# taz.de -- Drogenpolitik in Bremen: Hilfe und Härte | |
> Am Bremer Hauptbahnhof grassieren Drogenhandel und -konsum. Die Politik | |
> versucht, mit einem Drogenkonsumraum und härteren Kontrollen | |
> gegenzusteuern. | |
Bild: Hartes Vorgehen als ein Mittel der Wahl: Polizeikontrolle am Bremer Haupt… | |
BREMEN taz | Gegenläufige Tendenzen in der eigenen Politik versucht der | |
Bremer Senat gerade unter einen Hut zu bringen. Beim Streitthema | |
Hauptbahnhof und den dortigen Umgang mit Drogenhandel und Suchterkrankten | |
setzt die Stadt einerseits auf die Errichtung neuer Aufenthaltsorte mit | |
Möglichkeiten für sicheren Konsum. Anderseits ist da die harte Hand des | |
Innensenators Ulrich Mäurer (SPD), der Abhängigkeit mit vermehrten | |
Kontrollen und Verweisen durch die Polizei begegnet. In einer Anhörung der | |
Deputationen für Gesundheit und Verbraucherschutz, Soziales und Integration | |
sowie Inneres wurde vergangenen Donnerstag über das Zusammengehen von | |
Akzeptanz und Vertreibung diskutiert. | |
Seit September 2020 gibt es in der bahnhofsnahen Friedrich-Rauers-Straße | |
[1][einen temporären Drogenkonsumraum]. Obwohl ein Ausbau der | |
Räumlichkeiten erst für Herbst dieses Jahres vorgesehen war, soll der Ort | |
nun besonders im Hinblick auf die Zunahme des Crack-Konsums um | |
„kurzfristige Hilfsmaßnahmen“ ergänzt werden, so heißt es in der | |
Pressemitteilung des Senats. Zu Wort kam bei der Anhörung neben Bremer | |
Hilfsorganisationen und einem Suchtforscher auch ein Vertreter der Polizei. | |
Betreiberin des Konsumraumes ist die gemeinnützige Comeback GmbH. „Wir | |
betreuen diejenigen, die komplett aus dem System rausfallen“, sagte | |
Leiterin Heidi Mergner. Neben dem sicheren Konsum sei wichtig, | |
Suchterkrankten einen Ruheort zu bieten. Oftmals seien sie stundenlang auf | |
den Beinen. | |
Am besten sei es, auch Tagesaufenthalte zu ermöglichen, so der aus Bremen | |
stammende Suchtforscher Heino Stöver vom Institut für Suchtforschung in | |
Frankfurt am Main. | |
Zur Entspannung der Situation für Suchterkrankte und einer Entlastung des | |
öffentlichen Raumes habe sich in der Schweiz eine Duldung von Kleinsthandel | |
an Aufenthaltsorten bewiesen, so Stöver – vor allem bei Crack, wo der | |
Suchtdruck groß sei. | |
## Duldung unvorstellbar | |
Denn wer Crack raucht, befindet sich innerhalb von Sekunden in einem | |
Rauschzustand, allerdings für gerade einmal fünf bis fünfzehn Minuten. Die | |
Kürze des Rausches sorgt dafür, dass schnell Nachschub beschafft werden | |
muss – und den gibt es eben da, wo Drogen verkauft werden: Am Bremer | |
Hauptbahnhof etwa. | |
Eine Duldung von Drogenhandel jedweder Art ist für die Bremer Polizei aber | |
unvorstellbar. Sie müsse eingreifen – „auch wenn das Grämmchen noch so | |
klein ist“, erklärte Christian Modder, Koordinator des Sicherheitsprogramms | |
Hauptbahnhof der Bremer Polizei, bei der Anhörung. | |
Zuletzt erfuhr die Bremer Polizei Aufmerksamkeit durch [2][Großkontrollen | |
und Sondereinsätze], bei denen im Sommer sogar eine Fußgängerbrücke am | |
Bahnhof gesperrt wurde. In Einklang mit Forderungen des | |
AfD-Bürgerschaftsabgeordneten Thomas Jürgewitz kündigte Mäurer Ende 2022 | |
[3][ein noch härteres Vorgehen gegen Dealer an]: Abschiebungen. Die Razzien | |
hätten gezeigt, dass viele Dealer aus Guinea stammten und kein | |
Aufenthaltsrecht besäßen. | |
Beatrix Meyer, Leiterin der Ambulanten Suchthilfe Bremen (ASH) kritisierte | |
hingegen die Präsenz der Polizei, besonders weil es so zu einer schnellen | |
