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# taz.de -- Joe Bidens Rede zur Lage der Nation: Kein bisschen müde
> Mit einer energiegeladenen und streitlustigen Rede zur Lage der Nation
> steigt US-Präsident Joe Biden voll in den Wahlkampf mit Donald Trump ein.
Bild: US-Präsident Joe Biden bei seiner Rede
Washington taz | Wird er eine weitere Amtszeit überhaupt noch überleben?
Sind seine mentalen Kapazitäten noch ausreichend? Oder ist er mit 81 Jahren
einfach zu alt? Es sind Fragen, die sich US-Wähler:innen seit Monaten
stellen, wenn sie über eine mögliche zweite Amtszeit von Präsident Joe
Biden nachdenken. Der hatte am Donnerstagabend bei seiner jährlichen
[1][Rede zur Lage der Nation] die Möglichkeit, diese Bedenken zumindest
vorübergehend zu beseitigen.
Und genau das schaffte er auch. Biden gab sich temperamentvoll und munter.
Ab und an zeigte er sich sogar streitlustig und lieferte sich einen
Schlagabtausch mit Republikanern, die seine Rede immer wieder mit
Zwischenrufen unterbrachen. Es war eine Rede, die Bidens Ambition auf
weitere vier Jahre im Amt unterstrich.
„Niemand wird jetzt über kognitive Beeinträchtigungen reden“, sagte der
demokratische Abgeordnete Jerry Nadler, als er dem Präsidenten nach dessen
Ansprache gratulierte.
Für Biden war es die vierte und möglicherweise letzte „State of the
Union“-Ansprache seiner Präsidentschaft. Wie üblich gab er seine Rede vor
beiden Kammern des US-Kongresses, um seine politischen Siege zu
unterstreichen, seine künftige Agenda darzulegen und für die Unterstützung
des Kongresses zu plädieren. In diesem Jahr gab es allerdings noch einen
weiteren Faktor: die bevorstehende Wahl.
## Mehr Wahlkampfrede als Lage der Nation
Biden versuchte deshalb auch den Unterschied zwischen ihm und seinem
Kontrahenten aufzeigen, ohne Ex-Präsident Donald Trump dabei auch nur ein
einziges Mal beim Namen zu nennen. Dazu bediente er sich mehrerer
Beispiele, die verdeutlichen sollten, wie anders die Dinge unter Trump sein
würden. Dazu zählten die Ukraine, das Recht auf Abtreibung und
Klimapolitik.
Biden will mehr Unterstützung für Kyjiw. Trump will das nicht. Biden will
es Frauen ermöglichen, ohne Angst vor rechtlichen Konsequenzen im ganzen
Land Abtreibungen vornehmen zu lassen. Trump prahlt damit, dass er mit der
Ernennung von konservativen Richtern zum Supreme Court für das vorläufige
Ende des Abtreibungsrechts gesorgt hat. Unter Biden haben die USA mehr in
den Klimaschutz investiert als jemals zuvor. Trump macht sich lustig über
erneuerbare Energien und will mehr fossile Brennstoffe fördern: „Drill
baby, drill“.
„Meine amerikanischen Mitbürger, das Problem unserer Nation ist nicht, wie
alt wir sind, sondern wie alt unsere Ideen sind. Hass, Wut, Rache und
Vergeltung gehören zu den ältesten Ideen. Aber man kann Amerika nicht mit
alten Ideen führen, die uns nur zurückwerfen. Um Amerika, das Land der
Möglichkeiten, zu führen, brauchen Sie eine Vision für die Zukunft dessen,
was Amerika sein kann und sollte. Heute Abend haben sie meine gehört“,
sagte Biden.
Der Ton und Klang von Bidens Rede erinnerte stark an eine Wahlkampfrede und
weniger an einen Überblick über die Lage der Nation.
## Hilfe für Gaza und eine Zwei-Staaten-Lösung
Auch zum Krieg in Gaza äußerte sich Biden. Bereits am Nachmittag hatten
sich Pro-Palästinensische Demonstranten vor dem Weißen Haus versammelt und
versucht, die Abfahrt des Präsidenten zum Kapitol zu stören. Und bei den
letzten Vorwahlen der Demokraten hatten in mehreren Bundesstaaten
Hunderttausende Wähler:innen [2][aus Protest gegen die
Israel-Unterstützung der Regerung nicht für Biden gestimmt].
In seiner Rede dann bestätigte er, was bereits vom Weißen Haus im Verlauf
des Tages angekündigt wurde, nämlich dass er das US-Militär dazu beauftragt
habe, einen temporären Landungssteg vor der Küste Gazas zu errichten, damit
dort in Zukunft Schiffe mit humanitären Hilfslieferungen anlegen können.
Bislang sind nur zwei Grenzübergänge im Süden des Gazastreifens geöffnet,
auch dank israelischer Kontrollen kommen nur wenige Lastwagen mit
Hilfsgütern jeden Tag zu den Menschen.
