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# taz.de -- Zukunft des Zeitmanagements: Weniger Stress trotz weniger Zeit
> In der Zukunft verrät uns eine Maschine, wie lange wir noch zu leben
> haben. Das senkt das Stresslevel enorm.
Bild: Einfach mal ausschalten
Mein Handy surrt im Minutentakt; schon wieder eine neue E-Mail, dabei hätte
ich längst den Herd anschmeißen sollen. Weil gleich meine Kinder von der
Schule kommen. Als auch noch Felix vor der Tür steht, fällt es mir schwer,
ihn nicht abzuwimmeln. Aber wie kann ich unhöflich [1][zu einem
Zeitreisenden sein, der 100 Jahre überwindet, um mich zu besuchen]? Also
bitte ich ihn herein und drücke ihm in der Küche einen Kartoffelschäler in
die Hand.
Felix aus dem Jahr 2124 ist nie im Stress, warum auch. Mir hingegen kommt
es vor, als würden von meinem Tag regelmäßig kleine Stückchen abgeschnitten
werden. Sind es am Ende überhaupt noch 24 Stunden? Wer hat das letzte Mal
nachgemessen?
„Wenn du so weitermachst, solltest du deine Zahnschiene lieber auch
tagsüber tragen“, sagt Felix, ohne von seiner Arbeit aufzusehen.
„Was meinst du?“, frage ich.
„Du knirschst mit den Zähnen.“
„Hörst du das?“
„Natürlich. Klingt, als würdest du Kieselsteine essen.“
„Das ist der ganze Stress“, rufe ich und knalle das schmutzige Küchentuch
auf die Stuhllehne. Sofort denke ich an den Berg Wäsche im Bad.
„Du könntest einfach dein Handy ausschalten. Dann wäre Ruhe“, sagt Felix.
„Das geht nicht. Ich bekomme ja ständig Nachrichten, allein im Elternchat
sind noch 43 ungelesen.“
„Und was passiert, wenn du die nicht liest?“
„Dann erfahre ich nicht, worum es in der nächsten Deutsch-Schulaufgabe
geht.“
„Hm“, macht er und schält weiter.
## Ein uraltes Buch zum Vorbild
„Und wenn ich meine E-Mails nicht beantworte, dann kann ich meine Aufträge
nicht erfüllen und meine Rechnungen nicht mehr bezahlen, und dann stehen
wir irgendwann auf der Straße.“
„Okay“, sagt er. „Aber vielleicht gibt es etwas zwischen Zähneknirschen …
auf der Straße stehen?“
„Ich weiß nicht … wie habt ihr das Problem denn gelöst?“
„Kennst du die unendliche Geschichte?“, fragt Felix unvermittelt.
Ich stutze. Für Felix ist der Fantasy-Klassiker von [2][Michael Ende doch
ein fast 150 Jahre altes Buch].
„Warum?“, frage ich.
„In der Geschichte hat Bastian Balthasar Bux das Auryn, das ist ein
magisches Amulett, das ihm alle Wünsche erfüllt, gleichzeitig aber Stück
für Stück alle wertvollen Erinnerungen raubt. Wir haben in Anlehnung daran
für jede Person ein Zeit-Auryn erstellt, das ihr aufgrund genetischer und
statistischer Daten anzeigt, wie viele Jahre voller Jugend, Gesundheit,
Alter und Krankheit ihr noch zur Verfügung stehen.“
„Das ist ja furchtbar“, sage ich. „Ist es nicht eine [3][Gnade, das eben
nicht zu wissen]?“
„Einerseits ja, andererseits hält das Auryn die Menschen davon ab, ihre
wertvolle Zeit mit Unsinn zu verplempern. Mit Karriere, Konsum und
Kostenstellenanalyse. Alle schrecklichen Worte fangen mit K an.
Jedenfalls ist seit der Einführung des Zeit-Auryns der Stresslevel der
Bevölkerung extrem gesunken. Die Leute genießen ihr Leben mehr. Das Auryn
hat uns die Vergänglichkeit bewusst und so die Gegenwart wertvoller
gemacht.“
„Toll. Dann setz du doch bitte die Kartoffeln auf, pack den Spinat in die
Mikrowelle und brate die Eier an. Aber achtsam bitte! Dann kann ich mich
noch ’ne halbe Stunde hinlegen.“
17 Mar 2024
## LINKS
[1] /Begegnung-mit-einem-Zeitreisenden/!5954762
[2] /!1494826/
[3] /Altersforschung/!5970995
## AUTOREN
Theresa Hannig
## TAGS
Stress
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