte dem Portal „Table.Media“ nun], niemand brauche eine neue
Behörde mit so vielen Stellen. Es werde schwer, weiter seriös über das
Projekt zu verhandeln.
Die Grünen dagegen verweisen auf Vereinbarungen innerhalb der Ampel. „Im
Koalitionsvertrag haben sich alle drei Parteien darauf verständigt, dass
wir die vielen verschiedenen Familienleistungen in der
Kindergrundsicherung bündeln und Kinderarmut so tatsächlich bekämpfen. Das
Kabinett hat im Gesetzesentwurf gemeinsam festgelegt, dass dafür der neue
Familienservice unter dem Dach der Bundesagentur für Arbeit zuständig sein
soll“, sagte Stephanie Aeffner, die das Thema für die Fraktion im
Bundestag verhandelt, am Dienstag der taz.
Der vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf, federführend erstellt von der
grünen Familienministerin Lisa Paus, liegt dem Bundestag seit September
vor. Sichtbare Fortschritte in den Beratungen gab es seitdem kaum. Der
Entwurf sieht vor, Leistungen wie das Kindergeld, das Bürgergeld für Kinder
und den Kinderzuschlag für geringverdienende Eltern zu bündeln. Als
zentrale Stelle soll dafür der neue Familienservice zuständig sein.
Hervorgehen würde er aus den bestehenden Familienkassen, die heute schon
das Kindergeld auszahlen.
Der ursprüngliche Gedanke dahinter: weniger Bürokratie und mehr Durchblick
für die Betroffenen. Tatsächlich könnte der vorliegende Entwurf die
Verfahren allerdings verkomplizieren, statt sie zu vereinfachen, warnten
Expert*innen in einer ersten Bundestagsanhörung im November. Bisher
müssten sich Eltern bedürftiger Kinder nur an das Jobcenter wenden, künftig
an mehrere Behörden, hieß es dort etwa.
Der Grünen-Abgeordneten Aeffner zufolge haben die Ampelfraktionen nach der
Anhörung die beteiligten Ministerien um eine Prüfung gebeten: Könnten
Kinder, deren Eltern Bürgergeld beziehen, weiterhin von den Jobcentern
betreut werden? Alle beteiligten Häuser – auch SPD- und FDP-geführte –
hätten dagegen verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet. Die schon vom
Kabinett geplante Bündelung für alle Kinder beim Familienservice sei die
logische Konsequenz. „Nachdem die Antworten der verschiedenen Ministerien
vorliegen, gehe ich davon aus, dass wir die Kindergrundsicherung noch vor
der Sommerpause im Bundestag und Bundesrat beschließen werden“, so Aeffner
weiter.
## Es geht auch um parteipolitische Profilierung
Auch den geplanten Stellenzuwachs verteidigen die Grünen. Die
Mitarbeiter*innen im Familienservice sollen laut dem Gesetzesentwurf
automatisch prüfen, ob einer Familie neben dem Sockelbetrag der
Kindergrundsicherung weitere Leistungen zustehen. Dadurch würden künftig
auch Familien erreicht, die eigentlich schon heute leistungsberechtigt
sind, aber aus Unkenntnis oder Überforderung keine Anträge stellen. Und
mehr Leistungsempfänger*innen bringen eben auch einen höheren
Verwaltungsaufwand mit sich.
„Mit den 5.000 Stellen wollen wir von der Holschuld der Bürger zur
Bringschuld des Staates kommen“, sagte Familienministerin Paus am
Wochenende der Rhein-Zeitung. Die Abgeordnete Aeffner verweist darauf, dass
der Personalbedarf von der Bundesagentur für Arbeit selbst so beziffert
wurde. „Einer Behörde wie der BA würde ich in solchen Fragen vertrauen. Es
ist nicht so, dass wir Grüne diese Zahl gewürfelt hätten“, sagte sie.
Dass sich ihre Partei für [2][die Pläne zur Kindergrundsicherung]
rechtfertigen muss, ist nicht neu. Schon während der Beratungen im Kabinett
wurden die ursprünglichen Modelle abgesteckt. Für das Projekt steht weit
weniger Geld bereit als von Paus zunächst gefordert. Zudem werden doch
nicht sämtliche Leistungen in der Kindergrundsicherung gebündelt. Vor allem
die SPD wirft der Familienministerin auch immer wieder handwerkliche Mängel
am Gesetzentwurf vor.
Neben dem Streit um die Sache geht es in der Debatte auch um
parteipolitische Profilierung: Viele Grüne hoffen, dass ihrer Partei durch
einen Erfolg bei der Kindergrundsicherung mehr sozialpolitische Kompetenz
zugeschrieben würde. Die SPD dagegen fürchtet die Konkurrenz der Ökopartei
bei ihrem Kernthema – und die FDP möchte in den kommenden Wahlkämpfen nicht
mit einem Ausbau des Sozialstaats verbunden werden.
2 Apr 2024
## LINKS
[1] https://table.media/berlin/news/fdp-unterstuetzt-die-kritik-von-lars-klingb…
[2] /Antworten-zur-Kindergrundsicherung/!5981082
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
Ampel-Koalition
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Familienministerin
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