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# taz.de -- Jagdszenen im Berliner Hinterhof: Es geht um die Maus
> Mit dem Fenster zum Hof hat man in Berlin einen guten Platz für
> Ermittlungen. Wie in einem Hitchcock-Film geht es da draußen um Leben und
> Tod.
Bild: Lässt sich gern in Berlin sehen: der Fuchs
Wir halten uns oft in der Küche auf, wo man den Hof hier in
Berlin-Wilmersdorf im Blick hat. Er ist zur Hälfte als Parkplatz
gepflastert, hat aber drum herum Büsche, einen kleinen Baum, zwei große
Bäume und ein paar Grasflächen.
In einer Mauerecke haben ausgesetzte Kaninchen einen Bau gegraben. Sie
werden gelegentlich mit Möhren gefüttert. In einer mit Styropor isolierten
Brandmauer haben Stare Löcher reingehackt und sich dadurch zwei Nester
geschaffen, diese werden jedoch inzwischen von Spatzen genutzt.
Nachts kommt manchmal ein Fuchs vorbei [1][auf der Suche nach Essbarem].
Dann geht ein Bewegungsmelder an, der den Hof für einige Minuten in helles
Licht taucht. Das stört den Fuchs aber nicht, er kennt das von anderen
Hinterhöfen und nimmt es nicht persönlich. Auch die schwarze Katze, die ihn
manchmal von einem Baum aus in sicherer Höhe beobachtet, interessiert ihn
nicht.
Die Katze heißt Clara und hat ihren Schlafplatz auf dem Balkon einer
Hochparterrewohnung, sie gehört der Mieterin, besucht aber täglich auch
eine andere Frau, die vis-à-vis ebenfalls hochparterre wohnt. Auf deren
Balkon bekommt die Katze eine Schale Milch, dann darf sie in die Wohnung,
wo sie sich auf dem Schreibtisch langstreckt. Aber nur kurz, dann will sie
wieder raus.
## Kohlmeisen, Krähen und Kleiber
In einem Ahornbaum direkt vor dem Küchenfenster hängen Futterringe, die von
einem kleinen Schwarm Kohlmeisen und einer Blaumeise angeflogen werden. An
einem Busch finden sich noch gelbe Beeren, die durch den Frost süß geworden
sind. Eine Amsel pflückt sie. Weil sie aber nicht gut auf der Stelle
fliegen kann, ist sie nach vier Beeren außer Puste.
In einem der hohen Bäume hat ein Krähenpaar sein Nest, das Hofareal wird
aber auch immer wieder von zwei Elstern angeflogen auf der Suche nach
Futter. Die Nebelkrähen versuchen sie durch lautes Schimpfen zu
verscheuchen. Einen Kleiber und einen Eichelhäher, die sich allerdings nur
selten auf dem Hof blicken lassen, versucht das Krähenpaar dagegen zu
ignorieren. Ähnliches gilt für ein Eichhörnchen, das wir beobachten. Wir
gucken so oft aus dem Küchenfenster wie andere Leute auf ihr Smartphone.
Weil es in der Gegend noch mehr begrünte Höfe gibt und am Ende der Straße
zwei Schrebergärten, gehen wir davon aus, dass viele Tiere, die wir vom
Fenster aus sehen, nur Kontrollbesuche auf dem Hof machen. Die Spatzen
halten sich am liebsten in den immergrünen Sträuchern auf, die auf unserer
Seite des Parkplatzes wachsen. Sie werden in einem Vogelhäuschen gefüttert.
Manchmal sind es dort ein Dutzend Spatzen. Wenn vormittags die Sonne darauf
scheint, zwitschern sie laut und fröhlich. Nachmittags wechseln sie dann
mit der dorthin gewanderten Sonne in die Büsche auf der anderen Seite.
Dauerbewohner auf dem Hof sind nur die Kaninchen, das Krähenpaar zur
Brutzeit und die Katze Clara. Kürzlich lief am helllichten Tag eine Maus an
der Brandmauer entlang, sie wurde von Clara gesehen und gefangen.
Augenscheinlich hatte diese aber keinen Hunger, denn sie ließ die Maus
immer wieder laufen, um sie erneut einzufangen.
Dieses Spiel sah auch eine der beiden Nebelkrähen. Sie flog vom Baum runter
und ging langsam auf ein im Hof geparktes Auto zu. Die Katze und die Maus
konnten sie nicht sehen. Die Krähe aber schon, indem sie sich duckte und
unter dem Auto durch sah, was sich da an der Mauer tat. Plötzlich unternahm
die Maus einen verzweifelten Fluchtversuch unters Auto. Die Katze blickte
ihr nach, konnte sie jedoch nicht mehr sehen, weil sie sich an einen Reifen
gedrückt hatte. Aber die Krähe sah sie. Mit zwei, drei Trippelschritten war
sie bei der Maus, packte sie, kam unter dem Auto hervor und flog mit der
Beute auf ihren Nistbaum. Dort blieb sie aber nicht, sondern flog weiter
und entschwand unseren Blicken. Wir fragten uns, ob sie die Maus ihrem
Partner oder ihrer Partnerin, die sich irgendwo in der Nähe aufhielt, als
Geschenk brachte. So etwas soll vorkommen.
Und die Katze hatte wohl genug mit der Maus gespielt, der Verlust schien
ihr nichts auszumachen.
4 Feb 2024
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## AUTOREN
Helmut Höge
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