Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Cannabis-Legalisierung: Es ist eingetütet
> Das Cannabisgesetz hat nun auch die Länderkammer passiert. Damit ist der
> Weg frei für eine Alternative zur gescheiterten Verbotspolitik.
Bild: Ab April darf legal gekifft werden
Selten erhielt eine Sitzung des Bundesrats so große Aufmerksamkeit. Schon
eine halbe Stunde vorher, am Freitagvormittag, war die Website
zusammengebrochen. Bei Youtube konnte man die Sitzung live verfolgen,
Tausende fluteten die Kommentarspalte mit grünen Herzen und
Brokkoli-Emojis.
[1][Nachdem der Bundestag im Februar das Gesetz zur Freigabe von Cannabis
verabschiedet hatte, war die Zuversicht groß, dass ab 1. April straffrei
gekifft werden könne.] Dem Cannabis Social Club Chemnitz sei seitdem „die
Bude eingerannt“ worden, sagt der Vorsitzende Martin Sinang. Doch dann
drohte es nochmal knapp zu werden. [2][Die Club-Mitglieder und viele andere
blickten deshalb am Freitag gespannt auf die Abstimmung im Bundesrat.]
[3][Bevor das Cannabisgesetz gültig wird, musste es nämlich den Bundesrat
passieren.] Da es sich nicht um ein Zustimmungsgesetz im Sinne des
Grundgesetzes handelt, mussten die Länder dem Gesetz zwar nicht aktiv
zustimmen. Allerdings konnten sie Einspruch erheben und einen Konsens im
Vermittlungsausschuss (VA) mit dem Bund verhandeln. Dafür brauchen die
Länder eine absolute Mehrheit.
Wie es ausgeht, war völlig offen. [4][Nicht nur die Union, die von Beginn
an das Gesetz ablehnte, äußerte vorab Kritik.] Das Gesetz sei in der
Umsetzung problematisch, darin stimmten in Teilen auch prominente Grünen-
und SPD-Landespolitiker*innen zu.
Der Legalisierung von Drogen werde er auf keinen Fall zustimmen, erklärte
Sachsens Regierungschef Kretschmer in der Debatte. Mit dem Gesetz würde die
„Büchse der Pandora“ geöffnet. Er kündigte am Sonntag zuvor auf X an: �…
Ziel ist es, dass das Gesetz nie wieder aus dem VA herauskommt.“ Seine
Aussagen erschütterten in Teilen das Vertrauen, dass der Ausschuss
verfassungstreu wirklich an einer Verbesserung des Gesetzes arbeiten würde.
## Bekämpfung des Schwarzmarkts im Vordergrund
In der Debatte ging es auch um die konkreten Sorgen der Länder, vor allem
um die Belastung der Justiz. Im Bundesrat haben sowohl der federführende
Gesundheitsausschuss als auch der Innen- und Rechtsausschuss für die
Anrufung des VA gestimmt. Der Gesundheitsausschuss der Länder hielt die
Mengenbegrenzung für zu hoch, der Innenausschuss sorgte sich vor
„Cannabisplantagen“ und wollte den Konsum im öffentlichen Raum noch weiter
einschränken.
Größter Kritikpunkt waren die Sorgen der Justiz. Das Gesetz sei ein
„[5][Bürokratiemonster]“, hieß es die Wochen zuvor, und würde Justiz und
Polizei immens belasten. Vor allem die rückwirkende Amnestieregelung sei
eine „enorme Herausforderung“ für eine Justiz, die ohnehin schon an ihrer
Belastungsgrenze arbeite, sagte der grüne Justizminister aus NRW, Benjamin
Limbach. Die Amnestie sei grundsätzlich richtig, aber es hätte etwa eine
Übergangszeit gebraucht.
Lauterbach verteidigte das Gesetz und stellte die Bekämpfung des
Schwarzmarktes in den Vordergrund. Er habe versucht, viele der Kritikpunkte
der Länder in seiner Protokollerklärung umzusetzen. Man werde nach Start
die Freigabemengen und Mindestabstände evaluieren, der Kinder- und
Jugendschutz solle ausgebaut und Maßnahmen ergriffen werden, um
Großanbauflächen zu verhindern.
