# taz.de -- Sozialarbeiter:innen über Drogenpolitik: „Vertreibung schafft Ko… | |
> Bremer Sozialarbeiter:innen fordern definierte Orte für | |
> Drogenabhängige statt Vertreibung. Polizeipräsenz sehen sie kritisch. | |
Bild: Spritze eines Drogenabhängigen in einem Drogen-Konsumraum in Frankfurt | |
taz: Paulina und Sönke, teilt ihr bei der Initiative „Fix it“ Luka Lenzins | |
Diagnose, dass die Prohibition von Drogen gescheitert ist? | |
Paulina: Wenn das Ziel der Prohibition ist, Repression zu ermöglichen, ist | |
sie erfolgreich. Wenn das Ziel aber ist, Konsum zu minimieren oder | |
Sicherheit zu schaffen, ist sie gescheitert. Mit [1][Repression] auf außer | |
Kontrolle geratenen Konsum zu reagieren, um ihn zu reduzieren, ergibt | |
keinen Sinn. | |
Wie ist die aktuelle Situation bei der Fläche an der | |
Friedrich-Rauers-Straße, wo Bremen Konsum toleriert? | |
Sönke: Sehr prekär. In die Container sind mittlerweile Personen aus der | |
Szene eingezogen. Das Gesundheits- und das Sozialressort waren davon sehr | |
überrascht. Dabei ist das nur ein Indiz dafür, dass es viel zu wenig | |
Notschlafstellen und zu wenig Wohnraum gibt. Jenseits davon ist das Setting | |
dort zwischen Bahngleisen, der Hochstraße und leer stehenden Häusern sehr | |
stigmatisierend. | |
Paulina: Die Personen, die in den Containern ihren Lebensmittelunkt haben, | |
sind von vielen Ausschlussmechanismen betroffen – weil sie ohne Zuhause | |
sind, unter Migrationsgesetzen leiden oder keine Ansprüche auf Hilfe haben. | |
Es stimmt zwar, dass Hilfeangebote fehlen, aber viele Personen sind sogar | |
von der Nutzung der wenigen Angebote ausgeschlossen. | |
Hilft die Forderung nach mehr sozialen Hilfen und weniger Repression bei | |
der Ursachenbekämpfung? | |
Paulina: Es ist kurzfristig sicherlich richtig, vom Staat zu fordern, die | |
Situation nicht zu verschlimmern. Langfristig ist aber die Frage, warum | |
bestimmte Gruppen überhaupt in diese Situation geraten. Das hängt mit | |
weitreichenden Strukturen unserer Gesellschaft zusammen. Da geht es um | |
Armut, Arbeitsverhältnisse, Wohnungsnot, geschlechtsbezogene Gewalt, | |
rassistische Migrationsgesetze oder unser Strafsystem. Bei diesen | |
grundlegenden Strukturen kann auch Soziale Arbeit nur ein Teil der Antwort | |
sein. | |
Die Bremer Politik begründet ihre [2][Vertreibungspraxis] auch mit einem | |
Unsicherheitsgefühl der Bevölkerung. Welche Alternativen seht ihr, um | |
dieses Gefühl zu verbessern? | |
Sönke: Durch die [3][Polizeipräsenz] wird ein Bild erzeugt, das der Szene | |
viel Negatives zuschreibt. Aber wie viele Leute haben denn tatsächlich | |
negative Erfahrungen gemacht? Politiker können mit Forderungen nach mehr | |
Sicherheit schnell eine feindliche Stimmung erzeugen, weil die Leute aus | |
der Szene so gut wie gar nicht gehört werden. | |
Paulina: Die Orte um den Bahnhof haben viele Eigenschaften, die | |
Unsicherheitsgefühle bestärken – unabhängig von der offenen Drogenszene. | |
Beim neuen City Gate ist nach Feierabend tote Hose, stattdessen hätte man | |
dort auch eine offene Bühne mit Licht und kulturellen Angeboten hinsetzen | |
können. Andere Städte schaffen es auch, dass es etwa in Parks Bereiche für | |
Kids, Bereiche für konsumierende Leute und Bereiche für Sportler:innen | |
gibt. Durch die ständige Vertreibung schaffen wir stattdessen | |
Unberechenbarkeit, und das führt zu Konflikten. Wenn wir Orte hätten, von | |
denen wir wissen, für welchen Zweck sie sind, wäre das Konfliktpotenzial | |
schon minimiert. Polizei ist nicht die einzige Antwort auf | |
Unsicherheitsgefühle. | |
15 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Staatliche-Drogenpolitik/!5945335 | |
[2] /Drogen--und-Alkoholverbot-in-Bremen/!5955573 | |
[3] /Drogenpolitik-in-Bremen/!5910941 | |
## AUTOREN | |
Tom Gath | |
## TAGS | |
Bremen | |
Drogenpolitik | |
Vertreibung | |
Drogenkonsum | |
Polizei | |
Cannabis | |
Drogen | |
Kiel | |
Drogen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Cannabis-Legalisierung: Es ist eingetütet | |
Das Cannabisgesetz hat nun auch die Länderkammer passiert. Damit ist der | |
Weg frei für eine Alternative zur gescheiterten Verbotspolitik. | |
Verdrängung bringt nichts: Die Bedürfnisse der Schwächsten | |
In Bremen fordern Anwohner*innen, Drogengebrauchende aus der Anlage eines | |
Urban-Gardening-Projekts zu entfernen. Doch Verdrängung ist keine Lösung. | |
Kiels erster Drogenkonsumraum: „Crack verändert alles“ | |
Kiel soll dieses Jahr einen Drogenkonsumraum bekommen, den ersten in | |
Schleswig-Holstein. Das allein wird die Probleme der Betroffenen aber nicht | |
lösen. | |
Drogen- und Alkoholverbot in Bremen: Saufen nur im Laufen | |
Rund um den Hauptbahnhof dürfen keine Drogen und kein Alkohol konsumiert | |
werden, beschließt die Bürgerschaft. Nur wer zügig geht, darf Alkohol | |
mitführen. |