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# taz.de -- Mobilitätswende gebremst: Parkplatz-Rettung verhindert Schulstraße
> In Hamburg gibt es ein Moratorium zum Abbau von Parkplätzen. Damit stoppt
> Rot-Grün auch laufende Projekte für eine menschenfreundlichere Stadt.
Bild: Platz zum Spielen: fürs Straßenfest gesperrte Rellinger Straße Septemb…
Hamburg taz | Es könnte so schön entspannt zugehen in der Rellinger Straße
im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel. Kleinkinder könnten unbeschwert über die
Straße laufradeln. Klönende Erwachsene könnten auf Bänken sitzend Eis
essen, Erziehungsbeauftragte ihre Kinder sorgenlos zu Fuß zur Schule
bringen. Das alles könnte unter Bäumen stattfinden, ohne Stress – und vor
allem ohne Autos.
So jedenfalls sieht eine Visualisierung des Entwurfs aus für Hamburgs erste
Schulstraße, eine 60 Meter autofreie Zone direkt vor der Grundschule
Rellinger Straße. Geplant ist sie seit Jahren. Jetzt hat der Senat den
Umbau gestoppt und auf unbestimmte Zeit verschoben. Der Grund: die
rot-grüne Regierung und ihr „Masterplan Parken“.
Dieser ist Teil des [1][Koalitionsvertrages, auf den sich SPD und Grüne
Ende April geeinigt haben]. Erklärtes Ziel der Koalitionspartner ist es,
die Parkplatzsituation in Hamburg zu verbessern. Zwar gebe es genug
Parkplätze, diese seien aber nicht richtig auf die Stadt verteilt. Deshalb
will die rot-grüne Regierung erst mal herausfinden, wie viele Autos und
Parkplätze es wo in der Stadt überhaupt gibt.
Bis der Masterplan Parken dann ausklamüsert ist, und das ist der
Knackpunkt, hat die Regierung alle bestehenden Parkplätze unter Artenschutz
gestellt. Kein Parkplatz darf mehr irgendwelchen Umbauarbeiten zum Opfer
fallen. „Parkplatz-Moratorium“ nennt das die Koalition. Von derzeit 31
Parkplätzen in der Rellinger Straße würden nach dem Umbau zur Schulstraße
nur drei bleiben. Also: ein Prüffall.
## Jetzt entscheidet die Behörde
„Für uns heißt das jetzt erst mal Stopp“, sagt Kay Becker, Pressesprecher
des Bezirksamtes Eimsbüttel, das für die Planung der Schulstraße zuständig
ist. Das Bezirksamt sei schon kurz davor gewesen, das Projekt Schulstraße
auszuschreiben. Alle Planungen waren abgeschlossen. Die Bauarbeiten hätten
noch vor den Sommerferien beginnen sollen.
„Wir haben die Schulstraße, wie alle anderen Maßnahmen auch, gemeldet“,
sagt Becker. „Jetzt wird entschieden, ob die Maßnahme durchgeführt werden
kann, umgeplant werden muss oder gar nicht durchgeführt werden kann.“ Wie
lange das dauert, sei aktuell offen.
Durch die Parkplatz-Klausel liegt die Prüfung von Baumaßnahmen, immer wenn
es um Parkplätze geht, nicht mehr in der Hand des Bezirks. Sie wandert zu
den zuständigen Behörden eine Etage weiter oben in der Verwaltung, in dem
Fall zur Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM) und zum Hamburger
Senat. Bisher war unklar, ob auch bereits fertig geplante Projekte wie die
Schulstraße vom im Koalitionsvertrag beschlossenen „Parkplatz-Moratorium“
betroffen sein könnten.
Eigentlich ist die Schulstraße in Eimsbüttel so etwas wie eine Straße von
unten. Sie wurde von einem Bündnis aus dem Elternrat der Grundschule und
der Initiative Kurs Fahrradstadt angestoßen. An dem Projekt wird seit 2023
geplant. In die Planungsphase hat das Bezirksamt Anwohner:innen und
Schüler:innen der Grundschule mit ihren Ideen einbezogen.
