# taz.de -- Entscheidende Abstimmung in der EU: Letzter Anlauf für die Lieferk… | |
> Auch wenn die FDP blockiert: Zahlreiche Unternehmen plädieren für die | |
> europäische Richtlinie, die sie zum Schutz der Menschenrechte | |
> verpflichtet. | |
Bild: Immer mehr global agierende Firmen sehen sich in der Verantwortung für d… | |
BERLIN TAZ Zahlreiche Unternehmen unterstützen mittlerweile die | |
[1][geplante Lieferketten-Richtlinie der EU]. „Aldi Süd positioniert sich | |
für eine europäische Richtlinie zu Sorgfaltsanforderungen von Unternehmen“, | |
teilt zum Beispiel der Discounter mit. Vorteil aus Sicht von Aldi: Die | |
Regelung schaffe „gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen | |
innerhalb der EU“. | |
Die umkämpfte Regulierung steht an diesem Mittwoch in Brüssel auf der | |
Tagesordnung des Ausschusses der Mitgliedsstaaten. Die belgische Regierung, | |
die momentan den Vorsitz führt, wird dann erneut versuchen, eine Mehrheit | |
für das Lieferkettengesetz zu organisieren – möglicherweise das letzte Mal | |
vor den EU-Wahlen. Ob das klappt, ist unklar. | |
Das Problem: [2][Die FDP in der Bundesregierung hat ihre Zustimmung | |
zurückgezogen.] Nach augenblicklichem Stand wird Deutschland sich deshalb | |
wohl enthalten. Eine Mehrheit kam deshalb Anfang Februar nicht zustande. | |
Die Richtlinie soll europäische Unternehmen ab 500 Beschäftigte | |
verpflichten, Ökologie und Menschenrechte in den weltweiten | |
Zulieferfabriken sicherzustellen. Die hiesigen Firmen müssten sich dann | |
etwa darum kümmern, dass [3][Mindestbezahlung und Mindesturlaub bei ihren | |
Lieferanten in Bangladesch und anderen Staaten] gewährleistet sind. | |
Während die FDP argumentiert, die Richtlinie überfordere vor allem kleinere | |
Unternehmen, fordern viele Firmen ein „Ja“ der Bundesregierung. Dabei unter | |
anderem das Pharma- und Saatgut-Unternehmen Bayer, der Handelskonzern Rewe, | |
die Textilhändler KiK, Primark und S.Oliver sowie Frosta Tiefkühlkost. | |
## Firmen gut informiert | |
Was auf sie mit der europäischen Regelung zukommt, [4][kennen die Firmen | |
vom deutschen Lieferkettengesetz], das ähnlich funktioniert. „Die vom | |
deutschen Lieferkettengesetz geforderte Risikoanalyse für unsere mehr als | |
3.500 direkten Lieferanten haben wir [5][mit einer datenbasierten | |
Softwarelösung] durchgeführt“, sagt Sabrina Raith von der Takkt AG in | |
Stuttgart, einem Online-Vertrieb für Geschäftsausstattungen. | |
Nur „in weniger als zwei Dutzend Fällen haben wir persönlich mit Firmen | |
Kontakt aufgenommen“, beschreibt Raith das Verfahren. „Konkrete Risiken | |
haben wir aber bei keinem Lieferanten ermittelt.“ Durch die EU-Richtlinie | |
steige die Zahl der zu überprüfenden Firmen zwar stark an, weil zusätzlich | |
die indirekten Zulieferer einbezogen werden müssten. „Wir gehen aber davon | |
aus, dass wir auch diese Herausforderung im Großteil über geeignete | |
Softwarelösungen bewältigen können“, erklärt Raith. | |
## 80 Prozent der Firmen: „Umsetzbar“ | |
700 deutsche und französische [6][Firmen hat die Unternehmensberatung | |
Inverto befragt, wie sie auf die Richtlinie vorbereitet seien]. „Rund 80 | |
Prozent der Befragten halten die Auflagen, die das EU-Lieferkettengesetz | |
macht, für umsetzbar“, schreibt Inverto. Gut zwei Drittel seien überzeugt, | |
dass die neue Direktive nur geringe oder moderate Kosten verursachen werde, | |
während 17 Prozent mit hohen Zusatzkosten rechneten. | |
„Das Ziel geht grundsätzlich in eine unterstützenswerte Richtung“, sagt | |
Inverto-Berater Stefan Benett. „Allerdings ist zu berücksichtigen, dass | |
unterschiedliche Unternehmen und Lieferketten verschieden stark betroffen | |
sein würden.“ In manchen Fällen ließen sich die Risiken nicht einfach per | |
Softwareanalyse ausschließen. Denn zahlreiche Firmen haben komplexe | |
Lieferketten mit zahlreichen Stufen von Vorlieferanten. Dann kann „die | |
individuelle Überprüfung sehr aufwendig werden“, meint Benett. Er kann | |
nachvollziehen, dass Firmenvorstände sich Sorgen machten angesichts der | |
[7][explizit in der EU-Richtlinie vorgesehenen zivilrechtlichen Haftung]. | |
Sein Plädoyer: „Man sollte klarstellen, dass die menschenrechtlichen | |
Verpflichtungen für Lieferanten, mit denen nur ein kleiner Umsatzanteil | |
besteht, und wo keine unmittelbaren Risiken erkennbar sind, weniger streng | |
nachvollzogen werden müssen.“ | |
„Die verlangte Transparenz der Lieferketten löst Kosten aus“, sagt hingegen | |
Andreas Dölecke, Partner der auf den Mittelstand fokussierten | |
Beratungsfirma Kerkhoff in Düsseldorf: Sie erfordere Arbeitszeit, | |
Dateninfrastruktur und Mitarbeiter. Deshalb fordert er von der Politik | |
„Augenmaß“ Döleckes Fazit: „Die Anforderungen des deutschen | |
Lieferkettengesetzes und der EU-Richtlinie umzusetzen, ist unserer | |
Einschätzung nach für die Unternehmen mit Herausforderungen verbunden, | |
jedoch grundsätzlich machbar.“ | |
Die Haltung der Wirtschaft ist aber nicht einheitlich. Acht deutsche | |
Lobbyverbände lehnen die EU-Richtlinie in der aktuellen Form ab, darunter | |
Gesamtmetall, die Stiftung Familienunternehmen und der Chemieverband VCI. | |
Zumindest ein Teil der Mitgliedsfirmen der Verbände dürfte diese | |
Einschätzung teilen. | |
Die Deutschen dagegen sind für das Lieferkettengesetz. Einer Insa-Umfrage | |
im Auftrag [8][der Initiative Lieferkettengesetz] zufolge wird die | |
Richtlinie von 68 Prozent der Befragten unterstützt, interessanterweise | |
auch von zwei Dritteln der FDP-WählerInnen. | |
28 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] /EU-Lieferkettengesetz-wohl-geplatzt/!5987367 | |
[2] /Blockadepolitik-der-FDP/!5990202 | |
[3] /Lieferketten/!5972382 | |
[4] /Deutsches-Lieferkettengesetz/!5988432 | |
[5] /Oekobilanzen-Experte-ueber-Transparenz/!5647145 | |
[6] https://www.inverto.com/de/publikationen/ergebnisse-der-nearshoring-studie-… | |
[7] /Streit-um-EU-Lieferkettenrichtlinie/!5988977 | |
[8] https://lieferkettengesetz.de/aktuelles/ | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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