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# taz.de -- Subventionen für die Wirtschaft: Notwendigkeit oder Flop?
> Finanzminister Lindner und Wirtschaftsminister Habeck haben
> Steuersenkungen für Unternehmen ins Spiel gebracht. Der Nutzen ist
> fraglich.
Bild: Steuergeschenke bei klammen Staatskassen? Das gefällt nicht allen
## Weil die deutsche Wirtschaft angeblich nicht mehr konkurrenzfähig ist,
sind Steuererleichterungen für Unternehmen im Gespräch. Was genau plant
die Bundesregierung?
Bisher sind sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nur einig, dass die
Unternehmen irgendwie entlastet werden sollen. Bei einer Rede im Bundestag
schlug Habeck Anfang Februar vor, ein Sondervermögen für die Wirtschaft zu
schaffen. Dadurch könnten Unternehmen Steuervergünstigungen und zusätzliche
Abschreibungsmöglichkeiten gewährt werden. Da ein Sondervermögen
zusätzliche Schulden bedeutet, lehnte Lindner Habecks Vorschlag ab.
Stattdessen brachte der FDP-Politiker die Abschaffung des
Solidaritätszuschlags ins Spiel und kündigte an, weitere Maßnahmen noch in
diesem Monat vorzustellen. Gegenüber einer möglichen Soli-Abschaffung
äußerte sich Habeck kritisch.
## Was sagt die SPD zu Habecks und Lindners Vorschlägen?
Kanzler Olaf Scholz äußerte sich bisher nur verhalten zu möglichen neuen
Steuersenkungen für Unternehmen. Er nehme die aktuellen politischen
Wortmeldungen „aufmerksam zur Kenntnis“, ließ er über Regierungssprecher
Steffen Hebestreit ausrichten. Eine wettbewerbsfähige Wirtschaft sei aber
natürlich auch Ziel des Kanzlers.
Deutlichere Ansagen kamen aus der zweiten Reihe der Sozialdemokraten.
SPD-Chefin Saskia Esken erklärte, dass sie die Abschaffung des Soli nicht
für finanzierbar halte. „Insofern sehe ich die Tauglichkeit dieses
Vorschlags nicht“, so Esken. Ähnlich äußerte sich ihr Co-Chef Lars
Klingbeil: „Es ist schön, wenn sich jetzt einzelne Minister gerade in der
Öffentlichkeit mit Vorschlägen sonnen, wo es viel Applaus für gibt“, sagte
er am Mittwoch im Fernsehen. „Aber es muss am Ende auch die Frage
beantwortet werden, wie kann das Ganze finanziert werden? Da habe ich keine
Vorschläge zu gehört.“
## Wie schlimm ist die wirtschaftliche Lage in Deutschland überhaupt?
Auf Hochtouren läuft die deutsche Konjunkturlok derzeit tatsächlich nicht.
Stattdessen stottert sie ziemlich. Seit längerem schon klagt insbesondere
die energieintensive Industrie über zu hohe Energiepreise. Allein in den
letzten drei Monaten 2023 drosselte die Industrie ihre Produktion um 1,8
Prozent. So schrumpfte die deutsche Wirtschaftsleistung in diesem Zeitraum
insgesamt um 0,3 Prozent. Geht sie auch in den ersten drei Monaten des
neuen Jahres zurück, befindet sich das Land laut Definition in einer
Rezession. So rechnet Industriestaatenorganisation OECD für dieses Jahr mit
einem Mini-Wachstum von 0,3 Prozent.
Damit steht Deutschland im Club der reichen Industriestaaten an vorletzter
Stelle. Nur für Argentinien sind die Aussichten noch schlechter. Allerdings
ist die derzeitige Konjunkturschwäche nicht allein auf die Lage der
Industrie zurückzuführen. Vergangenes Jahr schrumpfte die Wirtschaft auch,
weil die Inflation auf den Einkommen der Menschen lastete und diese deshalb
sparen mussten. So ging der private Konsum vergangenes Jahr um 0,8 Prozent
zurück.
