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# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Lichter und Blockaden Hand in Hand
> Der Kampf gegen Faschismus vereint die unterschiedlichsten Gruppen – das
> erzeugt Widersprüche. Wie könnte es dennoch gemeinsam vorwärts gehen?
Bild: Lichterdemos gegen die AfD – nur bürgerliche Selbstbespaßung?
Die Massendemonstrationen gegen die AfD reißen nicht ab. Am vergangenen
Wochenende zog es [1][mehr als 820.000 Menschen] auf die Straße – und nicht
nur in den linksgrünversifften Großstädten: Auf dem bayrischen Land, in
Ostdeutschland, überall zieht der Schock über die völkischen
Deportationsfantasien von AfDlern, CDUlern, Neonazis und Unternehmern die
Menschen auf die Straße. Es scheint zumindest die Möglichkeit eines Auswegs
aus der Sackgasse gefunden, in der die antifaschistische Sache zuletzt
steckte.
Die Menschen, die gegen den Faschismus protestieren, könnten
unterschiedlicher kaum sein. Die Sache vereint militante Antifas,
Linksradikale, Grüne und SPDler, Liberale und Konservative,
Akademiker:innen, Arbeiter:innen, Unternehmer:innen, migrantische und weiße
Menschen. Es ist deshalb kein Wunder, dass in einer Sammelbewegung wie
dieser hochgradig unterschiedliche Politkonzepte und Ursachenanalysen
kursieren. Diese reiben sich, weshalb sich schon jetzt viele gegenseitig
Spaltung vorwerfen.
Manchen Linken sind die Proteste zu bürgerlich, ästhetisch wie inhaltlich.
Lichterdemos sind Selbstbespaßung, heißt es, und jeder Ansatz, der nicht
den Rechtsruck insgesamt, [2][die kapitalistische Ungleichheit] und den
[3][Rassismus der Mehrheitsgesellschaft] thematisiert, kann nie über einen
kurzen Moment moralischer Empörung hinauswachsen. Einige Bürgerliche
dagegen sind von der Zurschaustellung linker Militanz der oft radikalen
Rhetorik abgeschreckt und weisen (zu Recht) darauf hin, dass etwa im
ostdeutschen Hinterland jedes Demokratiebündnis auch die CDU und die
Ampelparteien braucht.
Das Problem scheint fast unüberwindbar: Die einen wollen die AfD
gewissermaßen als „Einzelfall“ behandeln, als isoliertes Problem, gegen das
man die bestehende Ordnung (und die bestehende Regierung) verteidigen muss.
Die anderen wollen den Faschismus an der Wurzel packen und deshalb die
gesellschaftliche Ordnung verändern. Zugespitzt formuliert, vertreten die
einen einen Ansatz, der sich jegliche Ursachenanalyse verbietet und deshalb
inhaltlich impotent ist – und die anderen einen Radikalismus, der nicht
mehrheitsfähig ist, weshalb er politisch untauglich ist.
## „Fragend schreiten wir voran“
Was also tun? Wichtig wäre es zunächst einmal, die Diversität der
antifaschistischen Proteste anzuerkennen. Hier sind insbesondere die
Bürgerlichen gefordert, die noch mehr zu Empörung und Abgrenzung neigen als
die meisten Linken, bei denen durchaus ein Verständnis für die
Notwendigkeit breiter Bündnispolitik existiert. Auf den Demos und in den
Bündnissen muss betont werden, dass es möglich ist, über Protestformen und
Analysen zu streiten, ohne sich in der grundsätzlichen Sache uneinig zu
sein.
Eine Demokratiebewegung kann sich nicht als homogene Gruppe mit fertigen
Antworten verstehen, sondern nur als offene Basisbewegung ohne
Patentrezept. Die Idee ist eine zum Antifaschismus entschlossene Bewegung,
die aber nicht vor einem offenen Diskurs zurückschreckt, wie mit dem
Problem Faschismus umzugehen ist. Lose ließe sich an das Motto der
Zapatisten anlehnen: „Fragend schreiten wir voran“.
Ausgegangen werden müsste davon, dass sich die verschiedenen
antifaschistischen Fraktionen tatsächlich etwas zu sagen haben. Für die
Redebeiträge auf Demos bietet sich deshalb ein Kommunikationsstil an, der,
ohne in Polemik zu verfallen, nicht vor Differenz zurückschreckt und die
Position der eigenen Gruppe sachlich darlegt. Es braucht aber nicht nur
einen neuen Redestil, sondern basisdemokratische Strukturen, durch die die
Demokratiebewegung zu einer echten Demokratieerfahrung wird.
Die Stärke der Bewegung läge dann gerade im Mix verschiedener
Protestformen: Antifa-Blockaden hier, Lichterdemos da, idealerweise
zusammen geplant und koordiniert. Die inhaltlichen Positionen würden
ausgehandelt, könnten aber auch plural bleiben. Zu befürworten wäre wohl,
dass die Bewegung mit eigener Stimme spricht, weshalb Politiker:innen
keine führende Rolle übernehmen sollten.
