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# taz.de -- Fachkräftemangel in der Pflege: Leiharbeit als letzte Rettung
> Arbeit auf Abruf ist in vielen Branchen ein Synonym für Ausbeutung. Für
> die Pflegerin Uschi Hoppe-Elsner ist Zeitarbeit ein Ausweg aus dem
> Hamsterrad.
Bild: Kennt die Festanstellung und die Zeitarbeit: Uschi Hoppe-Elsner im Januar…
Hamm und Berlin taz | Uschi Hoppe-Elsner tritt aufs Gaspedal ihres weißen
Seats, sie wirft immer wieder einen Blick auf das Navigationsgerät, während
sie durch die Straßen von Hamm düst. „War anstrengend letzte Nacht“, sagt
sie. Ihre letzte Schicht liegt ein paar Stunden hinter ihr. Bis in die
Morgenstunden hat sie in einer Einrichtung in Bielefeld ausgeholfen, als
Leiharbeiterin. Das bedeutet: Sie bekam abends zu Schichtbeginn einen
Übergabezettel in die Hand gedrückt, mit Informationen zu Bewohner*innen,
die sie nicht kennt, in einem Haus, das sie nicht kennt – und dann ging es
los: Personen umlagern, Inkontinenzvorlagen wechseln, etwas zu trinken
geben, Insulin spritzen, Tabletten verabreichen, sich um Post kümmern. Bis
der Morgen anbricht.
„Normalerweise sind dort sieben Pflegekräfte auf den Stationen, aber
diesmal waren wir mit mir zu viert“, sagt sie und klingt routiniert.
Unterbesetzung ist sie gewohnt. Am Abend fährt sie wieder hin, die
Einrichtung in Bielefeld ist etwa eine Stunde von Hamm entfernt. Nach der
Schicht ist vor der Schicht. Aber gerade ist Hoppe-Elsner im Dazwischen.
In einem Café in Hamm bestellt sie sich einen frisch gepressten
Orangensaft. Es ist ein Zwischenstopp nach der Arbeit in Bielefeld und
ihrem zu Hause in Werne. Sie trägt ein schwarzes Shirt mit Cut-outs an den
Schultern. Geschlafen hat sie nach ihrer Schicht nicht, aber die Müdigkeit
sieht man ihr nicht an.
Hoppe-Elsner kramt ein Papier aus ihrer Handtasche, eingepackt in
Klarsichtfolie. Es ist ihr Prüfungszeugnis als ausgebildete
Krankenpflegerin, datiert auf den 10. September 1984. Seitdem arbeitet sie
in der Pflege. Bis 1993 im Krankenhaus, später in der Altenpflege, weil sie
das Sterben von jungen Menschen nicht gut erträgt.
Zählt man die Ausbildungszeit dazu, dann pflegt Hoppe-Elsner seit 43
Jahren. „Ich kenne noch die gute Pflege“, sagt die 60-Jährige.
## Das System macht krank
Hoppe-Elsner ist langjährige Zeugin eines Systems, das durch
Einsparungsdruck und Profitstreben [1][an den Rand des Kollapses geführt]
wurde. „Es gab Zeiten, da haben wir im Altenheim mit Bewohnern noch
Mensch-Ärger-Dich-nicht gespielt.“ Sie lacht. „Das kann man sich heute gar
nicht mehr vorstellen! Aber dann fing man in den neunziger Jahren an zu
sparen, bis es irgendwann nicht mal mehr ‚satt und sauber‘ gab.“
Hoppe-Elsner blieb trotz allem in ihrem Beruf. „Ich hab immer gesagt, ich
würde diesen Job auch umsonst machen, wenn ich meine Miete nicht bezahlen
müsste.“ Doch irgendwann wurde es auch ihr zu viel.
Vor vier Jahren kündigte Hoppe-Elsner ihre Festanstellung in einem Heim, in
dem sie 26 Jahre lang gearbeitet hatte. Damals hatte sie in einer
Nachtschicht plötzlich einen Blutdruck von 210 zu 180. Ihr Körper machte
nicht mehr mit. Die Hausärztin schrieb sie für vier Wochen krank.
