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# taz.de -- Wie ich die Verkehrswende versuchte: Der lange Weg zur Schulstraße
> Hamburgs rot-grüner Senat hat erklärt, dass Schulstraßen künftig
> unkompliziert eingerichtet werden können. Die Wirklichkeit sieht anders
> aus.
Bild: Schulstraßen finden in der Theorie viele gut. In der Praxis müssen sie …
Von der Existenz von Schulstraßen erfuhr ich durch ein Interview, das ich
für die taz führte. Man sperre die Straße zu Schulstoßzeiten für den
Autoverkehr, sagte die Verkehrsexpertin. Das bremse die [1][Elterntaxis]
aus, stattdessen könnten die Schulkinder sicher zu Fuß oder per Rad ans
Ziel kommen. Es klang wie die Lösung für ein Problem, für das bislang
niemand eine Lösung gefunden hat.
Es dauerte noch ein paar Wochen, in denen ich morgens vor der Schule meines
Kindes über die Elterntaxen fluchte, bis ich beschloss, selbst eine auf den
Weg zu bringen. Nun, ein paar Wochen später, kann ich sagen: Es ist mühsam.
Und während man darüber nachdenkt, ob es realistisch ist, dass Eltern jeden
Morgen selbst die Straßensperre aufstellen, stößt man auf ganz andere
Fragen, politisches Großkaliber sozusagen: Versuche ich hier, mein
grünblasiges Einzelinteresse durchzusetzen? Und erwarte ich zurecht, dass
Veränderung leichtgängig ist oder sind das Trumpeske Disruptionsphantasien?
Ich habe [2][den Kampf um eine Schulstraße] lange vor mir hergeschoben,
vielleicht ahnte ich, dass es mühsam sein würde. Eine Mail an den
Elternrat, warten auf die Antwort, Schulferien, neuer Elternrat. Besuch bei
der Elternratssitzung. Das Ergebnis: Die Schule kämpft wie alle Schulen
seit Jahren einen vergeblichen Kampf gegen die Elterntaxen. Eine
Schulstraße, das finden sowohl Schulleitung als auch der Elternrat, wäre
super. Zufällig hatte ich gesehen, dass Schulstraßen auf der Tagesordnung
für die nächste Sitzung des bezirklichen Mobilitätsausschusses standen. Aus
der Schulsitzung ging ich mit dem Mandat, dem Mobilitätsausschuss zu
erklären, dass wir dringend eine Schulstraße haben möchten.
## Elterntaxis setzen sich über Regeln hinweg
Wenn ich an den nächsten Tagen die Elterntaxis vor den
Halteverbotsschildern vor der Schule halten sah, SUV und Kleinwagen,
Kombis, alles dabei, dachte ich: Eure Zeit ist abgelaufen. Ich schlängelte
mich mit meinem Kind zwischen ihnen durch und fragte mich, ob mein Zorn
verhaltnismäßig ist. Die Gleichung ist: umweltfeindliche Verkehrsmittel
gefährden umweltfreundliche Verkehrsmittel. Plus: Es ginge leicht anders,
denn Grundschulkinder werden wohnortnah eingeschult. Plus: Die Elterntaxis
setzen sich über die Regeln hinweg.
Ich sah aus den Augenwinkeln den freundlichen Schulvater, den ich oft in
einem Laden um die Ecke hinter der Theke stehen sehe. Zwei Jahre bin ich
ihm morgens auf dem Rad begegnet, sein Kind hinter ihm auf dem
Gepäckträger. Das Kind schmiegte sich immer an seinen Rücken, deshalb
fielen sie mir auf im morgendlichen neuesteslastenrad-Verkehr rund um die
Schule. Seit kurzem kommt der Vater mit seinem Kind in einem Kleinwagen.
Ich sehe ihn und frage mich, ob der Kampf um eine Schulstraße von vielen
Eltern als das hässliche Gesicht der Klimaschutzbewegung gesehen wird:
moralines Hineinregieren in das Privatleben anderer.