Letztlich blieb die Sorge der Befürworter des Gesetzes unbegründet. Nur
wenige Länder stimmen für einen VA, darunter Bayern und das SPD-geführte
Saarland. Die Mehrheit enthielt sich. Ungewöhnlich war Sachsens
Stimmabgabe. CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer stimmte entgegen
seinen Koalitionspartnern für den Ausschuss. SPD und Grünen stimmten für
die Enthaltung des Freistaats. Daher wurden die sächsischen Stimmen für
ungültig erklärt. Die Länder müssen eigentlich geschlossen abstimmen.
[6][Mit dem Cannabisgesetz steht nun erstmals ein alternativer Weg offen
zur bisherigen, gescheiterten Verbotspolitik.] Die Teillegalisierung
erfolgt in zwei Schritten. [7][Ab dem 1. April wird der Eigenanbau und
begrenzt der Konsum im öffentlichen Raum legalisiert.] Zudem soll eine
Amnestie auch rückwirkend für laufende Fälle gelten. Im zweiten Schritt
werden im Juni dann nichtkommerzielle Anbauvereinigungen, die Cannabis an
ihre Mitglieder verkaufen dürfen, erlaubt.
Karl Lauterbach wird online von einigen gefeiert, ein „Ehrenmann“. Und auch
Martin Sinang aus dem Anbauverein Chemnitz kann optimistisch in die Zukunft
schauen. Der Verein steht längst in den Startlöchern: Produktionshalle,
Büroflächen, die Lieferanten für Beleuchtung, Lüftung und Pflanzen – all
das sei geregelt. Wenn alles nach Zeitplan geht, kann der Verein wohl ab
September erstmals Cannabis ausgeben.
22 Mar 2024
## LINKS
[1] /Abstimmung-ueber-Cannabis-Gesetz/!5994136
[2] /Streit-um-Teillegalisierung/!5996097
[3] /Streit-um-Legalisierung/!5995986
[4] /Cannabis-Plaene-der-Bundesregierung/!5996678
[5] /Streit-um-Legalisierung/!5995986
[6] /Teil-Legalisierung-von-Cannabis/!5999796
[7] /Cannabis-Gesetz-eingetuetet/!5997373
## AUTOREN
Adefunmi Olanigan
## TAGS
Cannabis
Drogenpolitik
Karl Lauterbach
Ampel-Koalition
wochentaz
Cannabis
Cannabis
Cannabis
Kolumne Die Woche
Cannabis
Bremen
Drogenpolitik
Drogenpolitik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Freistaat auf Verbotsdroge: Söder vs. Cannabis
Bei seinem Kreuzzug gegen das Kiffen kennt Markus Söder keine Grenzen.
Lässt sich Bayern diese Wiederkehr des preußischen Obrigkeitsstaats
gefallen?
Neue Cannabis-Grenzwerte im Verkehr: Nicht zu bekifft ans Steuer
Ein Expertengremium hat einen neuen, höheren THC-Grenzwert für Autofahrer
vorgeschlagen. Die Polizeigewerkschaft fordert Kontrollinstrumente.
Cannabisanbau leicht gemacht: Augen auf bei der Samenwahl
Pünktlich zum Beginn der Gartensaison wird Cannabis teillegalisiert. Der
Anbau ist kein Hexenwerk. Einige Dinge sollten Pflanzenfreunde aber
beachten.
Vom Gender- zum Pornoverbot: Wahlen, Worte, Wichsfantasien
Die Woche hatte viel zu bieten: Genderverbot in Bayern, die Wahlparodien
eines Diktators und dann noch etwas Hufeisentheorie, wenns um Pornos geht.
Teillegalisierung von Cannabis: Union hofft auf Steinmeier
Der Bundespräsident soll das neue Cannabisgesetz aufhalten, fordert der
CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge. Lauterbach und Ramelow halten dagegen.
Sozialarbeiter:innen über Drogenpolitik: „Vertreibung schafft Konflikte“
Bremer Sozialarbeiter:innen fordern definierte Orte für
Drogenabhängige statt Vertreibung. Polizeipräsenz sehen sie kritisch.
Synthetische Opioide in Deutschland: Aidshilfe weist Fentanyl nach
Ein Projekt der Deutschen Aidshilfe fordert Vorsorge, denn: Es konnte
synthetische Opioide in Heroin nachweisen. Drei Städte sind besonders
betroffen.
Drugchecking Pilot-Projekt: Mysteriöse Bestrafer
Seit Juni können Konsument:innen kostenlos ihre Drogen testen lassen.
Die Warnhinweise verraten einiges über die Drogenqualität in Berlin.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.