Dieser Moment war ein Wendepunkt in Hoppe-Elsners Leben. Sie überlegte, ob
sie die Pflege verlassen und etwas ganz anderes machen soll. Ihr Plan B:
Irgendetwas entrümpeln. Oder Assistentin werden in der Pathologie, wie beim
„Tatort“, auf jeden Fall nichts mehr mit Lebenden.
Am Ende entschied Hoppe-Elsner sich dennoch, in der Pflege zu bleiben, aber
unter anderen Voraussetzungen. Sie formuliert es so: „Ich habe mich in die
Zeitarbeit gerettet. Ich wollte nicht mehr fester Teil dieser permanenten
Menschenrechtsverletzung sein.“ Und so wurde sie zu einer Pflegerin, die
mit ihrem Dienstwagen quer durch die Republik fährt. Dorthin, wo der
Pflegenotstand besonders groß ist. Bielefeld, Hamburg, Kiel. „Aber meistens
NRW.“ Die Hotelkosten übernimmt die Zeitarbeitsfirma. Wie lange sie an
einem Ort bleibt, hängt vom jeweiligen Auftrag ab.
Zeitarbeit ist das Gleiche wie Leiharbeit. In der Pflege wird sie von
vielen als großes Übel gesehen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft
brachte im Februar 2023 sogar ein Verbot der Leiharbeit als Ultima ratio
ins Spiel. So weit geht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
nicht. Aber auch er will Leiharbeit möglichst eindämmen.
## Besser bezahlt als in Festanstellung
Seit der jüngsten Pflegereform, die seit Juli 2023 gilt, können die
Pflegeeinrichtungen die Zusatzkosten für Leiharbeiter:innen nicht mehr
über die Kassen abrechnen. Das war auch vorher nicht immer möglich. Doch
bis zu diesem Zeitpunkt war laut Bundesgesundheitsministerium „die
Berücksichtigung entsprechender Aufwendungen im Rahmen der
Vergütungsvereinbarungen“ sehr unterschiedlich geregelt. Um die Abwanderung
in die Leiharbeit zu stoppen, sollen zudem Ausfallkonzepte und
Springerpools von Einrichtungen besser finanziell unterstützt werden.
„Wenn Zeitarbeit in der Pflege nicht mehr möglich ist, höre ich ganz auf“,
sagt Hoppe-Elsner beim Treffen mit der taz im September. Da weiß sie noch
nicht, dass ihr Mann im Dezember schwer erkranken wird, und es doch ganz
anders kommt, als sie sich das vorstellt.
Hoppe-Elsners Geschichte erzählt nicht nur das Einzelschicksal einer
Krankenpflegerin. Es ist eine Geschichte über das Dilemma, in das sich die
Pflegepolitik der vergangenen Jahrzehnte manövriert hat. Privatisierungen
und Einsparungen haben die Pflege, egal ob im Krankenhaus oder der
stationären Altenpflege, in einen Trümmerhaufen verwandelt.
Pfleger*innen schmeißen hin. Immer weniger junge Menschen entscheiden
sich für die Ausbildung. [2][Gleichzeitig wächst der Bedarf]. Die
Gesellschaft altert. Es ist ein selbst zersetzendes System, in dem sogar
die Regeln der Leiharbeit auf den Kopf gestellt wurden.
In vielen Branchen ist Leiharbeit ein Synonym für Ausbeutung, beliebt bei
Unternehmen, die keine Lust haben, vernünftige Tariflöhne zu zahlen und
sich maximale Flexibilität erhalten wollen. In der Pflege ist das anders.
Ein Unterschied: Die Pflegekräfte in der Zeitarbeit werden besser bezahlt
als Festangestellte, viel besser. Den Großteil des Profits machen zwar die
Zeitarbeitsfirmen, aber für die Pflegekräfte rentiert sich das dennoch.
„Ich verdiene jetzt doppelt so viel“, sagt Hoppe-Elsner. Das liege auch
daran, dass sie grundsätzlich nur die unbeliebten Nachtschichten arbeitet,
die bei ihrer Zeitarbeitsfirma besonders gut vergütet werden. Und sie
arbeitet bundesweit. Es gehe ihr aber um viel mehr – um Wertschätzung,
Selbstbestimmung und „vor allem Ruhe“. Keine Anrufe im Urlaub oder am
eigentlich freien Wochenende. Im Pflegejargon heißt das: „Aus dem Frei
holen.“ Jede Pflegekraft kennt das. Es gehört zum Alltag in diesem
Berufsfeld, in dem immer noch überwiegend Frauen arbeiten.