## Verkehrssituation vor der Schule ist katastrophal
Der Mobilitätsausschuss traf sich um sechs. Es war zu kurzfristig gewesen,
um mich als Fragestellerin anzumelden, aber der Vorsitzende ließ mich zu
Wort kommen. Zu Beginn forderte eine Frau, dass in ihrer Straße [3][das
aufgesetzte Parken wieder erlaubt] würde. Die Gehwege seien breit genug,
meinte sie, und die Bäume könnten es vertragen. Ihr Anliegen fand Sympathie
bei rechts und rechtsaußen, die Grünen schmetterten es ab.
Nach drei Stunden war ich an der Reihe, nach dem Tagespunkt, an dem die
Verwaltung dargelegt hatte, dass sie unterbesetzt seien und keine
Bewerber:innen für ihre Stellenausschreibungen fänden. Ich erklärte,
dass die Verkehrssituation vor der Schule katastrophal sei und wir eine
Schulstraße einrichten wollten. Die Antwort war, dass es bereits eine
Pionierschule gebe, bei der man eine Schulstraße einrichten werde. Mehr sei
derzeit nicht zu wollen. Während ich herausging, kam mir ein
Ausschussmitglied hinterher und gab mir seine Karte. Die Antwort gerade sei
wohl eine Enttäuschung gewesen, meinte er. Er habe mit der Pionierschule
den Schulstraßen-Antrag erarbeitet, sagte er, und ich könne ihn gerne
anrufen.
Ich rief an. Er sagte, dass wir auch die anderen Parteien von der
Schulstraße überzeugen müssten. Er fragte, ob wir uns schon bei der Polizei
beschwert hätten und schlug Demos vor. Der Anruf hinterließ mich mit dem
Wunsch nach Disruption. Ich erinnerte mich an die Antwort des rot-grünen
Senats in Hamburg, in der es heißt, dass Schulstraßen künftig
„unkompliziert und rechtssicher“ eingerichtet werden können. Von Demos war
dort nicht die Rede. Ich telefonierte mit einer Mutter, die an der
Pionierschule für die Schulstraße gekämpft hatte. Die Medien tun so, als
bekämen wir sie schon, sagte sie. Aber noch ist nichts entschieden.
Ich ermahnte mich, die Zähigkeit der Angelegenheit sachlich zu sehen. Dass
es hier zäh ist, bedeutet auch, dass es für die anderen zäh ist. Ich bin
Teil einer Lobby, der Schulstraßenlobby, und muss versuchen, meine Kampagne
voranzutreiben. Und es ist müßig, sich zu wundern, dass das Ziel nicht alle
so überzeugt, dass sie von sich aus aktiv werden, trotz Personalmangels.
Die Verkehrsexpertin hatte mir erzählt, dass in Paris die Schulstraßen zum
Teil grüne Oasen geworden seien, wo sich die Nachbarschaft treffe. Ein Bild
davon war in der Online-Schulung „How to schulstraße“ zu sehen. Organisiert
hatte sie [4][kidical mass, ein Bündnis für sichere Kinder- und
Jugendmobilität]. Eine Schulungseinheit ging um die Organisation von Demos
und auf den Bildern dazu war ein Kinderorchester zu sehen, das auf der
Straße vor der Schule spielte. Ich würde keine sehr hohe Wette darauf
eingehen, dass ich noch zur Schulzeit meines Kindes eine Schulstraße
erlebe. Aber ich habe dieses Bild gesehen.
17 Feb 2025
## LINKS
[1] /Aktionen-von-Kidical-Mass-in-Berlin/!5854503
[2] /Endlich-zu-Fuss-zur-Schule/!6038542
[3] /Bundesgericht-zum-Parken-auf-dem-Gehweg/!6040725
[4] https://kinderaufsrad.org/
## AUTOREN
Friederike Gräff
## TAGS
Verkehrswende
Schule
Hamburg
Verkehr
Öffentlicher Nahverkehr
Verkehrswende
Manja Schreiner
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liegt.
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