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# taz.de -- Rechte Kampfbegriffe: Rostocks rechte Stellenanzeige
> Rostock sucht eine*n „Sachbearbeiter*in Remigration“. Kritik daran wehrt
> die Stadt ab: Rechte missbrauchten den wissenschaftlichen Begriff.
Bild: Der Stadthafen in Rostock an der Warnow
Berlin taz | Noch drei Wochen, bis zum 20. Februar, nimmt die Stadt Rostock
Bewerbungen für eine*n „Sachbearbeiter*in Remigration“, entgegen, 39
Wochenstunden, bezahlt nach TVöD, Entgeltgruppe 11. Zu den Aufgaben gehören
unter anderem „Entscheiden über Abschiebungen“ und „Ausreiseaufforderung…
illegal eingereister Ausländer*innen“. Der Aufgabenkatalog entspricht dem,
was in Ausländerbehörden bundesweit Standard ist. Normalerweise heißen die
Stellen „Sachbearbeiter:in Ausländerbehörde/Aufenthaltsbeendigung“.
Für Aufregung sorgte folglich die Rostocker Wortwahl. Denn erst Mitte
Januar war [1][„Remigration“ zum „Unwort des Jahres 2023“ gekürt] word…
Es sei in rechtsextremen Kreisen als „Euphemismus für die Forderung nach
Zwangsausweisung bis hin zu Massendeportationen von Menschen mit
Migrationsgeschichte geworden“, so die Jury. Und so sahen viele in den
Sozialen Medien die Formulierung der Ausschreibung als das erste Anzeichen
kommender Vertreibungen, wie sie [2][bei dem von Correctiv aufgedeckten
Rechtsextremen-Treffen in Potsdam] im vergangenen November angedacht
wurden.
Das rechte Krawall-Portal Nius notierte über die Stellenausschreibung
erfreut: „In Mecklenburg-Vorpommern setzt man auf 'Remigration’“. Auch die
Junge Freiheit war angetan: Die „Erste deutsche Großstadt sucht
Sachbearbeiter für 'Remigration’“, schrieb sie. Rostock wolle „der Debat…
offenbar auch Taten folgen lassen“, so die JF, und fragte, zwinker,
zwinker, ob der [3][österreichische Rechtsextremist „Martin Sellner sich
bewerben“ werde].
Die von der Linken-Politikerin Eva Maria-Kröger geführte Stadtverwaltung
bemühte sich, aus dem vermeintlichen Skandal die Luft rauszulassen. „Der
Begriff ‚Remigration‘ triggert gerade sehr viele Menschen, weil er von
Rechtsextremisten umgedeutet wird“, heißt es in einer [4][ausführlichen
Stellungnahme des Rostocker Rathauses vom Mittwoch]. Diese wollten das Wort
aus ideologischen Gründen vereinnahmen und meinten damit „Pläne, Menschen
zu Hunderttausenden aus Deutschland zu vertreiben“. Es handele sich um
einen „Missbrauch des Begriffs“ zur Verschleierung ihrer Absichten.
## Synonym für Rückkehr
In Rostock heiße das Sachgebiet im Migrationsamt, das für freiwillige
Ausreisen, Duldungen und Abschiebungen zuständig sei, schon seit 2017 so.
Der Begriff sei aus der Migrationsforschung übernommen worden. Rostock
stehe für eine „offene Willkommenskultur, für Diversität und Integration�…
so die Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger. „Menschenverachtenden Plänen,
Millionen Mitbürger*innen aufgrund ihres Migrationshintergrundes aus
Deutschland zu vertreiben, stellen wir uns entschlossen und mit aller Kraft
entgegen.“ Am Donnerstagnachmittag war die Anzeige online nicht mehr
aufrufbar.
In der Migrationsforschung ist der Begriff tatsächlich schon lange gängig –
als Synonym für die Rückkehr von Migrant:innen ins Herkunftsland –
freiwillig, etwa am Ende des Arbeitslebens, „gefördert“ etwa nach einem
abgelehnten Asylantrag oder erzwungen, also durch Abschiebung.
Der Begriff an sich war politisch lange eher neutral. Das der Xenophobie
vollständig unverdächtige Osnabrücker Institut für Migrationsforschung und
Interkulturelle Studien spricht in Forschungsarbeiten von Remigration. Der
Begriff findet sich in stockseriösen Untersuchungen der Universitäten
Mainz, Oldenburg, der TU Dortmund oder der Gedenkstätte Yad Vashem.
## Von rechts angeeignet
Gleichwohl gibt es die von der Stadt Rostock selbst angesprochene
Subtextverschiebung. Rechtsextreme haben die Vokabel in den vergangenen
Jahren zum Kampfbegriff gemacht. Martin Sellners 2024 im Antaios-Verlag
erschienenes Buch heißt so. Nazi-Shops im Netz verkaufen schon länger
T-Shirts mit der Aufschrift, und auch bei der AfD ist offen von
„millionenfacher Remigration“ die Rede.
In der rechtsextremen Lesart geht es eben nicht um das, was in Sachen
Abschiebung bisher in Deutschland üblich ist, sondern darum, auch andere
Gruppen abschieben zu können – etwa „nicht assimilierte Eingebürgerte“,…
Sellner schrieb, auch wenn die AfD offiziell darauf beharrt, „deutsche
Staatsbürger“ nicht abschieben zu wollen.
Die Neuen Deutschen Medienmacher (NDM) haben den Begriff deshalb [5][schon
länger in ihr Glossar aufgenommen]. Sie sehen in ihm ein „Mittel gegen die
pluralistische Einwanderungsgesellschaft“. Dahinter stehe oftmals die
Verschwörungstheorie, es „sei ein geplanter ‚Bevölkerungsaustausch‘ oder
eine ‚Umvolkung‘ im Gange, die umgekehrt werden müsste“, so die NDM.
1 Feb 2024
## LINKS
[1] /Unwort-des-Jahres-2023/!5982972
[2] /Rechtes-Geheimtreffen-in-Potsdam/!5985429
[3] /Rechtsextremem-droht-Einreisesperre/!5988362
[4] https://rathaus.rostock.de/meldungen/351700
[5] https://glossar.neuemedienmacher.de/glossar/remigration/
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Rechtsextremismus
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