Kriminalisierung Drogenkonsumierender komme. Dazu kommt, dass Menschen mit | |
Fluchterfahrung ohnehin kein gutes Verhältnis zur Polizei haben und | |
chronisch verängstigt seien. „Klient*innen wollen von der Polizei einfach | |
in Ruhe gelassen werden“, sagte Mustafa Mashadi, Streetworker bei der ASH. | |
Das sei auch ein Grund, warum Betroffene den Konsumraum willkommen heißen. | |
## Sitzangebote für Tagesaufenthalte | |
Ungefragt wies Modder Vorwürfe des [4][Racial Profilings] von der Bremer | |
Polizei zurück. „Wir achten nicht auf das Aussehen der Menschen, sondern | |
auf das Verhalten“, sagte Modder. Hinzu: Niemand werde vertrieben und | |
Platzverweise nur dann ausgesprochen, wenn sich nicht gesetzeskonform | |
verhalten werde. | |
Die kurzfristigen Maßnahmen zum Ausbau des Konsumraumes werden zeitnah | |
abgeschlossen, verspricht der Senat nun. Der Umbau orientiere sich an | |
fachlicher Expertise der Hilfsorganisationen und umfasse Sitzangebote für | |
Tagesaufenthalte, einen Ruhebereich, eine Vergabestelle von Materialien zum | |
sauberen Drogenkonsum und einen Beratungsbereich. | |
Stöver betonte, wie wichtig es sei, dass bestehende Angebote | |
zusammenarbeiten. Idealerweise mit einer Organisationseinheit, in der „alle | |
Fäden zusammenlaufen“. Das klang, als bräuchte es dafür zunächst einen | |
Richtungswechsel bei der Polizei. | |
8 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.senatspressestelle.bremen.de/pressemitteilungen/gesundheits-und… | |
[2] /Vertreibungsaktion-am-Bremer-Bahnhof/!5859597 | |
[3] /Polizei-am-Bremer-Hauptbahnhof/!5893792 | |
[4] /Personenkontrollen-der-Bremer-Polizei/!5908353 | |
## AUTOREN | |
Ann-Christin Dieker | |
## TAGS | |
Bremen | |
Drogen | |
Drogenkonsum | |
Drogenpolitik | |
Hauptbahnhof | |
Drogen | |
Bremen | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Hannover | |
Sucht | |
Drogenkonsum | |
Polizei Bremen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Drogen- und Alkoholverbot in Bremen: Saufen nur im Laufen | |
Rund um den Hauptbahnhof dürfen keine Drogen und kein Alkohol konsumiert | |
werden, beschließt die Bürgerschaft. Nur wer zügig geht, darf Alkohol | |
mitführen. | |
Staatliche Drogenpolitik: Gegen die Verdrängung | |
Zu viel Repression, zu wenig Hilfe: Bremer Sozialarbeiter*innen | |
kritisieren am Gedenktag für Drogengebrauchende den staatlichen Kurs. | |
Oberlandesgericht Bremen stoppt Schikane: Amtliche Kindeswohlgefährdung | |
Schwarze Kinder bekommen in Bremen jetzt Geburtsurkunden. Das Standesamt | |
hatte sie ihnen grundlos verweigert. Damit ist nun Schluss. | |
Drogen und Obdachlosigkeit in Hannover: Beachfeeling in der Problemzone | |
Hannover versucht das Elend auf den Plätzen hinterm Hauptbahnhof in den | |
Griff zu kriegen – aber das ist zäh. Hängen bleiben am Ende eher die | |
Events. | |
Suchthilfe und Psychiatrie in Bremen: Das Geld reicht nicht für alle | |
Im Bremer Suchthilfesystem soll dank neuer Leitlinien die Versorgung von | |
Menschen aller Geschlechter verbessert werden. Zur Umsetzung fehlt das | |
Geld. | |
Polizei am Bremer Hauptbahnhof: Schieben und abschieben | |
Bremens Innensenator räumt ein, dass seine Vertreibungspolitik gegen die | |
Drogenszene am Bahnhof erfolglos ist. Dennoch setzt er auf mehr vom | |
Gleichen. | |
Vertreibungsaktion am Bremer Bahnhof: Großaufgebot gegen Drogenabhängige | |
Die Polizei geht mit einer Hundertschaft gegen die Trinker- und Drogenszene | |
am Bremer Bahnhof vor. Unklar ist, wohin die Leute sonst bleiben sollen. |