# taz.de -- SPD-Vorstoß zum EU-Lieferkettengesetz: Jusos wagen Rettungsversuch | |
> Jusos und SPD-Linke versuchen das EU-Lieferkettengesetz doch zu retten | |
> und machen es zum Thema im Vorstand – samt schmerzhafter Kompromisse. | |
Bild: In welcher Kiste steckt die Lösung für die Blockade des EU-Lieferketten… | |
BERLIN taz | Kanzler Olaf Scholz und Arbeitsminister Hubertus Heil haben | |
bereits die Segel gestrichen. Doch Jusos und SPD-Linke wollen sich der FDP | |
und ihrem Nein zum europäischen Lieferkettengesetz noch nicht geschlagen | |
geben. Sie werden auf der Sitzung des Parteivorstands am Montag einen | |
Antrag einbringen, in dem sie die Bundesregierung auffordern, „die FDP von | |
ihrem Blockadekurs abzubringen und der EU-Lieferkettenrichtlinie im EU-Rat | |
zuzustimmen“. Darin schlagen sie, „wenn unbedingt nötig, weil ansonsten | |
keine Mehrheit möglich ist“, auch Abstriche an der geplanten EU-Regelung | |
vor. Dem 35-köpfigen Vorstand gehören auch vier sozialdemokratische | |
Minister*innen, darunter Heil, an. Der taz liegt der Antrag vor. | |
„Kabinett und Kanzler müssen die FDP auf Linie bringen“, fordert | |
Juso-Vorsitzender Philipp Türmer, die treibende Kraft hinter dem | |
Last-Minute-Rettungsversuch. „Es kann nicht sein, dass die FDP hinter dem | |
Rücken des Kanzlers ihre eigene Europapolitik unabhängig von der Ampel und | |
den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag macht.“ Unterstützung erhält er aus | |
Partei- und Fraktionsspitze und dem EU-Parlament. | |
Fraktionsvize Matthias Miersch, der den Antrag unterstützt, mahnt: | |
German-Vote, also Enthaltungen in letzter Minute wie auch schon im Fall des | |
EU Verbrenner-Aus, dürfe nicht zum Programm werden. „Es gilt jetzt aktiv | |
einen Kompromiss in dieser wichtigen Frage mit der belgischen | |
Ratspräsidentschaft zu finden.“ | |
Die EU-Lieferkettenrichtlinie, oder wie sie offiziell heißt, das Gesetz für | |
unternehmerische Nachhaltigkeit und Sorgfalt (Corporate Sustainability Due | |
Diligence Directive, CSDDD), soll [1][europäische Firmen verpflichten, sich | |
um auf Menschenrechte und Umweltstandards] in ihren Zulieferfabriken zu | |
kümmern. Dazu müssen sie vor allem Risiken analysieren und Beschwerden | |
nachgehen. In Deutschland gilt bereits ein entsprechendes Gesetz für | |
Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeiter*innen. | |
## Deutschlands Ruf in Gefahr | |
Die europäische Richtlinie soll für Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten | |
und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz gelten. Firmen, die nicht in der | |
EU sitzen, fallen unter das Gesetz, wenn sie in der EU einen Umsatz von | |
mehr als 300 Millionen Euro machen. | |
Die FDP hatte Anfang Februar, kurz vor der entscheidenden Abstimmung im | |
Rat, [2][ihr Veto eingelegt], mit der Begründung das Gesetz belaste | |
mittelständische Unternehmen zu stark. In dieser Pattsituation hätte sich | |
Deutschland bei der Abstimmung enthalten müssen. Andere Länder, etwa | |
Italien, fühlten sich ermutigt und drohten ebenfalls mit Nein. [3][Die | |
belgische Ratspräsidentschaft verschob die Abstimmung auf unbestimmte | |
Zeit.] | |
Die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt sieht Deutschlands Ansehen in | |
Gefahr. „Der Ego-Trip der FDP schädigt Deutschlands Ruf als verlässlicher | |
Verhandlungspartner in der EU.“ In dem von ihr ebenfalls unterstützten | |
Antrag werden die sozialdemokratischen Regierungsvertreter*innen | |
aufgefordert, „alles dafür zu tun, den koalitionsinternen Widerstand zu | |
überwinden.“ Der Antrag enthält neben Appellen auch Kompromissvorschläge, | |
wie etwa die Schwelle der betroffenen Unternehmen auf 1.000 | |
Mitarbeiter*innen anzuheben und kleinen und mittleren Unternehmen nur | |
reduzierte Berichtspflichten abzuverlangen. | |
## Völlig falsche Behauptungen | |
Die stellvertretende Parteivorsitzende und schleswig-holsteinische | |
Landeschefin Serpil Midyatli appelliert an die Liberalen: „Es muss auch für | |
die FDP eine Selbstverständlichkeit sein, dass wir Kinder- und Zwangsarbeit | |
entschieden bekämpfen.“ | |
Die Behauptung der FDP, das europäische Gesetz überlaste deutsche | |
Unternehmen, sei völlig unzutreffend, heißt es im Antrag. Denn fast 80 | |
Prozent der deutschen Unternehmen hielten das Gesetz für umsetzbar. Da in | |
Deutschland bereits ein Lieferkettengesetz gilt, werde nunmehr | |
sichergestellt, dass ausländische Unternehmen keine ungerechten | |
Wettbewerbsvorteile bekommen. „Das Lieferkettengesetz zu verhindern ist | |
auch nicht im Interesse der deutschen Wirtschaft“, meint Sebastian Roloff | |
Mitglied des Parteivorstands und Sprecher der ganz linken SPD-Strömung | |
Demokratische Linke 21. Neben dem DL21 unterstützt auch die | |
Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen den Antrag. | |
Er könnte bereits am Sonntag auf der Sitzung des Präsidiums Thema sein. | |
Diesem gehören neben dem engeren Führungszirkel und drei | |
Vorstandsmitgliedern auch Parlamentspräsidentin Bärbel Bas, Fraktionschef | |
Rolf Mützenich und Bundeskanzler Olaf Scholz als ständige Gäste an. | |
17 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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