| # taz.de -- Spielfilm „Rebel“ über IS-Terror: Aus Schüssen wird Tanz | |
| > Der Spielfilm „Rebel – In den Fängen des Terrors“ von Adil & Bilall | |
| > spielt zwischen Belgien und Syrien. Die Regisseure haben | |
| > Hollywooderfahrung. | |
| Bild: Kamal (Aboubakr Bensaihi) ist in „Rebel“ eigentlich ein Rapper | |
| [1][Molenbeek, der Stadtteil von Brüssel, ist weit über Belgien hinaus | |
| bekannt: als Brutstätte des islamistischen Terrors]. Hier lebt die Familie, | |
| von der das Regie-Duo Adil El Arbi und Bilall Fallah (Trademark-Name: Adil | |
| & Bilall) in „Rebel“ erzählt. Eine alleinerziehende Mutter, zwei Söhne, w… | |
| die beiden Regisseure Belgier mit marokkanischem Migrationshintergrund. | |
| Der ältere Sohn, Kamal (Aboubakr Bensaihi) ist vor Ort als Rapper bekannt, | |
| von seinem dreizehnjährigen Bruder Nassim (Amir El Arbi) bewundert. Der | |
| nicht glauben will, was geschieht und was er dann sieht: Der Bruder zieht | |
| aus Empörung gegen Assads Unterdrückung in den Syrienkrieg und taucht als | |
| kaltblütiger Mörder in einem IS-Propagandavideo in den Nachrichten wieder | |
| auf. | |
| Rasant ist dieser Einstieg, zwischen Syrien und Belgien hin und her und | |
| bewusst erst einmal eher verwirrend als ordnend montiert. Der Rapper auf | |
| seinem grünen Motorrad hier, der Krieger mit dem Gewehr in der Hand da. Wie | |
| das eine zum anderen passt, wie das eine Bild zum anderen kommt, wie aus | |
| einem belgischen Bürger ein islamistischer Fanatiker wird, das versucht der | |
| Film vorzuführen. | |
| Zwei Anläufe nimmt er, denn nach dem älteren wird auch der jüngere Bruder | |
| in Brüssel von Islamisten ideologisch verführt. Von einem Trainer im | |
| Boxclub für Jugendliche, nicht nur hier orientiert sich der Plot an der | |
| Realität. | |
| Der ganze Film beruht nicht auf einer wahren Begebenheit, aber alles, was | |
| er erzählt, hat sich begeben. Schicksale, die die Wirklichkeit | |
| unübersichtlich verstreut hat, werden zur handlichen Plot-Form gebündelt | |
| und in der Geschichte einer einzigen Familie modellhaft verdichtet. Und | |
| zwar sehr konsequent bis zum bitteren, drastischen Ende, das so drüber ist, | |
| dass man nur den Kopf schütteln könnte, hätte der Film nicht von Anfang an | |
| sehr konsequent das Genre gewählt, in dem die Regeln des Realismus | |
| ausgesetzt sind: das Melodram. | |
| Mit Arthouse-Realismus haben Adil & Bilall schon immer wenig am Hut. Mit | |
| effektvollen Gangsterfilmen in ihrer belgischen Heimat hatten sie Hollywood | |
| auf sich aufmerksam gemacht, dort einen Film aus dem „Bad Boys“-Franchise, | |
| die Disney+-Serie „Ms. Marvel“ und 2022 den Film „Batgirl“ gedreht. | |
| Letzterer allerdings wurde für die beiden ein spektakuläres Desaster, denn | |
| Warner Brothers hat ihn in den Coronawirren nie in die Kinos gebracht. So | |
| kehrten die Regisseure nach Belgien zurück und haben mit europäischem Geld | |
| „Rebel“ gedreht, der alle Mittel nutzt, die man auch aus Hollywood kennt. | |
| ## Schlachten und Foltern | |
| Die Szenen aus dem Syrienkrieg sind aufwendig inszeniert, man sieht | |
| Schlachten und Folter, man ist viel mittendrin, weil Kamal beim IS als | |
| Kamera- und Videomann Karriere zu machen beginnt. An entscheidenden Stellen | |
| jedoch verlässt der Film dieses Genre und das Realismusregister und springt | |
| ins Musical um. | |
| Man [2][kann an Bollywood denken], dort gibt es ähnliche Brüche, selten | |
| aber sieht man das, was Adil & Bilall hier machen: Sie suchen den fast | |
| unmerklichen Übergang gerade in den intensivsten, härtesten Szenen. Eben | |
| noch Schläge und Schüsse, und es wird daraus, teils in derselben Bewegung | |
| der Körper, Choreografie und Tanz, mit Musik. | |
| Das ist verblüffend anzusehen und kühn. Und verblüffenderweise funktioniert | |
| es, als Distanzierung vom schlichten Glauben an ein Erzählen, das | |
| Wirklichkeit eins zu eins abbilden kann. Zugleich wird aber durch diese | |
| Szenen die Intensität der Geschichte keineswegs unterlaufen. Es geht nicht | |
| um Entlastung, nicht um Befreiung und nicht um Verfremdung, sondern um den | |
| Sprung in eine andere Form, die auf den ersten Blick überhaupt nicht passt. | |
| Und dann passt sie, so selbstbewusst und gekonnt umgesetzt, wie sie ist, | |
| schließlich doch. | |
| 8 Mar 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ekkehard Knörer | |
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