# taz.de -- Neues Album von Kle.ze: German Gothic | |
> Seit 2017 fällt Kle.ze mit einer eigenwilligen Interpretation von Gestus | |
> und Habitus der Gothic-Band The Cure auf. Das trifft auch auf „Erregung“ | |
> zu. | |
Bild: Sänger und Gitarrist Tobias Siebert mit Robert-Smith-Gedenkfrisur inmitt… | |
Konzept und Schaffen der Band Klez.e sind sehr interessant schon insofern, | |
weil ihre Musik sich auf latent bizarre Weise eigensinnig anfühlt. Das | |
Befremdliche rührt daher, dass das Originelle bei Klez.e das Plagiat ist. | |
2002 gegründet, spielte die Berliner Band um Sänger und Gitarrist Tobias | |
Siebert auf ihren ersten drei Alben einen mit Elektronischem versetzten | |
Indiepop, der nicht langweilig, aber auch nicht sonderlich denkwürdig war. | |
Ab 2017 wurde alles anders: Klez.e veröffentlichten „Desintegration“, das | |
nicht nur, was den Albumtitel anging, [1][an die britische Gothicpopband | |
The Cure erinnerte]. Siebert baut sozusagen den Habitus von The Cures 1989 | |
erschienenem „Disintegration“-Album in behutsam entstellender Weise nach. | |
Nicht etwa, indem hier direkt gecovert wurde, eher im Gestus. Und vor allem | |
in den Tonalitäten von Stimme und Bass. Das latent Vernebelte, das auch das | |
Cure-Album „Faith“ an sich hatte, war gleichfalls präsent. Nicht zuletzt | |
[2][die Robert-Smith-Gedenkfrisur] Sieberts ist ein starkes Zeichen. | |
Klez.e haben einen im England der mittleren Achtziger entstandenen | |
Soundkosmos ins Deutschland des Jahres 2024 transferiert und daraus etwas | |
im ansonsten ja flächendeckend eher austauschbaren hiesigen Indiepop-Zirkus | |
Eigenständiges, Unverwechselbares entwickelt. Glaubwürdig im Sinne einer | |
unverwechselbaren Stimme war hier paradoxerweise der Gesang, der klingt, | |
als wolle er so sein wie der Gesang eines anderen, von The-Cure-Sänger | |
Robert Smith nämlich. | |
Auf „Desintegration“ folgte das monumentale Live-Doppelalbum „November“. | |
Für das neue Werk „Erregung“ haben Klez.e sich sieben Jahre Zeit gelassen. | |
Der Sound ist lichter als auf „Desintegration“, es gibt sozusagen mehr | |
Platz zwischen den einzelnen Tönen und damit mehr Transparenz. Aber die | |
Sonne scheint hier nach wie vor nirgends, dafür sorgt gleich der | |
siebenminütige Titelsong, der triste, angstbesetzte Schulhoferinnerungen | |
mit einem ganz großen Weltverzweiflungspanorama verbindet. „Das Schubsen | |
war nicht nur eine Phase/Es war eine ganz klare Haltung/Gegenüber der | |
Liebe/Und Einsamkeit“. | |
Die ganze eklige Welt | |
Vom Schuluniversum, durch die totale Abwesenheit von Zärtlichkeit oder | |
Freundlichkeit gekennzeichnet, springt der Text ins Große und Ganze: „Und | |
ich spüre die Hitze der ganzen ekligen Welt / wie Hautfetzen, die kleben | |
auf Asphalt, verzweifelt“. | |
Songtexte von Kle.ze lesen sich erneut so, als würde Depressivität hier als | |
Erkenntnismodus fungieren. Aber nicht vollends depressiv, sondern noch | |
sprechfähig, kurz vorm Abrutschen in die Traurigkeit. Eine letztes | |
Aufbäumen, bevor es mit Karacho in den Keller geht. Und in diesem | |
Selbstrettungsversuch findet das lyrische Subjekt noch einmal seine | |
Sprache, um das, was es erleben musste, zu besingen und zu einem irgendwie | |
allumfassenden, ewig währenden Krisenszenario zu verdichten. | |
Dass hier Autobiografisches und Artifizielles zusammengehen und das eine | |
ohne das andere nicht zu haben ist, wird auch mitgedacht: „Und letztendlich | |
ist das hier ja ein Kommentar unter einem Bild/Und jetzt fallen Tausende | |
Kommentare unter eben diesem Bild“. | |
Alles, was auf dem Album nach „Erregung“, also dem Titelstück, kommt, | |
entfaltet nicht mehr eine derartige Intensität. Tolle Songs allesamt, aber | |
die Eröffnung ist in ihrem gepresst-überschießenden Gestus schon etwas sehr | |
Besonderes. German Gothic, Nebel der Enttäuschung, Depression als | |
Realismus. Die Welt durch die milchig-graue Brille betrachtet, aber mit | |
messerscharfem Blick. | |
21 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Benjamin Moldenhauer | |
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