Gleichzeitig richtete er sich auch an Israels Regierung und verlangte von
ihr, Priorität auf den Schutz von unschuldigen Zivilisten zu legen. „In
diesem Krieg sind bereits mehr Palästinenser gestorben als in allen
vorherigen Gaza-Kriegen zusammen. Die meisten von ihnen waren Zivilisten,
nicht Hamas,“ klagte Biden. Und für die Zukunft: „Die einzige Lösung ist
eine Zweistaatenlösung,“ sagte Biden unter großem Applaus.
Biden pries zudem die Erfolge seiner milliardenschweren Infrastruktur- und
Klimaschutz-Pakete, wie den Inflation Reduction Act, an, der in weniger als
zwei Jahren zu einer Welle an Investitionen in erneuerbare Energien und
andere grüne Technologien geführt hat.
## Südgrenze: Problem beheben oder darüber streiten?
Und dann war da natürlich auch noch das wahrscheinlich größte
Wahlkampfthema – die US-Grenzkrise. Die Situation an der US-Südgrenze hat
sich knapp acht Monate vor der Wahl als eines der zentralen Themen
herauskristallisiert.
„Wir können um die Grenze streiten oder sie reparieren. Ich bin bereit, das
Problem zu beheben“, sagte Biden und forderte die republikanischen
Kongressabgeordneten auf, über einen von beiden Seiten ausgehandelten
[3][Senats-Kompromiss] trotz etlicher Vorbehalte abzustimmen. „Meine
republikanischen Freunde, ihr schuldet es der US-Bevölkerung, dieses Gesetz
zu verabschieden“.
Rund 20 Milliarden US-Dollar waren neben Hilfen für die Ukraine und Israel
in dem Gesetz vorgesehen – im Senat fand es eine überparteiliche Mehrheit,
aber der Trump-treue Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson,
brachte es bis heute nicht einmal zur Abstimmung. Der Trump-kritische
republikanische Senator Mitt Romney hatte schon vor Wochen öffentlich
gemacht, wie Trump auf die Repubikaner einwirkte, um das Paket abzulehnen,
weil ungelöste Grenzfragen sein wichtigstes Wahlkampfthema sind.
Beim sensiblen Thema Einwanderung kam es auch zum vielleicht
spektakulärsten Schlagabtausch des ganzen Abends. Trump-Anhängerin Marjorie
Taylor Greene verlangte von Biden, dass er den Namen einer ermordeten Frau
aussprechen möge, da der mutmaßliche Täter ein illegaler Einwanderer ist.
Greene, die mit einem knallroten MAGA (Make America Great Again) Hut im
Publikum saß, erhielt ihren Wunsch. Biden nannte Laken Riley beim Namen. Er
forderte aber den Kongress dazu auf, etwas zu unternehmen, damit es nicht
zu weiteren tragischen Fällen dieser Art kommen möge.
## Republikanische Antwort: alles ganz furchtbar
Biden sprach insgesamt für knapp 67 Minuten und schien dabei am Ende
genauso energisch, wie am Anfang. Republikaner ließen nicht viel Gutes an
der Rede.
Die [4][republikanische Antwort] auf Bidens State of the Union Rede gab es
wie immer nicht im gleichen Saal und vor Publikum, sondern wird als
aufgezeichneter Beitrag von den US-TV-Sendern im Anschluss an die Rede des
Präsidenten ausgestrahlt. Diesmal fiel Katie Britt die Rolle der
Antwortenden zu. Die Senatorin aus Alabama gehört mit ihren 42 Jahren zur
jungen republikanischen Garde im US-Senat. Obwohl sie das Senatorenamt erst
seit zwei Jahren begleitet, hat sich die zweifache Mutter bereits einen
Namen gemacht. Sie ist Teil des republikanischen Führungskreises um den
scheidenden Fraktionsvorsitzenden Mitch McConnell und sitzt im
einflussreichen Haushaltsausschuss.
Sie bezeichnete Bidens Rede als „realitätsfremd“ und erklärte, dass das
Land an einem Scheideweg befinde.
„Unter seiner Regierung geht es den Familien schlechter. Unsere Gemeinden
sind weniger sicher und unser Land ist weniger sicher,“ sagte Britt. Sie
beklagte sich über steigende Kriminalität, offene Grenzen und
wirtschaftliche Probleme im Land.
Ihr Auftritt war nicht sonderlich gelungen und das zeigte sich auf den
verschiedenen sozialen Netzwerken. Trump selbst bezeichnete Biden Rede als
„die schlechteste State of the Union Ansprache aller Zeiten“ und eine
„Beschämung“ für das Land.
Der Wahlkampf ist somit eröffnet.
8 Mar 2024
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=cfr7Wpz_mPo
[2] /Vorwahlen-in-den-USA/!5992245
[3] /Abstimmung-zu-US-Ukrainehilfen/!5991257
[4] https://www.youtube.com/watch?v=PQw0-AkgQGM
## AUTOREN
Hansjürgen Mai
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