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# taz.de -- Uni-Protest in Berlin: Laut für Gaza
> Student*innen demonstrieren gegen den Plan des Senats,
> Zwangsexmatrikulationen zu ermöglichen. Den Protest dominieren
> pro-palästinensische Stimmen.
Bild: Protest gegen die geplante Einführung von Zwangsexmatrikulationen
BERLIN taz | Angesichts der fast 200.000 Student*innen in Berlin fällt
der Protest am Montag sehr überschaubar aus. Rund 300 Demo-Teilnehmer*innen
haben sich gegen Mittag in der Universitätsstraße nahe der Humboldt
Universität versammelt, um gegen die Wiedereinführung von
Zwangsexmatrikulationen zu protestieren. Sie eint die Sorge, dass die
Neuerung im Hochschulgesetz ihr Recht auf politisches Meinungs- und
Versammlungsfreiheit beschneiden wird.
Konkret ist die Wissenschaftsverwaltung dabei, an den Unis ein
Ordnungsrecht wieder einzuführen. Hintergrund ist ein [1][gewalttätiger
Übergriff Anfang Februar] auf einen Studenten der Freien Universität (FU),
der von einem mutmaßlichen Mitstudenten ausging. Danach hatten sich
Politiker*innen insbesondere aus der CDU für eine Exmatrikulation des
mutmaßlichen Gewalttäters ausgesprochen. Der dafür erforderliche Paragraf
war allerdings aus dem Berliner Hochschulgesetz 2021 gestrichen worden.
Die Wissenschaftsverwaltung begründet die Wiedereinführung des
Ordnungsrechts implizit mit den Vorfällen an den Unis nach dem 7. Oktober.
[2][„Protestaktionen, Vorfälle und gewalttätige Übergriffe“ hätten geze…
dass es „in bestimmten Fällen“] für die Unis erforderlich sei, „erweite…
Handlungsoptionen zur Sicherung des geordneten Hochschulbetriebs“ zu
erhalten.
Denn bisher können Universitäten in Berlin lediglich von ihrem Hausrecht
Gebrauch machen und ein bis zu drei Monate befristetes Hausverbote
aussprechen – das jedoch verlängerbar ist. Auch der oben genannte
mutmaßliche Angreifer war seitens der FU mit einem Hausverbot belegt
worden, das laut Uni im Mai um drei weitere Monate verlängert worden war.
## Verfahren langwierig
Student*innen sollen also auch wieder aus ordnungspolitischen Gründen
exmatrikuliert werden können. Bisher regelte das Gesetz Exmatrikulationen
im Zusammenhang mit nicht gezahlten Semestergebühren, Abschlüssen oder
nicht erbrachten Studienleistungen.
„Ich bin hier, weil ich dagegen bin, dass ein schon abgeschafftes Gesetz
wieder eingeführt und sogar verschärft wird“, sagt ein*e Demoteilnehmer*in,
der/die keine Pronomen benutzt. „Und der Effekt wird überschaubar sein: der
Paragraf kam früher schon kaum zur Anwendung, die Verfahren dauern lange.“
Trotzdem würde der Paragraph Ängste bei Student*innen auslösen, und so
zu Repressionen führen. „Es ist deutlich, dass hier ein Gesetz dafür
genutzt wird, um Dissens und Opposition zu erschweren“, sagt der*die
Teilnehmer*in.
Konkret soll exmatrikuliert werden können, wer Gewalt anwendet oder dazu
auffordert, wer wegen einer Straftat „zulasten eines Mitglieds der
Hochschule“ rechtskräftig verurteilt wurde, oder wer [3][Einrichtungen der
Hochschule zu strafbaren Handlungen „nutzt oder zu nutzen versucht“], heißt
es im Gesetzesentwurf. Die Uni kann dagegen in mehreren Stufen vorgehen,
von einer Rüge über Androhung der Exmatrikulation über Ausschluss von
Uni-Einrichtungen und Lehrveranstaltungen – bis zur Exmatrikulation selbst.
Über die jeweiligen Maßnahmen soll ein Ordnungsausschuss der Uni
entscheiden, dem „mindestens ein stimmberechtigtes Mitglied aus der Gruppe
der Studierenden“ und mindestens eine stimmberechtigte Person „mit
Befähigung zum Richteramt“ angehören soll.
## Begriffe im Gesetzestext schwammig
Die Gruppe „Hands off Students Rights“ (dt. Hände weg von den Rechten
Studierender), die zu der Demo aufgerufen hatte, kritisiert insbesondere,
dass im [4][Gesetzestext schwammig bleibt], was unter Gewalt gefasst wird.
Sie befürchten, dass darunter auch schon das Stören von Lehrveranstaltungen
oder das Besetzen von Hörsälen fallen könnte.
Auch, dass sich das Gesetz auf „Straftaten“ bezieht, sei problematisch.