Die Schulstraße sollte Platz für einen Fahrradweg bieten, für Sitzbänke,
Bäume, Blumenkästen und dazwischen Platz zum Spielen für die
Grundschulkinder. Anders als viele Schulstraßen soll das Straßenstück nicht
nur zu Schulbeginn und -ende, sondern dauerhaft für Autos gesperrt werden.
Katharina Lepik, Projektleiterin für Kinder- und Jugendmobilität beim
Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Hamburg kritisiert den Stopp des
Umbaus scharf. Die Schulstraße sei nicht nur aus Sicherheitsgründen für die
Schulkinder nötig. Sie erhöhe auch die Aufenthaltsqualität für Anwohnende
und Passant:innen. „Die Straße ist stark beparkt. Sie ist zu Bring- und
Holzeiten mit Elterntaxis verstopft, die Bürgersteige sind schmal und es
gibt wenig Platz“, sagt Lepik.
Auch kritisiert sie den Stopp der Bauarbeiten nach der hohen
Bürger:innenbeteiligung in der Planung. „Der plötzliche Stopp der
Realisierung der Schulstraße ist ein fatales Signal für die
Schüler*innen der Schule Rellinger Straße und für deren
Demokratieverständnis“, sagt Lepik.
Das findet auch der Elternrat der Grundschule. „Es ist sehr viel Herzblut,
Zeit und Geld in diesen Prozess geflossen, in einer ganzen Reihe von
Workshops mit Schüler:innen, Eltern und Anwohnenden“, schreibt eine
Vertreterin des Rates der taz.
Die Hamburger Verkehrsbehörde reagiert auf taz-Anfrage schmallippig. Das
Projekt Schulstraße sei nicht gestoppt, sondern befinde sich in der
Überprüfung. Nach dem Masterplan Parken müssten alle Maßnahmen, die
Parkplätze betreffen könnten, vom Senat und zuständigen Behörden geprüft
werden. Das betreffe folgerichtig auch die Schulstraße.
## Eigentlich will der Senat die Verkehrswende
Wer genau für die Überprüfung zuständig ist, beantwortet die Behörde nicht.
Ebenso wenig will sie sagen, nach welchen Kriterien überprüft wird. Der
Behörde sei allerdings bewusst, dass es sich hier um eine Maßnahme zur
Verbesserung der Sicherheit auf Schulwegen handelt.
Dass die rot-grüne Regierung Hamburgs eine grüne Verkehrswende will, hat
sie schon Ende 2023 im Zehn-Punkte-Papier „Strategie [2][Mobilitätswende]“
beschlossen. Zu den Zielen gehört auch der Ausbau der Infrastruktur für
Fuß- und Radverkehr und mehr „Schulwegesicherheit“.
Zu der können Schulstraßen wesentlich beitragen, schreibt die
[3][Initiative „Zu Fuss zur Schule“], die sich bundesweit für die
Einrichtung von Schulstraßen einsetzt. Auch für das Klima hätten
verkehrsberuhigte Zonen Vorteile. [4][Studien] weisen darauf hin, dass
schon kleine [5][verkehrsberuhigte Gebiete in Städten] zu einem Rückgang
von Emissionen beitragen. Dabei [6][gelten Städte wie Paris und Barcelona
als Positivbeispiele], weil es dort nicht nur viele Fahrradwege, sondern
auch autofreie Zonen gibt.
Ob Hamburg noch seine erste ganz autofreie Schulstraße bekommt, ist aktuell
offen. Der Elternrat der Grundschule Rellinger Straße gibt die Hoffnung
nicht auf. „Wir hoffen sehr, dass die Straße doch noch umgebaut wird.“
12 Jun 2025
## LINKS
[1] https://www.gruene-hamburg.de/wp-content/uploads/2025/04/Koalitionsvertrag-…
[2] /Mobilitaetswende-in-Hamburger-Bezirken/!6055110
[3] https://www.zu-fuss-zur-schule.de/mitmachen/politischer-werden/schulstrassen
[4] https://www.isi.fraunhofer.de/content/dam/isi/dokumente/sustainability-inno…
[5] /Studie-zu-Autos-in-der-Stadt/!5945157
[6] /Verkehrswende-in-Staedten/!6008426
## AUTOREN
Amira Klute
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