# taz.de -- Nach Tod von drei US-Soldaten: Luftangriffe auf proiranische Milizen | |
> Eine neue Eskalation im Nahen Osten: Das US-Militär verübt in der Nacht | |
> zum Samstag Vergeltungsschläge gegen 85 Ziele in Irak und Syrien. Weitere | |
> sollen folgen. | |
Bild: Eine als Tower 22 bekannte US-Militärbasis im Nordosten Jordaniens. US-B… | |
WASHINGTON dpa | Tagelang ließen die USA mit ihrer angekündigten Vergeltung | |
auf sich warten. In der Nacht zum Samstag schlug das US-Militär dann zu. 30 | |
Minuten lang feuerten amerikanische Streitkräfte nach eigenen Angaben aus | |
der Luft auf mehr als 85 Ziele an 7 Standorten im Irak und Syrien: auf | |
Kommandozentralen, Geheimdienststandorte und Waffenlager, die demnach von | |
der iranischen Revolutionsgarde (IRGC) und mit ihnen verbundenen Milizen | |
genutzt wurden. Die Serie an Luftschlägen bedeutet eine neue Eskalation im | |
Nahen Osten – auch wenn die Amerikaner bewusst darauf verzichteten, Ziele | |
im Iran selbst anzugreifen. Doch US-Präsident Joe Biden macht klar: Dies | |
ist nur der Anfang. | |
Am vergangenen Sonntag waren bei [1][einem Drohnenangriff proiranischer | |
Milizen] in Jordanien drei amerikanische Soldaten getötet und zahlreiche | |
weitere verletzt worden. Am Freitag wurden die Leichname in die USA | |
überführt. Auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Dover im Bundesstaat Delaware | |
erwies Biden ihnen die letzte Ehre. Knapp zwei Stunden später begannen | |
Tausende Kilometer entfernt die Luftschläge im Irak und in Syrien. Das | |
US-Militär betonte, das Timing sei Zufall. Der Zeitpunkt der Luftschläge | |
habe sich allein nach militärischen Überlegungen gerichtet – nach günstigen | |
Wetterbedingungen. | |
Biden hatte direkt nach der Attacke in Jordanien mit Vergeltung gedroht, | |
sich mit dem Wie und Wo aber Zeit gelassen. Er stand vor der schwierigen | |
Aufgabe, eine Balance zu finden: Die von Teheran unterstützten Kräfte in | |
der Region abzuschrecken, ohne dabei noch härtere Reaktionen zu | |
provozieren; Stärke zu demonstrieren und möglichst den Tod weiterer | |
US-Soldaten zu verhindern, ohne die Lage im Nahen Osten komplett zu | |
eskalieren und einen Krieg mit dem Iran zu riskieren. Ob ihm der Balanceakt | |
gelungen ist, muss sich zeigen. | |
## Die Gefahr eines neuen Krieges | |
Dass die Angriffe proiranischer Gruppen nach der Militäraktion der USA ganz | |
aufhören könnten, ist unwahrscheinlich. Gefährlich werden könnte es | |
besonders dann, wenn durch eine weitere Attacke von Milizen – vielleicht | |
auch durch schlechte Planung und Ausführung – weitere US-Soldaten getötet | |
würden. Dann wäre im nächsten Schritt ein direkter Angriff auf Irans | |
Revolutionswächter denkbar – und damit eine dramatische Ausweitung des | |
Konflikts. | |
Der Iran und die USA standen in der Vergangenheit immer wieder am Rande | |
eines Krieges. Im Januar 2020 – unter dem damaligen Präsidenten Donald | |
Trump – töteten die USA den mächtigen iranischen General Ghassem Soleimani | |
sowie den irakischen Milizenführer Abu Mahdi Al-Muhandis bei einem | |
Drohnenangriff in Bagdad. Es folgten Wochen militärischer Spannungen. Je | |
tiefer die USA nun in die neuen Konfrontationen mit dem Iran und dessen | |
Verbündeten gezogen werden, desto größer ist die Gefahr, dass diese eine | |
Eigendynamik entwickeln – unabhängig vom Gaza-Krieg, auch wenn dieser der | |
Auslöser war. | |
Seit dem Beginn des Gaza-Krieges zwischen Israel und der islamistischen | |
