# taz.de -- Prozess um Munitionsaffäre beim KSK: Operation Frühjahrsputz geht… | |
> Brigadegeneral Markus Kreitmayr hatte verfügt, dass gestohlene Munition | |
> straffrei zurückgegeben werden konnte. Nun steht er vor Gericht. | |
Bild: Brigadegeneral Markus Kreitmayr mit seinen Anwälten vor Gerichts in Tüb… | |
TÜBINGEN taz | 13.000 Schuss Munition fehlten im Depot, manche Patrone war | |
nach der Buchführung auch zu viel. Der Umgang mit Munition muss beim | |
Kommando Spezialkräfte (KSK) in der Kaserne in Calw jahrelang recht | |
hemdsärmelig gewesen. Die Rückgabe von zwei scharfen Handgranaten hatte das | |
Munitionswesen offenbar verweigert, der Soldat, der sie zurückgeben wollte, | |
lagerte sie stattdessen in einem Spind. Als Brigadegeneral Markus | |
Kreitmayr, im Dezember 2018 sein Amt als Oberkommandeur antritt, findet er | |
„geduldete Schlamperei“ vor. [1][Er ruft die „Operation Frühjahrsputz“ | |
aus.] | |
An diesem Freitag [2][steht Kreitmayr nun selbst vor Gericht]. Um die | |
fehlende Munition aufzuspüren, ist er möglicherweise illegale Wege | |
gegangen. Die Staatsanwaltschaft wirft Kreitmayr vor, trotz gesetzlicher | |
Pflichten weder den Fehlbestand noch die Namen der betroffenen Soldaten an | |
Vorgesetzte und Strafverfolger gemeldet zu haben. | |
Kreitmayr gibt vor dem Tübinger Landgericht einen klar strukturierten | |
Bericht, wie er die Dinge sieht. Er gibt zu, den Soldaten die Möglichkeit | |
gegeben zu haben, die Munition zurückzugeben, ohne dass sie | |
Disziplinarmaßnahmen zu befürchten hätten. | |
Es sei ihm darum gegangen, zu verhindern, dass Soldaten aus Angst vor den | |
Folgen die Munition vom Kasernengelände schmuggeln und Privat lagern, was | |
eine Straftat darstellt. Er habe gegenüber den Soldaten nie eine „Amnestie“ | |
angekündigt, sondern von einer letzten Chance gesprochen. „Ich stehe auch | |
heute noch zu meiner Entscheidung“, sagt Kreitmayr vor Gericht. | |
## Rechte Netzwerke | |
Als der Brigade-General im Jahr 2019 zum Kommandeur des KSK ernannt wird, | |
steht die Truppe wegen rechter Umtriebe in der Kritik. Es geht um Feiern, | |
die nicht mit Girlanden, sondern mit Schweinsköpfen dekoriert waren und bei | |
denen Nazi-Lieder gesungen wurden. | |
[3][Durch Recherchen auch der taz sind Verbindungen aktiver und ehemaliger | |
KSK-Soldaten in den rechtsextremen Netzwerken Nordkreuz und Uniter bekannt | |
geworden]. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) berichtet von einer | |
[4][wesentlich höheren Dichte an rechtsextremen Verdachtsfällen beim KSK] | |
als beim Rest der Bundeswehr. | |
Etwa zur gleichen Zeit, als Kreitmayr die Soldaten zur Rückgabe von | |
Munition auffordert, nimmt die Polizei den [5][noch aktiven | |
KSK-Stabsfeldwebel Philip Sch. fest]. Im Garten seines Privatgrundstücks | |
hat er Gefechtsmunition, Sprengstoff und Waffen vergraben. | |
Das Problem von Munition, die nach Manövern rechtswidrig bei den Soldaten | |
verbleibt, ist in Armeen verbreitet. Dies geschehe oft auch aus Versehen, | |
erklärt Kreitmayr. Er sei zu keinem Zeitpunkt von Straftaten ausgegangen, | |
sondern von Dienstvergehen, über die er als Vorgesetzter entscheiden könne. | |
Zudem habe er den großen Fehlbestand als jahrelanges Führungsversäumnis | |
seiner Vorgänger gesehen, das er nicht auf dem Rücken der Soldaten habe | |
austragen wollen. | |
## Kein Vorwurf des Rechtsextremismus | |
Seinen Vorgesetzten im Verteidigungsministerium habe er erst Meldung über | |
die Fehlbestände machen wollen, wenn er einen vollständigen Überblick über | |
das Problem habe. Möglicherweise wollte der Offizier aber auch lieber die | |
Lösung des Problems als das Problem selbst melden. | |
Niemand wirft Kreitmayr selbst irgendeine Nähe zum Rechtsextremismus vor. | |
Zeitweise wurde gegen ihn ermittelt, weil er Krankenschwestern im | |
KSK-Lazarett angewiesen haben soll, ihm rechtsextreme Tatoos der Soldaten | |
zu melden. Das wäre allerdings nicht zulässig. Womöglich wollte er durch | |
sein Schweigen zur fehlenden Munition verhindern, dass das letzte Argument | |
zur Auflösung der Sondereinheit von ihm selbst kommt. | |
Das persönliche Risiko für sein Vorgehen ist hoch. Im Fall einer | |
Verurteilung drohen Kreitmayr bis zu drei Jahre Haft. Vier Jahre hat es | |
gedauert, bis der Karriereoffizier sich vor Gericht verantworten und | |
vielleicht rehabilitieren kann. Die Tübinger Kammer erklärt das mit der | |
komplizierten Materie und der Überlastung des Gerichts. | |
Der ehemalige Stabsfeldwebel Philipp Sch. mit seinem Waffenarsenal im | |
eigenen Garten hat seine Haftstrafe schon abgesessen und ein Buch | |
geschrieben. Er hat stets alle rechtsextremen Tendenzen abgestritten. Das | |
Urteil über Markus Kreitmayrs Pflichtverletzung soll Ende Februar fallen. | |
2 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
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