## Gab es da nicht schon etwas?
Vergangenen Sommer brachte die Bundesregierung das Wachstumschancengesetz
auf den Weg. Es sah ursprünglich steuerliche Vergünstigungen für die
Wirtschaft von jährlich sieben Milliarden Euro vor. Allerdings hängt das
Gesetz derzeit im Bundesrat fest. Insbesondere die Union blockiert es und
fordert im Gegenzug für ihre Zustimmung die Rücknahme der Kürzungen beim
Agrardiesel. Doch auch SPD-Landespolitiker*innen sehen das
Wachstumschancengesetz kritisch. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar
Woidke zum Beispiel fordert Nachbesserungen, weil das Gesetz zu
Einnahmeausfällen für die Bundesländer führt. Deswegen wird das Volumen des
Gesetzes vermutlich deutlich kleiner ausfallen – wenn es überhaupt noch
kommt.
## Was will die Wirtschaft?
Die Wirtschaftsverbände nahmen die Vorlage von Habeck und Lindner dankbar
an. „Unsere klare Priorität ist ein besseres Investitions- und
Wachstumsklima durch Unternehmenssteuern, die wieder auf ein europäisch und
international übliches Niveau gesenkt werden, von dem wir derzeit weit
entfernt sind“, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der
Deutschen Industrie (BDI), Tanja Gönner, vergangene Woche der Welt am
Sonntag. „Es ist gut, wenn die Bundesregierung ihre bisherige
Wirtschaftspolitik an wichtigen Stellen ändern will“, sekundierte der
Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian.
Die Steuerbelastung der Unternehmen solle auf ein „wettbewerbsfähiges
Niveau“ gesenkt werden.
## Wie viel Steuern zahlen Unternehmen überhaupt?
Es wird von unternehmensnaher Seite gerne angeführt, dass Deutschland ein
Hochsteuerland sei und Kapitalgesellschaften einen nominalen Steuersatz von
ungefähr 30 Prozent zahlten, während der OECD-Schnitt bei knapp 25 Prozent
liege. Berücksichtigt man aber die Ausnahmen, so sinkt die implizite
Steuerlast, die Unternehmen hierzulande zahlen müssen, auf unter 20
Prozent. Damit befindet sich Deutschland europaweit im Mittelfeld.
## Bringen Steuersenkungen etwas?
Befürworter*innen von Steuersenkungen behaupten, dass Unternehmen die
Steuerersparnisse in Investitionen stecken und so Arbeitsplätze schaffen
und zum Wachstum beitragen würden. Kritiker*innen hingegen sagen, dass
das nicht unbedingt sein muss. Die Unternehmen könnten die
Steuerersparnisse auch für Dividendenauszahlungen und Aktienrückkäufe
nutzen. Als Beispiel dient ihnen die Steuersenkung unter dem damaligen
US-Präsidenten Donald Trump.
„Trumps Steuersenkung war ein Riesenflop – großzügige Geschenke für
Unternehmen, kein sichtbarer Anstieg der Investitionen“, kommentierte sie
damals der US-Starökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman. Statt dass neue
Jobs geschaffen wurden, übertrafen die Aktienrückkäufe 2018 in den USA
einen Wert von einer Billion US-Dollar, was einem Zuwachs von 50 Prozent
entsprach. Dafür war Trumps Steuerreform extrem teuer. Ihre Kosten gingen
dollarmäßig in Billionenhöhe.
## Wie viel würde eine Reform der deutschen Unternehmenssteuer kosten?
Auch eine Reform der hiesigen Unternehmenssteuer würde den Staat viel Geld
kosten. Eine Absenkung der nominalen Steuersätze aufs internationale Niveau
würde vermutlich zu Steuerausfällen von 25 bis 30 Milliarden Euro führen.
Und auch die Soli-Abschaffung würde jährlich rund 12 Milliarden Euro
kosten, die der Staat anderswo kompensieren müsste.
10 Feb 2024
## AUTOREN
Simon Poelchau
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