## Symptom schlechter Bedingungen
Ursprünglich war Leiharbeit nur dazu gedacht, Belastungsspitzen
auszugleichen. Aber nun wird sie bei Pflegenden immer beliebter. Im
Zeitraum von 2017 bis 2022 gab es einen Anstieg um 46 Prozent (siehe
Infokasten). Dennoch bewegt sich das Phänomen Leiharbeit in der Pflege noch
in einem sehr niedrigen Prozentbereich. Insgesamt arbeiteten 2022 nur 2,3
Prozent aller Beschäftigten in Gesundheits- und Pflegeberufen in der
Zeitarbeit. Warum also der große Aufschrei?
„Leiharbeit in der Pflege ist letztlich ein Symptom für die schlechten
Arbeitsbedingungen und den Personalmangel“, sagt Matthias Gruß am Telefon,
der bei der Gewerkschaft Verdi für den Bereich Altenpflege zuständig ist.
Viele Pflegekräfte, die sich für eine Zeitarbeitsfirma entscheiden, würden
gehen, „weil sie dort besser verdienen und sie die Vereinbarkeit von Beruf
und Familie besser hinbekommen“. Sie könnten selbst entscheiden, wann sie
arbeiten, wann sie Urlaub machen, welche Schichten sie übernehmen. „Das
kann man ihnen nicht vorwerfen. Es ist für einige eine Exit-Option aus den
unerträglichen Zuständen“, sagt Gruß. Ein Verbot sei deshalb keine Lösung.
Dennoch ziehe diese Entwicklung „auch eine Reihe von Problemen nach sich“.
Leiharbeit sei nicht nur sehr teuer für die Einrichtungen, sie bringe auch
Unruhe in die Teams. „Es ist nicht förderlich für die Stimmung, wenn die
Stammbelegschaft weiß, da ist jemand, der bekommt mehr Geld für die gleiche
Arbeit.“ Zudem basiere gerade Pflege auf Vertrauensarbeit. „Ständige
Fluktuation ist für die Bewohner*innen nicht gut“, sagt Gruß.
Einer, der diese Entwicklung sehr kritisch beäugt, ist Christian Mayer.
Seit April 2023 ist er einer von zwei operativen Geschäftsführern der
[3][Alloheim-Gruppe, einem der größten kommerziellen Pflegeanbieter in
Deutschland] mit rund 260 stationären Einrichtungen. Insbesondere beim
Thema Leiharbeit hatte er sich von der letzten Pflegereform mehr erhofft.
In der Coronapandemie seien immer mehr Pflegekräfte in die Zeitarbeit
gewechselt, und zurzeit gäbe es einen sich verstärkenden Mechanismus.
„Zeitarbeit führt der Stammbelegschaft vor Augen, dass es eine andere Art
der Arbeitsweise geben kann, die wirtschaftlich attraktiver ist und mehr
Flexibilität bei der Dienstplanung ermöglicht“, sagt Mayer bei einem
Videogespräch. Für die Einrichtungen sei das „natürlich ein Problem. Denn
Zeitarbeiter sind sehr viel teurer.“
Der Personalmangel in der Pflege stellt viele Einrichtungen vor große
Herausforderungen, egal ob gemeinnützige oder kommerzielle. Gibt es zu
wenig Pflegepersonal, müssen sie entweder Plätze abbauen oder teure
Leihkräfte bezahlen. Im Fall von Alloheim heißt das: Letzteres. „Für uns
ist es auf jeden Fall wichtiger, keine Kapazitäten runterzufahren“, sagt
Mayer. Das könnten große Ketten meist besser abfangen als
Einzeleinrichtungen. Bei der Alloheim-Kette gibt es laut Mayer im Schnitt
etwa 2,5 Prozent Leiharbeiter*innen, also eine ähnliche Größenordnung wie
im bundesdeutschen Trend. Doch regional gibt es große Unterschiede. 60
Prozent der Alloheim-Einrichtungen griffen gar nicht auf Zeitarbeit zurück.
