# taz.de -- Aiwanger bei Bauerntreff in Brandenburg: Buhlen um den Mittelstand | |
> Auf der Jahresversammlung der „Freien Bauern“ Brandenburg waren auch die | |
> Freien Wähler und das Bündnis Sahra Wagenknecht. Ein Ortsbesuch. | |
Bild: Hubert Aiwanger fühlt sich wohl unter Bauern, wie hier in München Anfan… | |
SCHÖNWALDE-GLIEN taz | Die Gaststätte Schwanenkrug ist klassisch | |
geschmückt. Weiße Tischdecken, samtene Schleifen am behängten Gewölbe. Das | |
braun-grüne Banner der Freien Bauern hängt über der Bühne, auf der das | |
Ketziner Orchester die Brandenburger Hymne spielt. „Märkische Heide, | |
märkischer Sand“ singen etwa 150 Landwirtinnen und Landwirte, die hier im | |
Nordwesten Berlins zur Jahresversammlung der „Freien Bauern“ Brandenburg | |
zusammengekommen sind. Es sind einige karierte Hemden, Funktionsjacken und | |
viel Tweed zu sehen. Alles im Raum ist ordentlich, jede Tasse hat hier ihre | |
Untertasse. | |
Über dem Pumpkaffee hinten im Saal haben ein paar der Landwirte ihre | |
Cowboy-Hüte auf der Fensterbank geparkt. Nur ganz vorne hat einer seinen | |
Hut noch auf: „Wir mussten den Tisch noch ein bisschen rumrücken. Wir | |
stehen hier in der Mitte und wir sind die Mitte der Gesellschaft“, eröffnet | |
der Brandenburger Landwirt Marco Hintze die Veranstaltung. | |
Die Programmpunkte: Hubert Aiwanger, Vorsitzender der Freien Wähler und | |
Vize-Ministerpräsident in Bayern, und Amira Mohamed Ali, neue Vorsitzende | |
vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), sollen gleich sprechen, der Rest: „nur | |
Formalien“. Eine interessante Rednerliste. [1][Beide Parteien zielen im | |
Hinblick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und | |
Brandenburg auf den frustrierten Mittelstand im Osten.] Beide mit strammen | |
Parolen, einmal stramm rechts, einmal ziemlich links der Mitte. | |
Die Lage in Brandenburg ist durcheinander: In Wahlumfragen liegt gerade die | |
AfD vorne, BSW und Linke stehen zwischen 6 und 13 Prozent, während die | |
Freien Wähler in Brandenburg es bei der letzten Wahl gerade so in den | |
Landtag geschafft haben. Trotzdem [2][inszeniert sich Aiwanger bei den | |
Freien Bauern als einer von ihnen.] | |
## Neue Mitglieder durch Traktor-Proteste | |
„Das war kein Ausländer für uns, sondern jemand, der unsere Sprache | |
spricht!“, wird der Bayer in Brandenburg verabschiedet werden. Der als GmbH | |
organisierte Verband der „Freien Bauern“ ist in Nord- und Ostdeutschland | |
besonders stark. Knapp ein Drittel seiner etwa 1.500 Mitglieder kommen laut | |
eigenen Angaben aus Brandenburg. Durch die Traktor-Proteste in Berlin, die | |
die „Freien Bauern“ teilweise mitorganisiert hatten, hätten sie nochmal | |
einige Mitglieder hinzugewonnen. | |
Dementsprechend gut ist die Stimmung im Saal, fast versöhnlich. Sogar die | |
gute Zusammenarbeit mit Landesumweltminister Axel Vogel (Grüne) bei der | |
Wiedervernässung der Moore lobt ein Sprecher. Das „Bekenntnis zum | |
Familienbetrieb“ und zur „unternehmerischen Verantwortung“ gebe in der | |
Region zwar die Richtung vor. Die Mitglieder seien aber auch bereit, „sich | |
anzupassen, an alles, was der Natur und den Betrieben dient“. | |
Die einzige Bedingung sei „keine Verbindung zu Parteien, Industrie oder | |
NGOs“, welche der Lobbyverband immer wieder den anderen Vertretungen der | |
Landwirtinnen und Landwirte vorwirft. Diese behauptete Parteiferne versucht | |
Aiwanger, selbst Waldbesitzer und Sohn von Landwirten, zu durchbrechen. | |
„Die Bundesregierung versteht die Bauern nicht!“, eröffnet er seine Rede. | |
Damit meint er auch sich selbst: Überall werde „uns in die Kniekehlen | |
geschlagen.“ Immer wieder betont Aiwanger, wen er außerdem mit „uns“ mei… | |
nicht nur die Landwirte, sondern das ganze | |
„mittelständisch-eigentumsgetriebene“ Milieu. Dieses dürfe sich von der | |
Regierung „zwischen Groß und Klein“ nicht teilen lassen, damit „das Thema | |
Eigentum, Mittelstand, Landwirtschaft, Handwerk wieder wichtig wird“. | |
Das Geld sei da, werde aber „im Bürgergeld versenkt“ oder „damit die Bahn | |
streiken kann“. Mit dem Parteiprogramm und seinen Geschichten vom Hof stößt | |
er bei den Brandenburgern auf offene Ohren. | |
## Linke hat es schwieriger als Aiwanger | |
[3][Amira Mohamed Ali] hat es da schwieriger: Obwohl die Linke im Osten | |
traditionell stark war, hat sie wie BSW gerade bei den Landwirten kein | |
optimales Standing. Sie habe zu sehr auf die Agrargenossenschaften als | |
Nachfolgeorganisationen der Landwirtschaftlichen Produktionsgemeinschaften | |
(LPGs) gesetzt, sagt ein älterer Landwirt, der sich als Interessierter | |
vorstellt, als „wertkonservativ und links der Mitte“. Hier im Saal habe | |
deswegen fast niemand je sein Kreuz links gemacht, sagt ein anderer. | |
Ali schießt scharf gegen die fehlgeleitete Agrarpolitik der EU, das | |
„Bürokratiemonster“, mit dem der Mittelstand immer wieder konfrontiert sei. | |
Sie greift Freihandelsabkommen an, die „Lebensmittelindustrie“ und das | |
„Marktdiktat des Einzelhandels“. Aber vor allem versucht sie, auf einer | |
anderen Ebene einen Kontakt herzustellen – und übt damit schon mal für die | |
[4][bevorstehenden Landtagswahlen]. | |
So präsentiert Mohamed Ali sich als Kämpferin gegen „die sogenannte Cancel | |
Culture“: Es habe Methode, dass die Proteste von Medien und Politik in die | |
rechte Ecke gerückt worden seien, sagt die Weggefährtin von Sahra | |
Wagenknecht. Damit kann sie punkten. Die Stimmung ist nicht abgeneigt, aber | |
bei Detailfragen wird es eng. Da bitte sie um Verständnis für die noch | |
junge Partei. Die Landesprogramme seien noch nicht fertig. Und wann man | |
endlich in die Partei eintreten könne, fragt ein anderer. Auch das ist: | |
noch ungewiss. | |
23 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Raoul Spada | |
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