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# taz.de -- Ukrainische Geflüchtete: Die letzten Meter der Flucht
> Zwei Jahre nach Kriegsbeginn in der Ukraine kommen immer noch Geflüchtete
> an. Am Bahnhof warten ein paar Freiwillige auf sie.
Bild: Den letzten Schritt gehen sie gemeinsam: Sergej und Viktoria mit Geflüch…
Berlin taz | Seit 2 Jahren stehen Sergej und Zhenja regelmäßig am
Hauptbahnhof und warten auf Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Gelegentlich
kommt jemand. Oft aber auch niemand. Das stört Zhenja nicht. „Ich möchte
nicht wissen, was mit den Kindern, Frauen und Familien passiert, wenn wir
nicht da sind“, sagt er. „Sie kommen um 18 Uhr an, sind zum ersten Mal in
Europa und wissen nicht wohin.“
In den ersten Wochen nach Kriegsbeginn, im Februar 2022, war Zhenja wie
gelähmt. „Ich hatte massive Schuldgefühle.“ Der selbstständige Künstler…
Russland merkte schnell, was er mit seinen Sprachkenntnissen bewirken
konnte. Heute kommen zwar viel weniger Menschen an als zu Beginn des
Angriffskrieges, und doch: „Ich muss nur 10 Minuten im Reisezentrum
stehen“, sagt Zhenja, „und schon habe ich jemandem geholfen.“
Zehnja und Sergej gehören zu den wenigen Menschen, die noch regelmäßig am
Bahnhof auf ukrainische Geflüchtete warten. Sie nennen sich [1][Berlin
Arrival Support] (BAS) und schließen eine kleine Lücke auf dem langen Weg
vom Krieg in die Sicherheit: Sie helfen geflüchtete Ukrainer:innen, ihren
Weg vom Hauptbahnhof zur S-Bahn-Station Jungfernheide zu finden. Nur von
dort fahren die Busse zum Aufnahmezentrum am ehemaligen Flughafen Tegel.
Die BAS hat schon 3 Tage nach Kriegsbeginn Aufnahmestrukturen am
Hauptbahnhof aufgebaut. Nach eigenen Angaben hatten sie zeitweise bis zu
700 Freiwillige am Hauptbahnhof, Südkreuz und ZOB. Damals kamen noch
täglich mehr als 10.000 Menschen aus der Ukraine an. Mittlerweile werden
nach Angaben des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) in der
Aufnahmeeinrichtung Tegel täglich rund 40 Personen registriert.
## Welcome Hall abgeräumt
Im ersten Jahr nach Kriegsbeginn war das Land Berlin auch am Hauptbahnhof
mit einem Zelt auf dem Europaplatz vertreten. [2][Die sogenannte Welcome
Hall war rund um die Uhr geöffnet und diente der Erstversorgung.] In
Sonderbussen wurden die Geflüchtete dann in das Ankunftszentrum
Reinickendorf gebracht. Dort wurden sie vom Landesflüchtlingsamt oder von
Hilfsorganisationen in Privatunterkünften untergebracht.
Doch seit 1. Oktober 2023 gibt es die Welcome Hall nicht mehr. „Wir mussten
auf die Kosten schauen“, sagt Monika Hebbinghaus, Pressesprecherin des LAF
zur taz. Menschen könnten sich im Internet informieren, wie sie zum
S-Bahnhof Jungfernheide kommen und dann mit dem Bus nach Tegel fahren.
Kurz vor 17 Uhr ruft Zhenja alle Freiwilligen zusammen. Auf die
Ankunftstafel muss er nicht mehr schauen, er weiß, dass der Zug aus
Przemysl Glowny um 17.06 Uhr auf Gleis 14 ankommt. Das ist die wichtigste
Verbindung für Geflüchtete aus der Ukraine, weil die polnische Stadt so nah
an der Grenze liegt. Google Maps zeigt von Lviv aus eine Fahrtzeit von 2
Stunden an.
