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# taz.de -- Tempo 30 an Hauptstraßen: Kinderschutz light
> Tempo 30 vor Kita und Grundschulen? Hält der Senat offenbar nur für
> gerechtfertigt, wenn der Eingang der Einrichtung direkt an der Straße
> liegt.
Bild: Stören die da? Autos vor einer Neuköllner Grundschule
Berlin taz | Der Verein Changing Cities kritisiert den Senat für dessen
mangelnden Einsatz beim Thema Schulwegsicherheit. Die
MobilitätsaktivistInnen werfen Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) vor,
ihre Handlungsspielräume nicht zu nutzen und Geschwindigkeitsbegrenzungen
auf Hauptstraßen anzuordnen, an denen besonders schutzbedürftige
Einrichtungen wie Kitas und Grundschulen, aber auch Pflegeheime für
SeniorInnen liegen.
Dazu verweist Changing Cities auf die Antwort der Verkehrsverwaltung auf
eine Anfrage der verkehrspolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion Oda
Hassepaß. Die hatte eine Liste von Kitas und Pflegeeinrichtungen an
Hauptstraßen im Bezirk Pankow vorgelegt und gefragt, welche konkreten
Überlegungen es zur Anordnung von Tempo 30 es gebe. Das Ergebnis: In 18 von
33 Fällen argumentiert Schreiners Verwaltung, der jeweilige Eingangsbereich
liege nicht direkt an der Straße.
Im Falle der Kita „Montessori-Kinderhaus Sternenwiese“ an der Berliner
Straße in Alt-Pankow heißt es etwa in der Antwort: „Das Kitagebäude liegt
abgesetzt vom öffentlichen Straßenland auf einem Privatgelände.“ Daher
bestehe „kein zwingendes Erfordernis für eine Tempo 30-Anordnung“. In Bezug
auf die Kita „Sorpresa“ an der Kastanienallee in Prenzlauer Berg wird
erläutert, der Eingang befinde sich in der Schwedter Straße um die Ecke,
die schon in einer Tempo 30-Zone liege.
„Offensichtlich denkt die Senatsverwaltung, die Kinder könnten sich von zu
Hause aus direkt zum Eingangsbereich der Einrichtung beamen“, findet man
bei Changing Cities. „Gerade im Straßenbereich vor den Kitas ist die
Gefahrenlage für Kinder und Eltern häufig am größten, egal ob das Gebäude
nach hinten versetzt ist oder nicht.“ Die Botschaft des Senats lautet also
nach Ansicht des Vereins: „Liebe Kinder, die Straßen bleiben kein sicherer
Ort für Euch.“
Die Leiterin der Schulstraßen-Kampagne von Changing Cities, Girina Holland,
ist deshalb auch „nur sehr vorsichtig hoffnungsvoll“, was die „Arbeitshil…
Temporäre Schulstraßen“ angeht, die von der Verkehrsverwaltung vorbereitet
wird. Sollten auch die darin erwähnten Maßnahmen zur Erhöhung der
Schulwegsicherheit rein optional bleiben, „mutiert die wohlklingende
Arbeitshilfe zu einer Verweigerungshilfe“, so Holland.
## Schulstraßen bis dato: eine
Die [1][Kampagne für temporär oder dauerhaft für den Autoverkehr gesperrte
Straßen rund um Schulen] wurde 2022 gestartet. Bislang gibt es in Berlin
mit einem Abschnitt der Singerstraße in Mitte nur eine einzige Schulstraße
– die ist allerdings vom Bezirksamt „teilentwidmet“ worden und damit sogar
dauerhaft autofrei.
„Es wundert uns, dass Berlin, wo immer betont wird, wie wichtig
Verkehrssicherheit ist, hier keine Vorreiterrolle einnimmt“, sagt Holland
zur taz. In vielen europäischen Staaten seien Schulstraßen längst
Normalität, in London etwa gebe es sogar auf 500 Straßen temporäre
Sperrungen für den motorisierten Verkehr. Deutschland mit seiner
autofreundlichen Straßenverkehrsordnung sei zwar grundsätzlich „sehr
langsam bei Veränderungen“, so Holland, aber auch im Rest der Republik
hätten immerhin schon 11 Kommunen Schulstraßen angeordnet.
Die Begründungen der Verkehrsverwaltung im Fall der Pankower Kitas lassen
auch Rückschlüsse darauf zu, wie sie mit den [2][rund drei Dutzend
Tempo-30-Abschnitten auf Hauptstraßen] umgehen wird, die aus Gründen der
Luftreinhaltung angeordnet wurden – und wo demnächst wieder Tempo 50 gelten
soll. Laut Senatorin Schreiner prüft ihre Verwaltung derzeit, wo
schutzbedürftige Einrichtungen an diesen Straßen die Beibehaltung von Tempo
30 rechtfertigen würden.
## Lärm statt Luft
Die Tempo-30-Anordnungen basierten auf der sogenannten 2. Fortschreibung
des Luftreinhalteplans für Berlin, die 2019 unter Schreiners grüner
Vorvorgängerin Regine Günther verabschiedet wurde. Derzeit ist die 3.
Fortschreibung in Arbeit, die voraussichtlich Ende Juni in Kraft treten
wird. Erst auf dieser Grundlage kann die Aufhebung von Tempo 30 angeordnet
werden.
Ebenso in Arbeit befindet sich nach Angaben der Verkehrsverwaltung das
„Tempo 30-Konzept nachts“, mit Ergebnissen sei „im laufenden Jahr zu
rechnen“. Die Straßenabschnitte, auf denen jetzt Tempo 30 zur
Luftreinhaltung gilt, sind demnach auch im Prüfauftrag zum Nacht-Konzept
enthalten, das der Lärmreduktion dienen soll. Es könnte also sein, dass
zumindest zwischen 22 und 6 Uhr dort weiterhin langsam gefahren werden
muss.
28 Feb 2024
## LINKS
[1] /Debatte-um-Schulwegsicherheit-in-Berlin/!5877256
[2] /Aus-fuer-Tempo-30-Abschnitte/!5987226
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Manja Schreiner
Tempo 30
Grundschule
Verkehrswende
Verkehrssicherheit
Manja Schreiner
Schwarz-rote Koalition in Berlin
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