| # taz.de -- Verschärfung des Hochschulgesetz: Drohende Paralleljustiz | |
| > Der Senat will das Ordnungsrecht an Universitäten wiedereinführen. | |
| > Studierendenvertreter und Universitätsleitungen fürchten politische | |
| > Willkür. | |
| Bild: Nach dem Angriff auf einen jüdischen Kommilitonen forderten auch Studier… | |
| Berlin taz | Die geplante Wiedereinführung des Ordnungsrechts an Berliner | |
| Hochschulen stößt auf starke Kritik. In einer am Dienstagmorgen | |
| veröffentlichten Stellungnahme bezeichnet die die Berliner | |
| Studierendenschaft vertretende Landesastenkonferenz den Gesetzesentwurf als | |
| „Türöffner“ für ein „Gesinnungsordnungsrecht“. Der Entwurf sei kaum … | |
| geeignet, Studierende vor Gewalt zu schützen, sondern ermögliche nur neue | |
| Repressionsmöglichkeiten. | |
| Anlass für die Novelle des Hochschulgesetzes war [1][ein Angriff auf den | |
| jüdischen FU-Studenten Lahav Shapira] durch einen Kommilitonen Anfang | |
| Februar, dem vermutlich eine politische Auseinandersetzung um den | |
| Nahost-Konflikt vorausging. Infolge des Angriffs wurden Forderungen nach | |
| der Exmatrikulation des mutmaßlichen Täters laut. Da dieser Schritt nach | |
| dem Hochschulgesetz derzeit nicht möglich ist, [2][kündigte | |
| Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) bald darauf an, bis zu Ostern | |
| einen Entwurf für eine Novelle dem Abgeordnetenhaus vorzulegen.] | |
| Nun bat Czyborras Verwaltung unter anderem die Asten um Stellungnahmen für | |
| einen ersten Referentenentwurf. Die Novelle sieht vor, das erst 2021 aus | |
| dem Hochschulgesetz entfernte Ordnungsrecht in erweiterter Form wieder | |
| einzuführen. | |
| Konkret plant der Senat ein mehrstufiges System, mit dem gewalttätige | |
| Übergriffe zwischen Studierenden geahndet werden können. Diese reichen vom | |
| Aussprechen von Rügen über den zeitweisen Ausschluss von | |
| Lehrveranstaltungen bis hin zur Exmatrikulation. Die Maßnahmen verhängen | |
| soll ein neu zu bildender „Ordnungsausschuss“, in dem mindestens ein*e | |
| Student*in und eine Person mit Befähigung zum Richteramt vertreten sein | |
| soll. | |
| ## Dehnbarer Gewaltbegriff | |
| In der Stellungnahme empfehlen die Asten, den Entwurf komplett abzulehnen. | |
| „Der Gesetzentwurf ist ungeeignet und vage“, kritisiert Luca Schenk vom | |
| Refrat, der Studierendenvertretung der HU. Die Asten befürchten, dass die | |
| Novelle dafür missbraucht werden könnte, politisch aktive Studierende zu | |
| drangsalieren. „Gewalt ist rechtlich ein wahnsinnig unbestimmter Begriff, | |
| der oft sehr weit ausgelegt wird“, sagt Schenk. Im Zweifelsfall könnte auch | |
| Blockaden und Störungen von Veranstaltungen als Gewalt gewertet werden. | |
| TU-Präsidentin Geraldine Rauch befürchtet, dass durch die | |
| Ordnungsausschüsse, die über die Fälle urteilen sollen, eine Art | |
| Paralleljustizbarkeit an den Hochschulen entsteht. „Dieses Gremium wäre in | |
| keiner Weise dafür ausgebildet“, sagt Rauch zur taz. Gerade in Kontexten | |
| wie dem Nahost-Konflikt würde ein enormer öffentlicher Druck auf den | |
| Mitglieder lasten, Exmatrikulationen auszusprechen. „Das kann sehr schnell | |
| nach hinten losgehen“, fürchtet Rauch. | |
| Nach einem abgeschlossenen Strafverfahren wäre dieser Schritt noch | |
| nachvollziehbar, doch das Gesetz sieht vor, Exmatrikulationen auch schon | |
| vor einem richterlichen Urteil durchführen zu können. Das heißt, die | |
| beschuldigte Person könnte exmatrikuliert werden, bevor ein entsprechender | |
| Prozess überhaupt angefangen hat. | |
| Rauch kritisiert auch [3][das Tempo, mit dem der Senat die Novelle | |
| durchpeitschen will]. „Es gibt keinen Grund, das so zu übereilen.“ Das | |
| Problem, dass Täter und Gewaltbetroffene sich auf dem Campus begegnen, gebe | |
| es bei Sexualdelikten schon seit Jahrzehnten. | |
| ## Andere Lösungen möglich | |
| Die TU-Präsidentin plädiert dafür, die bestehenden Mittel des Hausrechts | |
| weiter auszubauen. Bislang könnten Hochschulen Studierenden bis zu sechs | |
| Monaten Hausverbot erteilen. Dies müsste bis zum Ende eines Strafverfahrens | |
| verlängert werden können. Auch die Asten fordern Maßnahmen, etwa bessere | |
| Antidiskriminierungsstrukturen und richterliche Annäherungsverbote. So | |
| könnten Betroffene effektiver beschützt werden als durch das Ordnungsrecht. | |
| Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Marcel Hopp, verteidigt | |
| den Entwurf. „Es geht nicht darum, dass nach Gesinnung exmatrikuliert | |
| werden kann.“ Vielmehr wolle man den Hochschulen Handhabe für Fälle wie den | |
| Angriff auf Shapira geben. Auch sei das Gesetz ja bisher nur eine „gute | |
| Diskussionsgrundlage“. Bis dahin könne noch viel geändert werden. | |
| * In einer früheren Version des Artikels wurde behauptet, dass | |
| Exmatrikalutionen, die nach einem gültigen Strafbefehl erfolgen, kein | |
| rechtskräftiger Prozess vorangegangen ist. Das ist natürlich nicht korrekt. | |
| 12 Mar 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jonas Wahmkow | |
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