In Berlin liege der Prozentsatz aber bei 9 Prozent, an manchen Orten sogar
noch höher. Derzeit versuche man intern auszuwerten, warum es in manchen
Einrichtungen besser laufe als in anderen, erklärt Mayer. Denn die
Gehaltsstruktur mit Tariflöhnen sei überall vergleichbar.
Dass mit der jüngsten Pflegereform sogenannte Springerpools oder
Ausfallkonzepte unterstützt werden, sei nur teilweise hilfreich. „Zwei
Drittel der Zeitarbeit brauchen wir nicht, um Belastungsspitzen oder
Krankheitswellen auszugleichen, sondern einfach wegen der herausfordernden
Lage bei der Stammbelegschaft “, sagt Mayer.
Mit der Pflegereform gäbe es nun „mehr finanziellen Spielraum, um
Springerdienste zu vergüten, aber nach dem Einspringen geht der Mitarbeiter
in der Regel ins Frei und fehlt dann an anderer Stelle im Dienstplan.“ Den
Festangestellten würde vor allem „eine höhere Flexibilität bei der
Dienstplangestaltung helfen. Aber mehr Flexibilität kann man sich nur dann
leisten, wenn man genug Leute hat.“ Was im Prinzip heißt: Das Problem des
Personalmangels bleibt.
## Mehr Arbeit, weniger Zeit und Personal
Mayer hatte deshalb gehofft, dass die Pflegereform tiefer in den
grundsätzlichen Mechanismus eingreift, um ein Abwandern in die Zeitarbeit
zu stoppen. Etwa mit einem Equal-Pay-Ansatz. Damit meint er nicht, dass das
Stammpersonal so viel verdienen sollte wie die Zeitarbeiter*innen, sondern
umgekehrt. Mayer könnte sich aber auch eine gesetzliche Obergrenze bei der
Zeitarbeit vorstellen. „Zum Beispiel ein jährlich bestimmter Prozentsatz,
der für eine Einrichtung gilt. Das würde vermutlich dazu führen, dass
Personal wieder zurück in die Festanstellung wechselt.“
Doch ob das wirklich so wäre, ist fraglich. Eine [4][Kurzstudie des
Instituts der deutschen Wirtschaft Köln] aus dem April 2023 hat rund 4.000
Zeitarbeiter*innen im Gesundheits- und Pflegebereich befragt. Nur 18
Prozent der Befragten gaben an, wieder in Festanstellung zu gehen, wenn
Leiharbeit eingeschränkt wird. Dagegen gaben 55 Prozent an, in einen
anderen Tätigkeitsbereich wechseln zu wollen, und 11 Prozent wollten in
diesem Fall ihre Erwerbstätigkeit ganz aufgeben.
Für Uschi Hoppe-Elsner war der Weg zur Zeitarbeit ein schleichender
Prozess. Die letzten fünf Jahre bevor sie in die Zeitarbeit wechselte, habe
sie sich bei der Arbeit nur noch gequält. „Ich bin den Bewohnern nicht mehr
gerecht geworden“, erzählt sie. Sie sei ungeduldig geworden. Dabei war ihr
Anspruch immer: So pflegen, wie man selbst gepflegt werden möchte.
„Ich war die, die nachts noch eine Bananenmilch oder eine Suppe warm macht,
wenn es irgendwen glücklich macht“, sagt Hoppe-Elsner, „auch weil es
einfach schön ist, wenn sich ein alter Mensch freut“. Doch der Alltag wurde
über die Zeit immer dichter, schneller, mehr Arbeit in weniger Zeit mit
weniger Personal. „Ich hatte so viel zu tun, dass mir irgendwann jeder
Extrawunsch wie eine zusätzliche Belastung vorkam.“
Damit war sie offenbar nicht allein. „Manche Kolleginnen kamen morgens
schon an und haben vor Erschöpfung geweint. Unter diesen Umständen denke
ich: Als Zeitarbeiterin kann ich manchen Leuten für eine kurze Zeit etwas
Gutes tun. Und den Kolleginnen vielleicht auch etwas von meiner Erfahrung
dalassen.“
## Sieben Nachtdienste mit Karl Lauterbach
Hoppe-Elsner arbeitet immer sieben Nächte am Stück, insgesamt 70 Stunden,
dann hat sie eine Woche frei. In ihrer Freizeit fährt sie gern nach Berlin,
um sich Spiele ihres Lieblingsfußballvereins Hertha BSC anzusehen,
natürlich in der Fankurve.
