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# taz.de -- Yachtrock von Papooz aus Frankreich: Eskapismus leicht gemacht
> Porentief rein und radiotauglich: Das französische Popduo Papooz ist mit
> seinem neuen Album „Resonate“ auf dem Weg in den Mainstream.
Bild: Papooz, das sind Armand Penicaut und Ulysse Cottin
Man bekommt schon fast ein schlechtes Gewissen, wenn man sich heutzutage in
diese Musik einsinken lässt, die – wenn auch ein wenig zögerlich, mit etwas
ungläubigem Abstand – ihrerseits eine Musik und eine Zeit feiert, die von
Hedonismus und Optimismus geprägt waren und einer Naivität, wie sie diesen
Haltungen ja immer zugrunde liegt. Ooohhh – die 1970er! Der Pulverdampf der
68er-Aufmüpfigkeiten hatte sich verzogen, man war immer noch ein bisschen
dagegen, aber – ist das Leben nicht auch schön?
Dachten sich auch zwei Franzosen, die vor rund zehn Jahren begannen, ihrer
Zuwendung für jenes Jahrzehnt und seine Musik öffentlich Ausdruck zu
verleihen. Seit 2016 veröffentlichen Armand Penicaut (klein und blond) und
Ulysse Cottin (groß und brünett) unter dem Namen [1][Papooz bislang drei
Alben], die sich ohne große Trendunterstützung, sozusagen wenn du nicht
hinsiehst, in deine Playlists und Erinnerung mogeln.
Pop für eine Welt, die nicht mehr existiert, Eskapismus leicht gemacht,
wenn sie dann in fröhlicher Zweisamkeit in weißen Anzügen vorne am
Bühnenrand stehen, sicher getragen von exquisiten Gitarrensounds und
Armands raumfüllenden Luxustenor (oder sogar Luxus-Kontratenor?).
Man konnte das als [2][Rekonstruktion von Yachtrock] für eine neue Zeit
lesen, aber außer Fleetwood Mac, Doobie Brothers und Hall & Oates fanden
sich auch Spurenelemente von ELO und 10cc und sogar von Früh-80er-Britpop à
la Haircut 100 auf ihren Alben „Green Juice“ (2016), „Night Sketches“
(2019) und „None of This Matters Now“ (2022).
## Ausgelassen bis melancholisch
Die Songs waren mal ausgelassene, mal melancholische Reminiszenzen an jene
Jahre, in denen Orte wie Saint-Tropez oder Juan-les-Pins noch
Sehnsuchtsorte waren, die mit starken Bildern (gerne auch aus starken
Filmen) verknüpft waren und der bevorzugte Ort für romantische Begegnungen
noch das Nachtleben und nicht die Datingapp war. Das war retro, aber ohne
strengen Purismus, übertriebenes Kennertum oder bedeutungsvolle Zitate.
So diffus sie auch war, so entscheidend war die Leidenschaft für einen –
egal ob tatsächlich wahrheitsnah nachempfundenen oder imaginierten –
Zeitgeist für die Qualität der Musik von Armand und Ulysse. Klar, man kann
sie einfach als sauber gearbeiteten Pop rezipieren, versuchen, mit dem
eigentlich nie zutreffenden Adjektiv „zeitlos“ die besondere Qualität ihrer
Songs zu beschreiben.
Spannender ist die Frage, wieso es Papooz so viel interessanter gelang, den
Anschluss an die Yachtrock-, Disco- oder auch „Too Slow To Disco“-Welt
herzustellen, als etwa Genregrößen wie Shawn Lee oder Marker Starling.
Wahrscheinlich spielt der entspannte Umgang mit den gesetzten Vorgaben, die
den wahren Nerds heilig sind und die sie daher nicht loslassen können, eine
nicht unwichtige Rolle. Papooz verkneifen sich jede Didaktik und sind sich
bewusst, dass die Wiederheraufbeschwörung einer untergegangenen Welt nur
als Quatschprojekt Sinn ergibt. Addiert man dazu den Ehrgeiz, das Ganze so
aufzubereiten, dass uninformierten Hörer*innen der Gegenwart gar nicht
bewusst wird, was ihnen da untergejubelt wird, ergibt sich eine komfortable
Spielfläche, auf der man sich lustvoll austoben kann.
## Kein schlechtes Hit-Niete-Verhältnis
Für ihr neues Album „Resonate“ haben sich Armand und Ulysse Hilfe von auß…
gesucht. Beim Songwriting setzten sie sich mit Jesse Harris zusammen, den
Eingeweihte als Singer-Songwriter von seinen Gast-Arbeiten für Norah Jones,
John Zorn und Melody Gardot kennen.
In Patrick Wimberly (Solange, MGMT, Blood Orange) wurde für die
Produzentenrolle ein weiterer New Yorker gecastet, allerdings ohne dass man
das Gefühl bekäme, den künstlerischen Vorstellungen von Armand und Ulysse
würde durch diese Zukäufe auf ein nächstes Level geholfen.
Eher hört es sich an, als hätten sie diesmal ein wenig ihrer quatschigen
Seventies-Leidenschaft vor Betreten des Studios an der Garderobe abgeben
müssen, um dann umso härter an sauberen, radiotauglichen Refrains zu
arbeiten. Schlimm ist das nicht, das Hit-Niete-Verhältnis ist auf
„Resonate“ nicht schlechter als auf den vergangenen Alben.
Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass der Weg in den Mainstream,
unter Zurücklassung persönlicher Merkwürdigkeiten, nicht der Weg ist, der
dieses Duo auf den Popolymp führt. Um dem Entschwinden im Mahlstrom der
Mittelmäßigkeit zu entgehen, müssten Papooz vielmehr an genau diesen
Eigenheiten arbeiten, klarmachen, dass genau darin die Sexiness ihrer Musik
liegt und nicht an der Erfüllung von Durchhörbarkeitsvorgaben seitens
grausamer Musikindustrie-Barone.
2 Feb 2024
## LINKS
[1] https://soundcloud.com/papoozofficial
[2] /Yacht-Rock--eine-Begriffsbestimmung/!5014949
## AUTOREN
Detlef Diederichsen
## TAGS
Yacht Rock
siebziger Jahre
Musik
Schwerpunkt Frankreich
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elektronische Musik
Brasilien
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