## Demo in Berlin und im Umland
Wie eine breite Zusammenarbeit funktionieren kann, zeigt die Erklärung des
Giga-Bündnisses [4][Gemeinsam Hand in Hand], zu dessen kommender Massendemo
in Berlin sage und schreibe 1.200 Organisationen (!) aufrufen. Zur
derzeitigen Politik heißt es in der Erklärung: „Ängste vor Veränderungen,
Verlust und Armut werden absichtlich geschürt, Menschen werden
gegeneinander ausgespielt“. Am Samstag gilt es deshalb, gegen den
Faschismus auf die Straße zu gehen – und gegen Versuche,
Sozialhilfeempfangende, prekär Beschäftigte, Geflüchtete und den Kampf
gegen die Klimakrise gegeneinander auszuspielen (Samstag, 3. 2., Bundestag,
13 Uhr).
Den antifaschistischen Kampf konkret an die AfD herantragen lässt sich
[5][am Freitag in Pankow] (2. 2., Alt Blankenburg 12a, 17:15 Uhr). Da rufen
die Omas gegen Rechts dazu auf, einen „Bürgerdialog“ der altadeligen
Antifeministin Beatrix von Storch im „Braunen Haus“ zu stören. Ein weiterer
Protest gegen rechts findet am [6][Samstag in Spandau] statt (3. 2.,
Marktplatz, 11 Uhr).
Auch die Demos im Berliner Umland gehen weiter, die extrem wichtig sind, um
der vielerorts vorherrschenden rechten Hegemonie etwas entgegenzusetzen.
Proteste finden etwa am [7][Donnerstag in Bad Freienwalde] (1. 2., Bahnhof,
19 Uhr), am [8][Samstag in Gransee] (3. 2., Bahnhof, 14:30 Uhr), am
[9][Samstag in Königs Wusterhausen] (3. 2., Bahnhof, 14 Uhr) am
[10][Sonntag in Luckenwalde] (4. 2., Markt, 14:30 Uhr), am [11][Sonntag in
Wandlitz] (4. 2., Rathaus, 15 Uhr) und am [12][Sonntag in Prenzlau] (4. 2.,
Rathaus, 14 Uhr) statt.
Die Wurzeln der AfD im bundesrepublikanischen Nationalismus will eine
[13][Diskussionsveranstaltung der Gruppe Kritik im Handgemenge Berlin]
beleuchten, die Teil der [14][Gruppen gegen Kapital und Nation] sind. Dabei
soll es darum gehen, wie die AfD den Versuch darstellt, mit aller Gewalt
und Brutalität die nationale Sache zu retten (Mittwoch, 31. 1., Filmrisz,
Rigaer Straße 103, 19 Uhr). Schon 2020 hatte die Gruppe eine Broschüre
darüber herausgegeben, woran die bürgerlichen Strategien gegen den
Faschismus kranken ([15][Broschüre als PDF-Datei zum Download]).
Wie antifaschistische Strategien insgesamt weiterentwickelt werden können,
darum geht es auch bei der [16][Diskussionsrunde „Lets talk about Antifa!“]
am Samstag (3. 2., Salon, Franz-Mehring-Platz 1, 18 Uhr).
Aktivist:innen und Wissenschaftler:innen wollen über die (bisher
fehlenden) linken Antworten auf den Aufstieg der Rechtsextremen reden. Ziel
der Veranstaltung ist es, vergangene Projekte und Strategien zu evaluieren,
über die Strategie der AfD zu sprechen und aktuelle Ansätze zu diskutieren.
31 Jan 2024
## LINKS
[1] /Demos-gegen-rechts-am-Wochenende/!5988363
[2] /Proteste-gegen-die-AfD/!5986652
[3] /Demos-gegen-rechts/!5984708
[4] https://gemeinsam-hand-in-hand.org/
[5] https://www.omasgegenrechts-berlin.de/
[6] https://www.demokrateam.org/demos/nie-wieder-ist-jetzt-30/
[7] /Demos-gegen-rechts-am-Wochenende/!5988363
[8] https://www.demokrateam.org/demos/solidarisch-statt-arisch-hand-in-hand-geg…
[9] https://www.maz-online.de/lokales/dahme-spreewald/koenigs-wusterhausen/koen…
[10] https://www.demokrateam.org/demos/aufstehen-luckenwalde-2/
[11] https://www.demokrateam.org/demos/hand-in-hand-fuer-demokratie-menschenrec…
[12] https://www.demokrateam.org/demos/prenzlaubewegtsich-gemeinsam-gegen-fasch…
[13] https://stressfaktor.squat.net/node/303033
[14] https://gegen-kapital-und-nation.org/
[15] https://gegen-kapital-und-nation.org/media/falsche_kritik_zur_rechten_zeit…
[16] https://stressfaktor.squat.net/node/303288
## AUTOREN
Timm Kühn
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