# taz.de -- Suchthilfe und Psychiatrie in Bremen: Das Geld reicht nicht für al… | |
> Im Bremer Suchthilfesystem soll dank neuer Leitlinien die Versorgung von | |
> Menschen aller Geschlechter verbessert werden. Zur Umsetzung fehlt das | |
> Geld. | |
Bild: Wer nicht binären Geschlechtervorstellungen entspricht, wird auch im Ges… | |
BREMEN taz | Sie sollen Einrichtungen des psychiatrischen und | |
Suchthilfesystems in Bremen helfen, die Bedürfnisse von [1][trans*-, inter- | |
und nicht-binären Menschen] zu berücksichtigen: die neuen, vom Projekt | |
„Doing Gender“ erarbeiteten Leitlinien. Doch kaum sind sie gedruckt, steht | |
das Projekt auf der Kippe. Denn den Antrag auf weitere Mittel, die zur | |
Umsetzung dieser Leitlinien verwendet werden sollen, hat die Bremer | |
Gesundheitsbehörde vor gut einer Woche abgelehnt. | |
Die Gender-Leitlinien wurden am Freitag bei einer Fachtagung in Bremen mit | |
rund 50 Menschen vorgestellt. Auf dem Tisch stapeln sich nicht nur die | |
Broschüren; direkt daneben liegen Zettel für eine Petition zur Fortführung | |
des Projekts. | |
Mit den Leitlinien will das Projektteam die [2][Versorgung in Suchthilfe]- | |
und psychiatrischen Einrichtungen verbessern – „für alle Geschlechter“, … | |
Doing Gender-Mitarbeiterin Anna K. betont. Seit 2020 hat das Projekt vom | |
Land Fördermittel erhalten. Nun, da die Leitlinien fertig sind und es um | |
die Umsetzung in den Trägern geht, läuft die Projektförderung allerdings | |
aus. | |
Die Bremer Gesundheitsbehörde habe „sehr viele Anträge erhalten, die das | |
zur Verfügung stehende Budget bei Weitem überschreiten“, begründet eine | |
Sprecherin der Behörde die Entscheidung. Auf Empfehlung eines | |
Expert*innengremiums würden vorrangig Projekte gefördert, welche neue | |
Versorgungsangebote schafften. Da „Doing Gender“ Beratungen anbiete, falle | |
es nicht darunter. Außerdem stehe es in der Verantwortung der Träger, die | |
Leitlinien umzusetzen. Diese Umsetzung wolle die Gesundheitsbehörde | |
„begleiten und kontrollieren“. | |
## Entscheidung der Behörde kritisiert | |
Die Gender-Leitlinien umfassen 14 Punkte, an denen sich therapeutische | |
Einrichtungen orientieren können. Das Team von Doing Gender empfiehlt unter | |
anderem, Ansprechpersonen bei Diskriminierungen zu ernennen. Diese sollen | |
Betroffene, wenn gewünscht, unterstützen. Ein weiterer Punkt sieht vor, | |
dass Einrichtungen offenlegen, über welche inklusiven Strukturen sie | |
verfügen – etwa, ob es ein Gewaltschutzkonzept gibt. | |
Bei der Tagung kritisieren Teilnehmende die Entscheidung der Behörde. „Es | |
ist wichtig, dass das Projekt weitergeht und die Träger nicht allein | |
gelassen werden“, sagt Sybille Schwarz von der „Gesellschaft für seelische | |
Gesundheit“ des Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). Sie befürchtet, dass die | |
Umsetzung ohne professionelle Begleitung „im Sande verläuft“. | |
Lucie Veit, Projektkoordinator*in des [3][Vereins | |
„Intergeschlechtliche Menschen“] sagt: „Es kann im Sinne nachhaltiger | |
Arbeit nicht gewollt sein, dass dieser Leitfaden ausgearbeitet, aber nicht | |
umgesetzt wird.“ Das sei „Ressourcenverschwendung“. | |
In ihrem Vortrag ging Veit auf Ausschluss und Diskriminierung von | |
intergeschlechtlich geborenen Menschen im deutschen Gesundheitssystem ein. | |
Diese seien von verschiedenen Stressfaktoren betroffen, darunter binäre | |
Geschlechtererwartungen, Unwissen, körperliche Gewalt. | |
„Gesundheitsversorgung ist für alle da – nicht nur für Männer und Frauen… | |
sagt Veit. Bremen könne diesbezüglich Vorbild sein – wenn denn gewünscht. | |
## Ein Fünftel erlebte Gewalt | |
Zur Erstellung der Leitlinien hat das Team von Doing Gender Nutzer*innen | |
befragt. Also zum Beispiel Menschen, die Psychiatrieerfahrung haben, die | |
sich aufgrund ihres Drogenkonsums beraten lassen, Therapieangebote in | |
Anspruch nehmen. Sie wurden auch [4][nach Gewalterfahrungen] im | |
psychiatrischen und Suchthilfesystem gefragt. Knapp ein Fünftel der 120 | |
Befragten gab an, Gewalt von betreuenden oder behandelnden Personen | |
erfahren zu haben. Besonders cis-Frauen sowie non-binäre, trans*- und | |
inter-Personen sind betroffen. | |
„Um diese Missstände zu beheben, sind Fortbildungen wichtig“, sagt Heidi | |
Mergner aus dem Vorstand des Vereins, an den Doing Gender angegliedert ist. | |
Während der Projektlaufzeit habe das Team bereits vereinzelt kostenlose | |
Schulungen für Einrichtungen angeboten, schon ohne die fertigen Leitlinien. | |
Wie es nun weitergehe, stehe nicht fest. „Wir hoffen, dass wir sie in | |
Eigenregie fortführen können.“ | |
Die Ablehnung der beantragten Mittel wirke sich auch auf die „AG Gender“ | |
aus, ein Netzwerk aus Mitarbeiter*innen und Nutzer*innen | |
psychiatrischer Einrichtungen und Suchthilfeinstitutionen. „Das Projekt war | |
ein Stabilisator für die AG“, sagt Mergner. Schon 2011 hatten Mitglieder | |
der AG-Gender Leitlinien für die geschlechtersensible Arbeit im | |
psychiatrischen- und Suchthilfebereich erstellt, auf die das Projekt jetzt | |
aufbaut. | |
Perspektiven von trans*-, inter- und non-binären Menschen seien zu der Zeit | |
aber nicht eingeflossen, sagt Anna K. Außerdem: „Die Leitlinien von 2011 | |
wurden kaum umgesetzt.“ Dass sich das nicht wiederhole, sei jetzt Aufgabe | |
der Einrichtungen, wie der ASB, das Deutsche Rote Kreuz oder Kliniken. „Es | |
ist wichtig“, sagt K., „dass die Träger die Leitlinien durcharbeiten und | |
Schritte zur Umsetzung planen.“ | |
29 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Die-Schwierigkeit-der-Transidentitaet/!5833989 | |
[2] /Suchtabteilung-im-Klinikum-Emden/!5872051 | |
[3] https://im-ev.de/verein/ | |
[4] /trans-Maedchen-fast-totgepruegelt/!5848695 | |
## AUTOREN | |
Pia Schirrmeister | |
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