# taz.de -- Ausstellung über Mensch und Natur: Vom Jagen und Sammeln | |
> In der Ausstellung „Catch me if you can“ der Eres-Stiftung in München | |
> bekommt eine alte Frage einen absurden Twist. Wie halten wir es mit dem | |
> Wildtier? | |
Bild: Elegant jagen: The Icelandic Love Corporation (JóníJónsdóttir, Eirún… | |
Die Jagd auf eine Löwin in der Berliner Peripherie vergangenen Sommer hatte | |
für reichlich medialen Stoff und Irritationen gesorgt. Gar nicht | |
umfangreich, dafür mit Sachverstand und Ironie gleichermaßen reagiert | |
darauf nun eine Ausstellung in der Münchener Eres Stiftung. | |
Kunst und Kultur mit aktuellen naturwissenschaftlichen Fragestellungen | |
zusammenzubringen ist die Ausrichtung der 2006 etablierten Stiftung. Ihre | |
Projekte sind diskursiv und bei aller zeitgemäßer Relevanz fern | |
ausgetretener Pfade. | |
Auch in dieser Schau: Die Vorstellung unbedingt [1][zu erlegender Löwen im | |
Brandenburgischen] und die Frage nach dem adäquaten Lebensraum, in dem sich | |
Raubtier und Mensch gemeinsam aufhalten oder gar entfalten können, auch die | |
hierarchischen Verhältnisse in der Natur (falls sie denn hierarchisch sind) | |
bekommen in ihrer künstlerischen Übertragung einen bisweilen absurden | |
Twist. | |
## Nahrungsjagd im Supermarkt | |
Christian Jankowski hat sich zu Anfang der Neunziger schlicht als | |
Predatorenvertreter auf die Nahrungsjagd mit Pfeil und Bogen in einen | |
Supermarkt begeben. Er hat geschossen, was er zum Überleben braucht (Video) | |
und die Trophäen samt Tötungsinstrumenten zu Haus auf dem Küchentisch fein | |
übersichtlich arrangiert (schwarz-weißer überdimensionaler Stoffprint als | |
Banner). | |
Der Schweizer Yves Netzhammer hat seine „Abstraktionsvorräte“ in einem | |
Objektkonglomerat (so bezeichnet er seine Arbeit) versammelt: Ein | |
stilisierter Hochsitz, flankiert von halbierten Rehskulpturen, birgt eine | |
Videoinstallation gleichsam als träumerisch jagenden Bewusstseinsstrom mit | |
blutüberströmten wesenlosen Gliederpuppen, an einem Spiegel vorbeirasenden | |
Insekten, Eisenbahnen und dergleichen surreal anmutende, ungemütliche, | |
irgendwie mörderische Szenarien. | |
## Der Mensch ist des Menschen Wolf | |
Der Mensch, auch wenn er nicht leibhaftig ist, ist des Menschen Wolf, | |
zwecklos der Versuch, zu entrinnen. Das hochästhetische Gesicht des Grauens | |
vermittelt die „Sphere“ des Briten [2][Alastair Mackie, geformt aus | |
tausenden winzigen skelettierten Schädeln] von Feldmäusen. Sie waren | |
sämtlich Opfer der unheimlichsten Nachtjäger; die Eulen verschlingen ihre | |
Beute mit Haut und Haar, würgen später das Gewölle hervor – und der | |
Künstler sammelt das vermeintlich Überflüssige, klaubt die Schädelchen | |
heraus, reinigt sie und fügt sie zu einer Kunst und Natur vereinenden | |
Transformation. | |
„The Icelandic Love Corporation“, drei isländische Künstlerinnen, befassen | |
sich im verschneiten, eiskalten Hinterland ihrer dünn besiedelten Heimat | |
mit der eleganten Jagd nach Trophäen. In feinen Pelz gehüllt schießen und | |
fischen sie, trainieren exquisite Sportarten wie Golf – und vergraben, am | |
Ende doch überdrüssig, ihren feinen Schmuck in einem Kästchen in der Erde. | |
Mal sehen was am Ende übrig bleibt von den tollen Pelzen, den hart erjagten | |
[3][Insignien des Luxus]. Die Gletscher, Sinnbild unverzichtbarer | |
Notwendigkeit, sind es nicht, so viel steht fest. Sie sind die ersten Opfer | |
unseres arroganten und nach wie vor unerschütterlich hochgehaltenen | |
Jagdinstinkts. In welcher Ausformung auch immer er sich manifestiert. | |
## Die großartige Wirkmacht der Natur | |
Wie großartig (eigentlich) die Wirkmacht der Natur funktioniert, lässt sich | |
erahnen, wenn man in der Ausstellung mit dem schönen Titel „Catch me if you | |
can“ die lange Liste der invasiven Tierarten betrachtet. | |
Es sind Tierarten aus allen Kontinenten dieser Erde, die den oft | |
abenteuerlichen und abstrusen Weg hierher gefunden haben. Sie wollen in der | |
Fremde (über)leben, sich vermehren, erkämpfen sich mit großem Geschick | |
einen Lebensraum, sie jagen und haben keine Fressfeinde, werden gejagt, | |
verachtet, auch gefürchtet. Manchmal besuchen sie uns auch in unseren | |
Vorgärten in Gestalt eines Wildschweins. Zumindest in unserer Fantasie | |
zerreißt es uns vor Angst. | |
1 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Annegret Erhard | |
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