Denn darüber würden dann eben nicht Jurist*innen entscheiden, sondern
Ordnungsausschüsse an den Unis, die wiederum ganz intransparent besetzt
seien. Als Straftat könnte dann bereits ein als Sachbeschädigung
eingestuftes Anbringen von Plakaten gelten. Auch das Outen von
übergriffigen Professor*innen könnte in diesem Sinne als Beleidigung
und damit als Straftat gefasst werden, befürchten sie.
In den Reden wird klar, dass es den Demoteilnehmer*innen vor allem
darum geht, ihre Solidarität mit Palästina auszudrücken. In der Demo wehen
vereinzelte Wimpel von [5][Young Struggle], [6][Zora], Pride Rebellion und
der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend. Insbesondere Young Struggle
hatte den Angriff der Hamas vom 7. Oktober in Statements begrüßt.
Zahlreiche Demoteilnehmer*innen tragen Palästinensertücher.
## Schulklasse ausgeschlossen
Die Gruppe „Decolonise Charité“, die vor kurzem noch „Charité Students …
Justice in Palestine“ hieß, kritisiert in einer Rede konkret den Umgang der
Humboldt Uni mit ihrem Engagement. In der vergangenen Woche hatten sie zu
einer Veranstaltung zur medizinischen Versorgung in Gaza geladen. Doch die
Uni habe ihnen dann einen knappen Tag vorher die Auflage erteilt, dass nur
Hochschulmitglieder teilnehmen dürften. Eine Schulklasse, die teilnehmen
wollte, sei daher nicht reingekommen. „Das war eine soziale Schranke. Aber
gerade für politische Themen ist der Bedarf nach Austausch groß“, sagt eine
Sprecherin der Gruppe. Zu dem Thema seien drei weitere Veranstaltungen
geplant.
Die Humboldt-Universität bestätigt auf Nachfrage der taz, dass sie den
Zugang zu der studentischen Veranstaltung von „Decolonise Charité“
beschränkt hatte. Diese neuen Regeln gelten demnach für Veranstaltungen,
die thematisch [7][im Zusammenhang mit der Besetzung des Instituts für
Sozialwissenschaften] Ende Mai stehen. „Zu diesen Regeln zählt, dass der
Zutritt zu solchen Veranstaltungen auf Mitglieder der Berliner Hochschulen
beschränkt ist“, teilte eine Sprecherin mit.
Außerdem gelte ein Verbot für Sprühfarben und -dosen, Farben allgemein,
Waffen inklusive Taschenmessern, Schlagstöcken oder als solche verwendbare
Gegenstände. Die Universitätsleitung prüfe regelmäßig, ob diese Regelungen
weiterhin erforderlich sind. Falls eine Schulklasse darüber nicht
rechtzeitig informiert gewesen sei, bedauere die Uni das sehr.
Auf der Demo kritisieren mehrere Teilnehmer*innen, wie Proteste für die
Rechte der Palästinenser*innen an den Unis „von Politik und Medien“
pauschal als antisemitisch eingestuft worden seien. Auf die Frage nach
Ängsten von jüdischen und israelischen Student*innen heißt es, dass die
Unis doch Räume für Diskussion bieten müssten und dass der neue Paragraf
wohl wenig zu deren Sicherheit beitragen könne.
Ein Engagement für die Belange jüdischer oder israelischer
Student*innen, die Unis inzwischen als Orte erleben, an denen sie nicht
sicher sind, ist auf der Demo nicht sichtbar. Der Demozug setzt sich nach
der Auftaktkundgebung unter „Free Palestine“-Rufen über die Friedrichstra�…
in Richtung Abgeordnetenhaus in Bewegung.
## Unis verhalten zustimmend
Bei den Unis selbst gibt es verhaltenen Zuspruch zur Gesetzesänderung.
„Während sich Exmatrikulationsverfahren auch in Zukunft lange ziehen
dürften, können Täter durch Hausverbote effektiv daran gehindert werden,
die Universitäten wieder zu betreten“, teilt ein Sprecher der FU mit. Es
gebe aber gute Gründe und Präzedenzfälle, die zeigten, dass auch ein
dauerhafter Ausschluss vom Studium angebracht sein könne, um „Mitglieder
der Universität und die Universität als Gemeinschaft dauerhaft vor
einzelnen Personen zu schützen“.
Die Neuerung des Hochschulgesetzes war im [8][April im
Wissenschaftsausschuss besprochen] worden und soll noch vor der Sommerpause
verabschiedet werden.
3 Jun 2024
## LINKS
[1] /Antisemitismus-an-der-FU-Berlin/!5987400
[2] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/WissForsch/vorgang/wf19-0117-v.pdf
[3] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/WissForsch/vorgang/wf19-0117-v.pdf
[4] https://www.instagram.com/handsoffstudentrights/
[5] /Nahost-Konflikt-und-Schulen/!5966174
[6] /Razzia-bei-der-Zora-in-Berlin/!5975791
[7] /Pro-Palaestina-Besetzung-in-Berlin/!6012397
[8] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/WissForsch/protokoll/wf19-032-wp.pdf
## AUTOREN
Uta Schleiermacher
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