Überhaupt ist sie gern unterwegs. Was auch eine Grundvoraussetzung für
Zeitarbeit ist. Das sei nicht für jeden etwas, sagt sie: „Es erfordert ein
hohes Maß an zeitlicher und innerer Flexibilität.“
Immer wieder neue Orte, neue Einrichtungen, neue Umgebungen, neue
Kolleg*innen, neue Patient*innen. „Du darfst kein Mensch sein, der drei
Tage Einarbeitung braucht. Du bist da, weil es brennt.“ Bis zu 18 Monate am
Stück darf man als Leiharbeiterin in einer Einrichtung arbeiten.
Frust von der Stammbelegschaft hat Hoppe-Elsner noch nie zu spüren
bekommen. Im Gegenteil, oft hält sie den Kontakt zu Kolleg*innen. Immer
wieder wird sie von ihnen angesprochen, wie es denn so sei in der
Zeitarbeit. Neulich habe sich eine verzweifelt an sie gewendet: „Ich bin
nur noch aggressiv, zu Hause und bei der Arbeit.“ Hoppe-Elsner riet der
Frau eindringlich, den Job so nicht weiter zu machen. Sie schüttelt den
Kopf. Sie treffe immer wieder auf Leute, die schon über 200 Überstunden
gesammelt haben, die sie vermutlich nie ausgleichen können. Es ist die
Dokumentation des Pflegenotstands.
Am liebsten würde Hoppe-Elsner Gesundheitsminister Karl Lauterbach sieben
Nächte lang auf ihre Schichten mitnehmen. „Ich würde ihm gern zeigen, wie
das ist, wenn man für einen Bewohner für eine ganze Nacht nur eine
Inkontinenzvorlage hat, weil eine zweite von den Kassen nicht bezahlt
wird“, sagt sie. Früher, als man noch Zeit in der Pflege gehabt habe, habe
man biografieorientiert gearbeitet.
## Es kommt anders als gehofft
„Wir haben Angehörige gefragt, was die Person gerne isst, was sie gerne
mag, wir haben versucht, es den Menschen so schön wie möglich zu machen.
Heute ist für so etwas kein Budget da.“ Es müsse gegessen werden, was da
ist. Es werde alles fremdbestimmt. „Alte Menschen müssen sich heute einfach
fügen.“ Die Leute würden oft abends „ins Bett gebracht, obwohl sie
vielleicht rumlaufen wollen.“ Bei ihr müsse das niemand tun. „Im Altenheim
kann man doch auch noch nach dem Frühstück schlafen.“
Als Hoppe-Elsner sich im September verabschiedet, weiß sie noch nicht, dass
sie entgegen ihrer Vorstellung, doch bald wieder in eine Festanstellung
gehen muss. Ende 2023 erkrankt ihr Mann, und Uschi Hoppe-Elsner sieht sich
gezwungen, die Leiharbeit aufzugeben. Sie arbeitet nun in einem Altenheim
in der Nähe, sieben Kilometer von ihrem Zuhause entfernt. Sie kann ihren
Mann nicht für sieben Nächte am Stück allein lassen und mit ihrem
Dienstwagen durch ganz Deutschland fahren. „Nur Leiharbeit-Dienste im
Umkreis funktioniert leider nicht“, sagt sie im Januar am Telefon. „Ich
musste schnell entscheiden: arbeitslos oder Festanstellung.“ Sie habe eine
nette Leitung, nette Kolleginnen. „Aber am System hat sich nichts
verändert.“
Uschi Hoppe-Elsner pflegt jetzt bei der Arbeit, und sie pflegt zu Hause
ihren Mann. „Eigentlich bin ich am Ende meiner Kräfte“, sagt sie. Manchmal
ertappt sie sich beim Gedanken, einfach im Supermarkt anzufangen. Lager
einräumen, Waren über das Band ziehen. „Bei der Zeitarbeitsfirma bin ich
weiterhin geringfügig beschäftigt“, sagt sie. Es klingt wie eine leise
Hoffnung.
20 Feb 2024
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## AUTOREN
Jasmin Kalarickal
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