# taz.de -- Sorgfaltspflichten für Unternehmen: Kinderarbeit bleibt straflos | |
> Der Versuch, eine Mehrheit für die EU-Lieferkettenrichtlinie | |
> herzustellen, scheitert erneut. Ratsvorsitz Belgien will sich weiterhin | |
> darum bemühen. | |
Bild: Kann Spuren von Zwangsarbeit enthalten: Viele Unternehmen kennen ihre Lie… | |
Berlin taz | Zwei Wochen Verhandlungen hinter den Kulissen haben nicht | |
geholfen: Im Ausschuss der Vertreter des Rats konnte am Mittwoch keine | |
Mehrheit für die EU-Lieferkettenrichtlinie gefunden werden. Damit ist die | |
Probeabstimmung gescheitert. Der belgische Ratsvorsitz kündigte aber an, | |
sich weiterhin um eine Mehrheit zu bemühen. | |
Eine Abstimmung im Rat dazu war Anfang Februar [1][kurzfristig abgesagt | |
worden], nachdem Deutschland angekündigt hatte, sich wegen einer | |
[2][Blockade der FDP] enthalten zu müssen. Das gefährdete unerwartet die | |
benötigte qualifizierte Mehrheit im Rat, die 15 EU-Ländern mit einem | |
Bevölkerungsanteil von 65 Prozent entspricht. | |
Die Richtlinie für unternehmerische Nachhaltigkeit und Sorgfalt, wie sie | |
richtig heißt, soll Unternehmen dazu verpflichten, ihre Lieferketten auf | |
Risiken von Kinderarbeit, Ausbeutung oder Umweltvergehen zu untersuchen. | |
Unternehmen ab 500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 150 Millionen | |
Euro müssten dann ihre Lieferketten analysieren und Beschwerdesysteme | |
einrichten. Bei Menschenrechtsverletzung müssten sie sich um Abhilfe | |
bemühen. Bei Verstößen könnten Behörden Strafzahlungen anordnen. Opfer von | |
Menschenrechtsverletzungen und Zivilorganisationen hätten das Recht, auf | |
Schadenersatz zu klagen. | |
FDP und Wirtschaftsverbände kritisieren die Vorgaben als bürokratisch und | |
zeigten sich am Mittwoch entsprechend erleichtert. Marie-Christine | |
Ostermann, Präsidentin der Familienunternehmer, plädierte für „eine | |
praktikablere und effektivere Regulierung“ in der nächsten | |
Legislaturperiode. | |
## Die Zeit rennt: im Juni wird das EU-Parlament neu gewählt | |
Enttäuschung äußerten Vertreter*innen aus der Zivilgesellschaft. „Heute | |
ist ein schlechter Tag für den Schutz der Menschenrechte und unseres | |
Planeten“, kommentierte eine Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz | |
und forderte ein Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Große | |
Unternehmen wie Aldi Süd, Bayer, Primark, Mars, Tchibo, KiK und Ritter | |
Sport hatten am Dienstag vor der Abstimmung ihre Forderung wiederholt, mit | |
der EU-Richtlinie Wettbewerbsgleichheit in Europa zu schaffen. Die Vorgaben | |
seien „angemessen und umsetzbar“, schrieben sie [3][in einer gemeinsamen | |
Mitteilung]. | |
Groß war die Enttäuschung am Mittwoch auch bei der EU-Abgeordneten Lara | |
Wolters (S&D), die den Verhandlungsprozess für das Parlament geführt hat. | |
In über zwei Jahren zähen Verhandlungen schaffte sie es am Ende, die | |
[4][Zustimmung auch der konservativen und liberalen Fraktionen im | |
Parlament] zu bekommen. In den Trilogverhandlungen mit der Kommission und | |
Rat wurde [5][der Text weiter abgeschwächt], zuletzt erreichte Frankreich, | |
dass der Finanzsektor von den Regeln ausgenommen wird. | |
Im Dezember vergangen Jahres verkündete Wolters dann zusammen mit dem | |
damaligen Ratspräsident Gonzalo García Andrés und Justizkommissar Didier | |
Reynders den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen. Dass kurzfristige | |
„Zurückrudern von Verpflichtungen“ nannte Wolters am Mittwoch eine „gro�… | |
Empörung“ und Vertrauensverlust. „Ich bin zutiefst enttäuscht über das | |
unverantwortliche Vorgehen der FDP“. | |
Die Zeit für eine Einigung drängt, denn im Juni wird das EU-Parlament neu | |
gewählt und rechte Kräfte könnten zunehmen. Die Ratspräsidentschaft will | |
die Einwände der Mitgliedsstaaten prüfen und versuchen, „Bedenken in | |
Absprache mit dem Europäischen Parlament auszuräumen“, teilte die | |
Ratspräsidentschaft mit. Wie zuvor sei sie bereit zu weiteren | |
Verhandlungen, sagte Wolters. | |
28 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Streit-um-EU-Lieferkettengesetz/!5988760 | |
[2] /FDP-Blockade-von-Lieferkettenrichtlinie/!5983055 | |
[3] https://www.business-humanrights.org/de/neuste-meldungen/eu-csddd-company-s… | |
[4] /EU-Lieferkettengesetz/!5934620 | |
[5] /EU-Einigung-auf-Lieferkettengesetz/!5976398 | |
## AUTOREN | |
Leila van Rinsum | |
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