Hamas im Oktober artet die Lage im Nahen Osten zunehmend aus. Während | |
Israel die Hamas im Gazastreifen bekämpft, kommt es in der | |
israelisch-libanesischen Grenzregion fast täglich zu Angriffen zwischen | |
Israel und der Hisbollah. Gleichzeitig tyrannisiert die [2][jemenitische | |
Huthi-Miliz] aus Solidarität mit der Hamas die internationale | |
Container-Schifffahrt im Roten Meer. Alle drei Gruppen – Hamas, Hisbollah | |
und Huthi – sind eng mit dem Iran verbunden. Und der Gaza-Krieg wird mehr | |
und mehr zu einem Schattenkonflikt nicht nur zwischen Israel und dessen | |
Erzfeind Iran, sondern auch zwischen Washington und Teheran. | |
Die USA – als engster Verbündeter Israels – [3][gerieten in den vergangenen | |
Wochen selbst verschärft ins Visier proiranischer Milizen]. Die Attacke in | |
Jordanien war nur der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Serie von | |
Anschlägen auf amerikanische Ziele in der Region. Seit dem Beginn des | |
Gaza-Krieges gab es mehr als 160 Attacken auf US-Kräfte im Irak und Syrien. | |
Die USA reagierten bereits zuvor mit Luftschlägen in beiden Ländern. Doch | |
mit dem Tod der drei Soldaten in Jordanien nahe der syrischen Grenze wurde | |
eine neue Dimension erreicht. Biden stand unter großem Druck, nun härter | |
als zuvor zurückzuschlagen. | |
## Druck auf Biden in der Heimat | |
Der Demokrat steckt mitten im Wahlkampf für eine zweite Amtszeit. | |
Republikaner – allen voran Bidens Amtsvorgänger und voraussichtlicher | |
Herausforderer bei der nächsten Präsidentenwahl im November, Donald Trump – | |
[4][warfen dem Präsidenten zuletzt Schwäche vor und forderten ihn auf, | |
endlich durchzugreifen]. Scharfmacher wie der republikanische Senator | |
Lindsey Graham verlangten sogar einen US-Angriff auf iranischem Boden. Das | |
wäre der drastischste und wohl folgenreichste Schritt gewesen. Biden | |
entschied sich dagegen. | |
Allerdings macht er klar, dass noch mehr kommen wird. „Unsere Reaktion hat | |
heute begonnen. Sie wird fortgesetzt zu Zeiten und an Orten unserer Wahl“, | |
erklärte er nach den Luftschlägen im Irak und Syrien. Hochrangige | |
US-Regierungsvertreter hatten bereits vorab angekündigt, die Vergeltung | |
werde in mehreren Schritten über einen gewissen Zeitraum hinweg erfolgen. | |
Wann, wo und wie die Amerikaner als nächstes zuschlagen, dürfte auch davon | |
abhängen, was der Iran und dessen verbündete Milizen nun tun. | |
„Die Vereinigten Staaten streben keinen Konflikt im Nahen Osten oder | |
irgendwo sonst in der Welt an“, betonte Biden. „Aber all jene, die uns | |
Schaden zufügen wollen, sollen dies wissen: Wenn Sie einem Amerikaner | |
Schaden zufügen, werden wir darauf reagieren.“ | |
US-Außenminister Antony Blinken bezeichnete die Lage im Nahen Osten vor | |
wenigen Tagen als so gefährlich wie seit einem halben Jahrhundert nicht | |
mehr. Der US-Regierung ist es trotz atemloser Diplomatie und diverser | |
Militäraktionen gegen die Huthi und andere proiranische Gruppen in der | |
Region nicht gelungen, die Spannungen einzudämmen. Im Gegenteil. Mit jeder | |
neuen Eskalation wächst die Sorge, dass ein Flächenbrand in der Region | |
nicht mehr abzuwenden ist. Bidens Regierung wiederholt zwar seit Wochen, | |
die USA wollten keine Ausweitung des Konflikts und vor allem keinen Krieg | |
mit dem Iran. Doch die Gefahr ist da. | |
3 Feb 2024 | |
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