Die BAS kooperiert mit der NGO [3][Rubikus], die Fluchtrouten aus der
Ukraine organisiert und bezahlt. An diesem Dienstag sind 2 Familien
angekündigt. „Heute wird es etwas chaotisch, sie sind auf 3 Waggons
aufgeteilt“, sagt Zhenja.
## „Viele Leute wissen nicht, dass am Hauptbahnhof noch Menschen ankommen“
Heute warten 6 Personen mit Warnwesten und blau-gelben Aufklebern auf den
Zug. Ungewöhnlich viele. Eine davon zum ersten Mal: Viktoria ist vor 2
Jahren selbst [4][aus der Ukraine geflohen.] „Ich hatte Glück, weil ich
hier Freunde hatte“, sagt sie.
Es sei schwer, Freiwillige zu finden, sagt Zhenja. „Viele Leute wissen
nicht, dass am Hauptbahnhof noch Menschen ankommen.“ Er habe auch keine
Hoffnung, dass es in der Ukraine besser wird. Nach dem Tod des
Oppositionellen Alexei Nawalny sehe er keine Hoffnung für sein Heimatland.
„Ich will keine Belohnung oder Medaille, aber ich kann nicht mehr
aufhören.“
Der grau-blaue Zug rollt mit 5 Minuten Verspätung ein. Die BAS-Helfer:innen
verteilen sich und suchen nach den Neuankömmlingen. „Hier!“, ruft Sergej.
Er hat die 10-köpfige Familie gefunden. Die andere Familie macht sich mit
Zhenja auf den Weg zum Anschlusszug nach Waiblingen.
Doch als das Gleis immer leerer wird, bleibt eine Gruppe übrig. Ein kleiner
Junge klammert sich an seinen Teddybären. Er trägt einen Rucksack. Seine
Augen leuchten vor Neugierde, sein Gesicht wirkt müde von der langen Reise.
Um ihn herum stehen seine Mutter, 5 Geschwister und 3 kleine Koffer.
## Sie versuchen in Deutschland ihr Glück
Ruslana und ihre 6 Kinder waren nicht angemeldet. [5][Sie stammen aus der
Ukraine], haben aber in den letzten 2 Jahren in Krakau gelebt. Dort hätten
sie unter Rassismus gelitten, die Kinder durften wohl nicht zur Schule
gehen. Sie konnten es nicht länger ertragen und versuchen in Deutschland
nun ihr Glück, erklärt Ruslana auf Ukrainisch.
Die Reisegruppe bricht auf – Die BAS-Helfer:innen umkreisen die Gruppe und
halten alle zusammen. Nach 2 Stunden erreichen sie den Bahnhof
Jungfernheide. Den letzten Schritt müssen die Geflüchtete alleine gehen. In
den Bus nach Tegel dürfen nur Menschen, die dort wohnen oder arbeiten.
Sergej hievt den letzten Koffer in den Bus, Viktoria tauscht mit Ruslana
Kontaktdaten aus. Sie will Bescheid wissen, [6][wenn sie sicher ankommen
sind. D]ann geht Viktoria mit Sergej zurück zur S-Bahn und seufzt. „Ich
habe das Gefühl, heute etwas erreicht zu haben“, sagt sie zufrieden.
23 Feb 2024
## LINKS
[1] https://arrivalsupport.berlin/
[2] /Ukraine-Fluechtlinge-in-Berlin/!5836591
[3] https://helpua.rubikus.de/
[4] /Ukraine-Fluechtlinge-in-Berlin/!5836591
[5] /Gefluechtete-aus-der-Ukraine/!5920072
[6] /Ukrainische-Exil-Community-in-Berlin/!5973712
## AUTOREN
Clara Suchy
## TAGS
Schwerpunkt Zwei Jahre Krieg in der Ukraine
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antimuslimischer Rassismus
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