# taz.de -- Vorwürfe gegen UN-Flüchtlingshilfswerk: Die UNRWA überflüssig m… | |
> Das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge ist auf kurze Zeit | |
> nicht zu ersetzen. Mit einer politischen Lösung wäre das Ende der UNRWA | |
> machbar. | |
Bild: Ausgabe von Hilfsgütern durch die UNRWA in Chan Yunis im südlichen Gaza… | |
Pünktlich zum Ende der Woche schickt das UN-Hilfswerk für palästinensische | |
Geflüchtete (UNRWA) einen Spendenaufruf – wie immer seit Beginn des | |
jüngsten Kriegs im Gazastreifen. Dieser Tage hat der Aufruf und der | |
dramatische Hinweis auf die katastrophale humanitäre Lage von rund zwei | |
Millionen Menschen in dem Küstengebiet jedoch einen schalen Beigeschmack. | |
UNRWA-Mitarbeiter sollen in den brutalen Überfall der Hamas verwickelt | |
gewesen sein und die Terrormiliz unterstützt haben. | |
Die israelische Regierung hat Beweismaterial ihrer Geheimdienste an | |
US-Medien durchgestochen. Es geht um die unmittelbare Beteiligung an dem | |
Massaker vom 7. Oktober und um rund 10 Prozent aller | |
[1][UNRWA-Angestellten, die Verbindungen zur Hamas] haben sollen. Bekannt | |
ist, dass neben den Terroristen auch Zivilisten am 7. Oktober gemordet, | |
geplündert, israelische Bürger:innen verschleppt haben. Nicht belegt ist | |
hingegen eine direkte Beteiligung von UNRWA-Mitarbeitern. | |
Die Dokumente, die den israelischen Geheimdiensten vorliegen, sind nicht | |
veröffentlicht und einige Aussagen widersprüchlich, wie [2][ein aktueller | |
Bericht von Sky News] zeigt, der nun nicht mehr von zwölf mutmaßlich | |
Beteiligten spricht, sondern nur noch von sechs Personen. Tatsächlich | |
kommen die Anschuldigungen nicht überraschend, gibt es doch seit Jahren | |
Diskussionen über Lehrbücher, die antisemitische Hassbilder in | |
UNRWA-Schulen verbreiten. | |
Gemessen an den rund 13.000 Mitarbeitern der Organisation ist die Anzahl | |
der Menschen, die die Hamas unterstützen, aber offenbar doch recht gering. | |
Der Einsatz von Hilfsorganisationen in Krisengebieten ist bedingungslos | |
zu akzeptieren. Das gebietet die Menschlichkeit. Und zugleich birgt die | |
Zusammenarbeit mit lokalen Partnern immer auch ein Restrisiko. So auch im | |
Gazastreifen, in dem das UNRWA einer der größten Arbeitgeber ist. Wohin | |
fließen Gelder? Wer unterstützt welche Milizen? | |
## Über Jahrzehnte gewachsene Strukturen | |
Natürlich muss es Kontrollmechanismen geben, um einen Missbrauch der | |
Hilfsgelder auszuschließen. Sollten die UNRWA-Geberländer ihre Zahlungen | |
nicht umgehend wieder aufnehmen, [3][droht ein Massensterben]. Das betrifft | |
auch die Bundesregierung, die zu Recht auf eine lückenlose Aufklärung der | |
Vorwürfe drängt. UNRWA-Chef Philippe Lazzarini leitete Untersuchungen ein. | |
Was einfach klingt, ist derzeit schlichtweg nicht machbar. | |
Eine sofortige Übergabe an andere Organisationen ist allein aufgrund der | |
über Jahrzehnte gewachsenen Verteilungsstrukturen in Gaza nicht möglich. | |
Sie zu ersetzen, bräuchte Zeit. [4][Zeit, die die palästinensische | |
Zivilbevölkerung nicht hat]. Die größte Herausforderung aber ist, den | |
UNRWA-Auftrag zu reformieren. Zentral ist das verankerte Rückkehrrecht | |
aller palästinensischen Geflüchteten. Wohin? Dafür gibt es derzeit keinen | |
validen Plan, der politisch gedeckt wäre. | |
Seit 1949 – mit der Gründung des UNRWA – hängen palästinensische | |
Geflüchtete am Tropf internationaler Organisationen. Nicht nur im | |
Gazastreifen und der Westbank, sondern auch in Syrien, im Libanon und | |
andernorts. Eine Integration in die jeweiligen Sozialsysteme der Staaten | |
war dort nicht gewollt. Eine Aufnahme der palästinensischen Flüchtlinge für | |
immer war nicht geplant, nicht von den meisten Gaststaaten und noch weniger | |
von der PLO. | |
## Unersetzlicher Rettungsanker | |
Das Ende des UNRWA ist da, wenn es zu einer wie auch immer gearteten | |
Zweistaatenlösung kommt, also zur Gründung eines palästinensischen Staats, | |
in dem die Geflüchteten und ihre Nachfahren leben könnten, wenn sie sich | |
dazu entscheiden. Aus israelischer Sicht ist dieser Plan vom Tisch, doch | |
gerade in diesen Wochen drängen vor allem die [5][USA und auch Deutschland | |
auf die Zweistaatenlösung]. | |
Den Druck auf Jerusalem aufrechtzuerhalten und eine diplomatische Lösung | |
voranzutreiben, ist das Gebot der Stunde. Solange das nicht passiert, gilt, | |
was das Hilfswerk in seinem Aufruf schreibt: Die Menschen in Gaza sind | |
abhängig vom UNRWA, ihrem unersetzlichen Rettungsanker. | |
3 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.haaretz.com/israel-news/2024-01-29/ty-article/israel-accuses-19… | |
[2] https://news.sky.com/story/israeli-intelligence-report-claims-four-unrwa-st… | |
[3] /Palaestinenserhilfswerk-und-7-Oktober/!5985561 | |
[4] /Humanitaere-Lage-im-Gazastreifen/!5977756 | |
[5] /Nach-dem-Krieg-in-Gaza/!5979106 | |
## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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