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# taz.de -- FDP blockiert schon wieder ein Gesetz: Alarm um den gelben Sack
> Offenbar plant Finanzminister Lindner wieder, auf den letzten Metern ein
> EU-Gesetz zu verhindern. Diesmal geht es um neue Vorgaben für
> Verpackungen.
Bild: Verpackt in gelbe Säcke, wartet der gesammelte Plastikmüll auf seine Wi…
Berlin/Rom taz | Unternehmen und Wirtschaftsverbände kritisieren
Finanzminister Christian Lindner (FDP) für einen Deal, den dieser offenbar
mit der italienischen Regierung plant. Demnach hat Lindner laut einem nicht
dementierten Bericht von Table Media abgesprochen, die Verpackungsverordung
der EU zu blockieren, wenn die Regierung Italiens dafür hilft, [1][das
EU-Lieferkettengesetz zu verhindern].
Die Verpackungsverordnung wird derzeit in einem Trilogverfahren zwischen
Rat, Parlament und Kommission abschließend verhandelt. Sie macht unter
anderem europaweite Vorgaben über die Recyclingfähigkeit von Verpackungen,
schreibt Quoten für Mehrwegflaschen oder den Einsatz von Recyclingmaterial
in Plastikverpackungen vor. [2][Damit will die EU den wachsenden Berg von
zuletzt fast 85 Millionen Tonnen Verpackungsmüll jährlich abtragen.]
Auf europaweite Regeln dafür warten Unternehmen dringend. „Wer den
europäischen Markt beliefert, braucht einheitliche Gesetze“, sagt Timothy
Glaz. Er ist Leiter Corporate Affairs des Mainzer Mittelständlers Werner &
Mertz, der für Marken wie Frosch und Erdal bekannt ist. „Kommt die
Verpackungsverordnung nicht, müssen wir weiter mit viel Bürokratie und
hohen Kosten arbeiten“, so Glaz. Um die Innovations- und
Investitionsbereitschaft der Verpackungs- und Konsumgüterindustrie auf den
europäischen Märkten zu erhalten, brauche es „schnell gesamteuropäische
Regeln“. Gerade der Mittelstand brauche Planungssicherheit.
„Ein Scheitern dieser Verordnung wäre ein herber Rückschlag für eine
innovative Branche, die aktuell mit einem wahren Flickenteppich an Vorgaben
konfrontiert ist“, sagt auch Carl Dominik Klepper, Vorsitzender der
Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt (AGVU). In der AGVU vereinen sich
große Unternehmen und Verbände der Lebensmittel- und Konsumgüter- und
Recyclingbranche, etwa Aldi Süd, Coca Cola, Ferrero und der Grüne Punkt.
Die Verpackungsverordnung dürfe keinesfalls zum Spielball politischer
Interessen werden, so Klepper.
## „Nicht im Interesse der Umwelt“
Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft BDE sieht die Branche
in „Alarmstimmung“ und hat Lindner am Mittwoch einen offenen Brief
geschickt. Demnach liege es „nicht im Interesse der Umwelt, des
Europäischen Binnenmarktes, der europäischen Verbraucher und vor allem
nicht im Interesse der deutschen Recyclingwirtschaft“, die
Verpackungsverordnung zu blockieren.
Das sieht die italienische Regierung anders. In Rom stößt man sich vor
allem daran, dass die Normen zur Wiedernutzung von Verpackungen deutlich
verschärft und bestimmte Einmalverpackungen verboten werden sollen. In
italienischen Supermärkten finden sich häufig in Plastik abgepackte, zum
Konsum bereite Salatmischungen, die einfach in die Schüssel gegeben werden
müssen, während die Verpackung im Müll landet. Statt auf „riuso“ – ern…
Nutzung – setze man in Italien eben auf „riciclo“ – Recycling – heiß…
Mehrweglösungen sind beim Leergut kaum präsent, Mineralwasser wird in
Plastiklaschen gekauft. Die Flasche kommt in den Abfall, genauso wie
Getränkedosen. Pfandsysteme, ob bei Glas, Metall oder Plastik, gibt es
nicht.
Dafür rühmt sich das Land seiner hohen Recyclingquoten. Pro Jahr entstehen
2,3 Millionen Tonnen Plastikmüll, davon werden 1,26 Millionen Tonnen per
Mülltrennung erneuter Verwertung zugeführt. 11 Milliarden Euro habe Italien
in den Jahren 2002 bis 2021 fürs Recycling investiert, beklagt die
EP-Abgeordnete Silvlia Sardone von der rechtspopulistischen Lega, die in
Rom die Regierung unter Giorgia Meloni mitträgt.
Mehr noch: Das Verbot von Einwegverpackungen berge Hygienerisiken. Und der
Landwirtschaftsverband Coldiretti beschwert sich, es drohe ein die
Volksgesundheit bedrohender Rückgang des Verbrauchs von Obst und Gemüse,
wenn die Produkte nicht verzehrfertig in Plastik eingehüllt werden dürften.
Aber es ist keineswegs nur Italiens Rechte, die sich gegen die
EU-Verordnung stellt. Auch Achille Variati, EP-Abgeordneter der gemäßigt
linken Partito Democratico, will vom Umswitchen weg von Einmal- hin zu
Mehrwegpackungen nichts wissen.
Er behauptet, Mehrweg sei umweltschädlich, „wegen des hohen
Wasserverbrauchs“. Auch künftig will das Land laut Umweltminister Gilberto
Pichetto Fratin, der von einem „erfolgreichen italienischen Modell“
spricht, weiter auf Recycling setzen. Schließlich ist von einem
Wirtschaftssektor die Rede, der 236.000 Menschen beschäftigt und eine
Wertschöpfung von jährlich 10.5 Milliarden Euro aufweist.
Die nächste, vermutlich finale Verhandlungsrunde im Trilogverfahren ist auf
den 4. März terminiert. Danach müssen dem Gesetzestext Rat und Parlament
zustimmen. Inhaltlich zuständig in der Bundesregierung ist Umweltministerin
Steffi Lemke (Grüne). [3][Zuletzt hatten FDP-geführte Ministerien aber
immer wieder EU-Vorhaben auf den letzten Metern gestoppt.]
23 Feb 2024
## LINKS
[1] /EU-Lieferkettengesetz/!5989125
[2] /Pfand-auf-Joghurtdrinks/!5981799
[3] /Abstimmung-ueber-EU-Lieferkettengesetz/!5987552
## AUTOREN
Michael Braun
Heike Holdinghausen
## TAGS
FDP
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