# taz.de -- US-Rolle in Nahost: Biden in der Bredouille | |
> Nach dem Tod von drei US-Soldaten werden die Rufe nach Vergeltung gegen | |
> Iran lauter. Doch Präsident Biden will eine Eskalation unbedingt | |
> verhindern. | |
Bild: Die außenpolitischen Probleme bringen ihn zunehmend innenpolitisch in No… | |
BERLIN taz | Für US-Präsident Joe Biden wird die Entwicklung im Nahen Osten | |
tagtäglich zu einem immer schwerer aufzulösenden Dilemma. Seit dem | |
Drohnenangriff auf einen US-Truppenstützpunkt in Jordanien am vergangenen | |
Sonntag, bei dem drei US-Soldaten starben und laut Pentagon-Angaben 34 | |
weitere verletzt wurden, steht Biden unter zusätzlichem Druck. | |
Zwar hatte der Präsident unmittelbar nach Bekanntwerden des Angriffs | |
versichert, die USA würden „die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen“, | |
aber wie genau das aussehen soll, wurde auch nach einer Sitzung des | |
Sicherheitskabinetts am Montag nicht deutlich. „Wir wollen keinen neuen | |
Krieg, wir suchen keine Eskalation“, sagte anschließend John Kirby, | |
Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats vor der Presse. „Aber wir werden | |
alles tun, um uns selbst zu schützen, unsere Mission fortzusetzen und | |
angemessen auf diese Angriffe zu reagieren.“ Das war noch vager formuliert, | |
als es die natürliche Verschwiegenheit vor möglichen Vergeltungsangriffen | |
geboten erscheinen lässt. | |
Innenpolitisch wird es für den Präsidenten immer schwieriger, einen Kurs | |
vorzugeben und zu halten. Auf republikanischer Seite gibt es seit dem | |
Wochenende sehr laute Stimmen, die zu einem direkten Gegenschlag auf | |
iranische Einrichtungen aufrufen. [1][Lindsey Graham], republikanischer | |
Senator aus South Carolina, forderte sofortige Schläge auf iranische | |
militärische Einrichtungen oder die Ölinfrastruktur. „Alles andere wird als | |
Schwäche angesehen werden“, schrieb Graham auf der Plattform X. | |
Dem widersprach der demokratische Abgeordnete Seth Moulton aus | |
Massachusetts, selbst ein Ex-Marine: „An die Chicken Hawks (in etwa: | |
Sandkastenkrieger; die Red.), die jetzt zum Krieg mit Iran rufen: Sie | |
spielen dem Feind in die Hände. Wir müssen eine effektive, strategische | |
Antwort nach unseren Regeln und unserem eigenen Zeitplan geben. | |
Abschreckung ist hart, Krieg ist schlimmer.“ | |
## Kein Interesse an größerer Aktion | |
Sicher scheint, dass die schon seit der Präsidentschaft Barack Obamas (2009 | |
bis 2017) verfolgte Strategie des schrittweisen US-Rückzugs aus dem Nahen | |
und Mittleren Osten kaum haltbar ist. Laut einer Recherche des Magazins | |
Politico dürfte etwa der Abbau an US-Aufklärungsfähigkeiten in den letzten | |
Jahren den Drohnenangriff am Sonntag begünstigt haben. Wobei derzeit auch | |
noch die Version die Runde macht, die US-Truppen hätten die angreifende | |
Drohne fälschlicherweise für eine eigene gehalten. | |
Mögliche Optionen für Gegenschläge auf vom Iran unterstützte Milizen | |
könnten in Irak oder Syrien liegen, mutmaßlich ausgeführt von den | |
US-Flugzeugträgern, die schon seit Monaten in der Region sind. | |
Allerdings kann die Biden-Regierung kein Interesse daran haben, durch eine | |
größere militärische Aktion gerade jetzt die Chancen auf ein neues Abkommen | |
für eine Waffenruhe in Gaza zu gefährden. Ein erster Vorschlag dazu ist | |
gerade von Vertretern der USA, Katars, Ägyptens und Israels bei | |
Verhandlungen in Paris ausgearbeitet und inzwischen der Hamas-Führung | |
übermittelt worden. | |
Vorgeschlagen ist dem Vernehmen nach eine sechswöchige Waffenruhe und die | |
schrittweise Freilassung weiterer Geiseln aus der Gefangenschaft bei | |
umgekehrter Entlassung weiterer gefangener Palästinenser aus israelischer | |
Haft. Bei einer mehrtägigen Waffenruhe waren im November rund einhundert | |
israelische Geiseln freigekommen. Ob [2][die Hamas] sich auf den Deal | |
einlässt oder bei ihrer bisherigen Position bleibt – erst der vollständige | |
Rückzug des israelischen Militärs aus dem Gazastreifen würde zu einer | |
Freilassung der Geiseln führen – blieb am Dienstag zunächst unklar. | |
## Druck vom linken Flügel der Demokraten | |
Eine sechswöchige Waffenruhe würde auch die Möglichkeit größerer | |
humanitärer Hilfe für die Menschen im Gazastreifen eröffnen. Das wäre sehr | |
im Interesse Bidens, denn immer lauter artikuliert der linke, progressive | |
Flügel seiner Demokratischen Partei seine Wut über die einseitige | |
Unterstützung Israels durch die US-Regierung angesichts der humanitären | |
Katastrophe in Gaza. Der linke Senator Bernie Sanders, 2016 und 2020 knapp | |
als demokratischer Präsidentschaftskandidat gescheitert, schrieb im | |
britischen [3][Guardian]: „Die Vereinigten Staaten müssen Netanjahu | |
klarmachen, dass wir keinen weiteren Dollar für seinen inhumanen, illegalen | |
Krieg mehr geben werden.“ | |
Zwar hatten Joe Biden selbst, sein Außenminister Antony Blinken und sein | |
Verteidigungsminister Lloyd Austin die Netanjahu-Regierung in den | |
vergangenen Wochen immer wieder zur Mäßigung aufgerufen. Als aber der | |
UN-Sicherheitsrat einen sofortigen Waffenstillstand fordern wollte, legten | |
die USA ihr Veto ein – und den Schritt, mit dem Entzug der Militärhilfe zu | |
drohen, wollte Biden bei aller offenkundigen Abneigung Netanjahu gegenüber | |
nicht gehen. | |
Genau darüber wächst der Ärger in der demokratischen Parteilinken, für die | |
Sanders in den letzten beiden Wahlkämpfen die wichtigste Führungsfigur | |
geworden war. Bei den letzten zwei Kongresswahlen war der „Progressive | |
Caucus“, ein Zusammenschluss linker Kräfte im Repräsentantenhaus, deutlich | |
angewachsen. Biden braucht die Stimmen dieses Flügels zwingend, will er | |
sich im November erneut gegen Donald Trump durchsetzen. | |
Die Nachricht von der Konferenz von Siedlern und rechtsextremen Politikern, | |
darunter etlichen Ministern aus Netanjahus Kabinett, bei der am Sonntag in | |
Jerusalem die Wiederbesiedlung von Gaza gefordert wurde, dürften Bidens | |
Navigieren in dieser Lage da kaum erleichtern. | |
30 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/LindseyGrahamSC/status/1752028541334507843 | |
[2] /Mustafa-Barghouti-ueber-den-Gazakrieg/!5986884 | |
[3] https://www.theguardian.com/commentisfree/2024/jan/27/the-us-must-act-to-en… | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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