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# taz.de -- Frauenärzt:innen streiten um Abtreibung: „Serienstraftäter“ w…
> Der Berufsverband der Frauenärzte hat sich gegen eine Legalisierung von
> Abtreibungen ausgesprochen. 23 Bremer Ärzt:innen üben daran scharfe
> Kritik.
Bild: Frauen bei einem Aktionstag mit Motto Jetzt erst recht! gegen den Paragra…
Bremen taz | Wie können Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des
Strafgesetzes reguliert werden? Mit dieser Frage hat sich [1][eine von der
Bundesregierung einberufene Kommission] ein Jahr lang beschäftigt, am 15.
April soll das Ergebnis vorgestellt werden. Jetzt erhebt eine Gruppe Bremer
Gynäkolog:innen einen schweren Vorwurf gegen den eigenen
Berufsverband: Dieser habe verhindern wollen, dass die Kommission auch die
Perspektive derjenigen berücksichtigen kann, die neben den Schwangeren am
stärksten vom restriktiven deutschen Abtreibungsrecht betroffen sind:
Ärzt:innen wie sie, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen.
Die Bremer:innen beziehen sich dabei auf eine Stellungnahme, die der
Berufsverband der Frauenärzte im Oktober auf deren Anforderung an die
Kommission übermittelt hat – eins von [2][39 Positionspapieren
verschiedener Verbände], Vereine, Religionsgemeinschaften und Institutionen
zum Thema Abtreibung. Anhand dieser Stellungnahmen haben sich die
Wissenschaftler:innen in der Kommission ihre Meinung gebildet.
Die Bremer Gynäkolog:innen kritisieren die Stellungnahme des
Berufsverbands der Frauenärzte als einseitig. Tatsächlich spricht sich der
Verband in seinem achtseitigen Schreiben klar gegen eine Legalisierung
aus. Er begründet seine Position damit, der Paragraf 218 schütze die
Interessen der Kolleg:innen, die sich nicht an Schwangerschaftsabbrüchen
beteiligen wollen. Das ist sachlich falsch, denn es gibt andere rechtliche
und lebenspraktische Möglichkeiten, die erzwungene Teilnahme an einer
Abtreibung auszuschließen.
Ein weiteres Argument, das der Verband anführt, ist noch steiler: Sollte
der Schwangerschaftsabbruch nicht mehr als Straftat gelten, wären weniger
Ärzt:innen als jetzt bereit, Abtreibungen durchzuführen. Das würde die
Versorgung gefährden. Denn diese sei, anders als es „im öffentlichen
Diskurs“ dargestellt werde, gut. Engpässe kann der Berufsverband keine
erkennen.
## „Serienstraftäter“ wegen Paragraf 218
Wer das Thema verfolgt hat, reibt sich an dieser Stelle die Augen. Richtig
ist: Erst am 10. April werden erstmals gesicherte empirische Daten zur
Versorgungssituation veröffentlicht, wenn die Ergebnisse der sogenannten
Elsa-Studie vorgestellt werden. Aber bereits jetzt ist durch zahlreiche
Recherchen von Journalist:innen – [3][zuerst 2017 in der taz] – bekannt
geworden, dass es Regionen gibt, in denen Schwangere 150 Kilometer und mehr
für eine Abtreibung fahren müssen.
Auch in vielen Großstädten gibt es mittlerweile immer weniger Ärzt:innen
und Kliniken, bei denen das möglich ist. Schwangere müssen entweder warten
oder längere Wege auf sich nehmen. Im vergangenen Jahr hatte das Magazin
der Beratungsorganisation Pro Familia vorab aus der Elsa-Studie berichtet:
Danach hatte jede zweite befragte Frau über „Schwierigkeiten beim Zugang
zum Schwangerschaftsabbruch“ berichtet.
Die 23 Mediziner:innen aus Bremen und dessen Umland haben dem
Vorsitzenden des Berufsverbands schon im November in einem Brief
vorgeworfen, der Verband missachte mit der Stellungnahme ihre Belange. „Wir
fühlen uns in keiner Weise repräsentiert“, heißt es darin. Denn sie lehnten
die bestehende Gesetzeslage ab, weil sie Frauen bevormunde und ihnen
Schuldgefühle auflade. Zudem mache der Paragraf 218 aus ihnen
„Serienstraftäter“.
Der Hintergrund: Schwangerschaftsabbrüche gelten in Deutschland als
Straftat, die straffrei bleibt, wenn die Schwangere sich hat beraten
lassen, eine dreitägige Bedenkfrist eingehalten hat und nicht mehr als
zwölf Wochen nach der Empfängnis vergangen sind.
Die Bremer Mediziner:innen haben den Bundesverband auch dazu
aufgefordert, eine alternative Stellungnahme von Gynäkolog:innen im
Verbandsmagazin Der Frauenarzt abzudrucken. Diese hatten sie gemeinsam mit
rund 70 weiteren Ärzt:innen aus ganz Deutschland verfasst, darunter
Kristina Hänel aus Gießen, die erfolgreich gegen das Informationsverbot zu
Abtreibungen gekämpft hatte. Ein kleiner Teil der Unterzeichnenden nimmt
keine Schwangerschaftsabbrüche vor. Die gemeinsame Stellungnahme, die sie
auch an die Kommission geschickt haben, fordert die Streichung des
Paragrafen 218. Er stigmatisiere eine medizinische Leistung als Straftat
und schrecke Mediziner:innen ab, sie anzubieten.
Der Bundesverband lehnte jedoch den Abdruck im Verbandsmagazin ab und kann
den Vorwurf der Einseitigkeit nicht nachvollziehen. Die nicht namentlich
gekennzeichnete Stellungnahme sei im Vorstand abgestimmt worden, heißt es
in einer Mail. Die taz hat alle sechs Vorstandsmitglieder schriftlich
gefragt, ob sie selbst Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Niemand hat
die Frage beantwortet.
Es gibt in Deutschland rund 19.000 praktizierende Gynäkolog:innen. Wie
viele von ihnen medikamentös oder chirurgisch Schwangerschaften abbrechen,
ist unbekannt. Laut Statistischem Bundesamt gab es zuletzt 1.200 Stellen,
die Schwangerschaftsabbrüche melden. Dort können auch mehrere Ärzt:innen
beschäftigt sein.
28 Mar 2024
## LINKS
[1] /Diskussion-um-Schwangerschaftsabbrueche/!5925179
[2] https://event.ptj.de/kom-rsf-ag1
[3] /Abtreibung-in-Deutschland/!5386152
## AUTOREN
Eiken Bruhn
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