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# taz.de -- Judentum in Hamburg: Liberale wollen gleiche Rechte
> Hamburgs liberales Judentum fühlt sich benachteiligt. Die Gemeinde
> fordert mehr Respekt, die Rückgabe eines Grundstücks und eine eigene
> Synagoge.
Bild: Bröckelnder Backstein: die denkmalgeschützten Überreste des ersten Tem…
Hamburg taz | Dass es schlecht stehe um das liberale Hamburger Judentum,
dafür wären sie ein gutes Symbol: Lange vernachlässigt, stehen die Reste
eines einst neuartigen jüdischen Tempels in einem Hinterhof im Stadtteil
Neustadt. 1944 von Bomben getroffen, später Jahrzehnte lang der Witterung
ausgesetzt, ist in erbärmlichem Zustand, was manchen doch als [1][Keimzelle
für das liberale Judentum] gilt, wie es sich insbesondere in Nordamerika
erhalten hat.
Einen konkreten Vorschlag für die Zukunft der geschichtsträchtigen
Immobilie hat Hamburgs liberale jüdische Gemeinde gemacht: einen
Wiederaufbau. Und stellte am gestrigen Montag gleich eine
Machbarkeitsstudie vor.
Dass es schlecht stehe um ihre Gemeinde, das wollten Galina Jarkova und
Eike Steinig gar nicht behaupten, als sie per Videokonferenz vor die Presse
traten: Nein, die Gemeinde wächst, davon erzählten die beiden
Vorstandsvorsitzenden: 342 Mitglieder hat der „Israelitische Tempelverband“
derzeit.
[2][Auf 2.300 beziffert] die größere jüdische Einheitsgemeinde die Zahl
ihrer Gläubigen. Jüdische Menschen indes gibt es in Hamburg bis zu 10.000,
da bilden also nicht mal beide Gemeinden zusammen auch nur annähernd das
Ganze ab.
## Grundstück ist nicht gleich Grundstück
„Beide jüdische Gemeinden müssen gleichberechtigt und gleichwertig
behandelt und gefördert werden“, unterstrichen Jarkova und Steinig nun. Das
betrifft auch die Ruine in der Hamburger Neustadt: Seit 2020 gehört das
Areal in der Poolstraße der Stadt, die es aber „entwickelt“ sehen möchte;
der Tempelverein verweist auf Aussagen des Hamburger Finanzsenators Andreas
Dressel (SPD), wonach sich das ganze „wirtschaftlich selbst tragen müsse“.
Jarkova und Steinig beklagten am Montag, dass der Senat den liberalen
Jüdinnen und Juden nach wie vor echte Anerkennung vorenthalte. Das meint
etwa die Einstufung der Gemeinde als Körperschaft öffentlichen Rechts, was
allerlei Vorteile hätte. Derzeit als Verein, also privatrechtlich
organisiert, hat die Gemeinde Mitte 2021 einen Antrag auf
„Statusfeststellung“ gestellt. Der liegt seither beim Senat.
Gut möglich, dass mit einer öffentlich-rechtlich verfassten liberalen
jüdischen Gemeinde anders umgegangen worden wäre, seit der rot-grüne Senat
im Herbst 2019 sein Herz für die Vielfalt jüdischen Lebens entdeckte:
Sichtlich unter dem Eindruck des [3][antisemitischen Attentats in Halle]
kam damals ein Synagogenbau gleich neben dem Universitätscampus auf die
Agenda, da, wo bis 1939 Norddeutschlands größte – orthodoxe – Synagoge
stand. Inzwischen haben Stadt und Bund [4][rund 130 Millionen Euro für
einen Neubau] bewilligt.
Freude darüber haben die liberalen Gemeindevertreter:innen immer wieder
bekundet. Aber auch darauf hingewiesen, dass sie nie mit an den Tisch
gebeten werden. In Sachen Bornplatz spricht die Stadt vielmehr exklusiv mit
der größeren Einheitsgemeinde. Die wiederum nimmt gern für sich in
Anspruch, das Hamburger Judentum in seiner ganzen Breite zu repräsentieren:
Immerhin hat sie ja auch einen reformierten Flügel.
## Ruf nach Rückgabe
Echte Gleichbehandlung, das hieße aus Sicht der liberalen Jüdinnen und
Juden aber die Restitution des 1937 unter Zwang verkauften Grundstücks – so
wie die Stadt auch am Bornplatz Grund zurückgegeben hat an die
Einheitsgemeinde. In der Poolstraße könnte für vergleichsweise wenig Geld
ein neuer Tempel entstehen, respektive der einst dort bestehende
rekonstruiert werden.
Konkrete Entwürfe, wie das aussehen könnte, präsentierte nun der Berliner
Architekt Jost Haberland, der gerade [5][ein vergleichbares
Synagogenprojekt in Potsdam] zu Ende gebracht hat. Neben der religiösen
Nutzung erwähnt das Konzept unter anderem einen liberalen Kindergarten,
einen jüdischen Buch-, Souvenir- und Lebensmittelladen sowie ein koscheres
Besucher:innencafé. „Die kalkulierten Gesamtkosten“ heißt es da, beliefen
sich auf knapp unter 20 Millionen Euro.
5 Feb 2024
## LINKS
[1] /200-Jahre-Reformjudentum/!5464453
[2] https://www.zentralratderjuden.de/vor-ort/landesverbaende/key//juedische-ge…
[3] /Halle-Attentaeter-erneut-vor-Gericht/!5984765
[4] /Bund-gibt-Geld-fuer-Hamburger-Synagoge/!5732132
[5] /Zank-ueber-Potsdamer-Synagogen-Neubau/!5037649
## AUTOREN
Alexander Diehl
## TAGS
Judentum
Hamburg
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Religion
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Judentum
Hamburg
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