| # taz.de -- Kritik am Bundeshaushalt 2024: „Wirtschaftspolitisches Harakiri“ | |
| > Nach der Einigung auf den Bundeshaushalt 2024 ist die Kritik hart: Der | |
| > Etat sei ein „Konjunkturprogramm für Demokratiefeinde“, warnt die Linke. | |
| Bild: Die drei vom Haushalt: die Chefs der Koalition Habeck, Scholz und Lindner… | |
| Berlin rtr/afp | Linken-Chef Martin Schirdewan hat die Vereinbarungen der | |
| Ampelkoalition zum [1][Haushalt 2024] scharf kritisiert. „Die deutsche | |
| Wirtschaft kommt nicht aus der Talsohle, aber die deutsche Regierung spart | |
| und betreibt wirtschaftspolitisches Harakiri“, sagte Schirdewan der | |
| Nachrichtenagentur AFP nach der Einigung am Donnerstagabend. „Anstatt in | |
| die Infrastruktur, Digitales und den klimagerechten Umbau der Wirtschaft zu | |
| investieren, versteckt sich die ‚Ampel‘ hinter der Schuldenbremse, die sie | |
| einfach wieder aussetzen könnte.“ Die Ampel-Politik wirke „wie ein | |
| Konjunkturprogramm für Demokratiefeinde“, warnte Schirdewan. „Und so | |
| schrumpft das Bruttosozialprodukt weiter, während die AfD zulegt.“ | |
| „Schon jetzt ist klar, dass es 2024 weniger Geld für wichtige Investitionen | |
| und Projekte geben wird“, sagte Schirdewan. „So sabotiert die Ampel ihre | |
| eigenen Klimaziele, indem sie Zuschüsse für den Schienengüterverkehr, die | |
| E-Mobilität und die energetische Gebäudesanierung kürzt.“ | |
| Mit zweimonatiger Verspätung hatte die Ampelkoalition zuvor den | |
| [2][Bundeshaushalt für 2024] festgezurrt. In der sogenannten | |
| Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses schwächten SPD, Grüne und FDP | |
| ihre Kürzungspläne am Donnerstag nochmals ab. Zum Schließen der durch ein | |
| Urteil des Bundesverfassungsgerichts aufgerissenen Finanzierungslücke wird | |
| stattdessen vor allem eine unerwartet hohe Rücklage aus dem Jahr 2023 | |
| herangezogen. [3][Die Schuldenbremse soll erstmals seit 2019 wieder | |
| greifen.] Finanzminister Christian Lindner (FDP) kann dennoch bis zu 39 | |
| Milliarden Euro an zusätzlichen Schulden aufnehmen. Der Bundestag soll den | |
| Etat am 2. Februar verabschieden. | |
| SPD-Chefhaushälter Dennis Rohde sprach von einem „Konsolidierungshaushalt“ | |
| nach der hohen Neuverschuldung während der Coronapandemie und zur | |
| Bewältigung der Energiekrise als Folge des Ukraine-Krieges. | |
| Unions-Chefhaushälter Christian Haase (CDU) sprach von einem „kleinen Happy | |
| End nach einem chaotischen Verfahren“. Positiv sei, dass die Ampel nicht in | |
| die Kasse der Bundesagentur für Arbeit (BA) greife und auf die Aussetzung | |
| der Schuldenbremse zur Finanzierung der Fluthilfe Ahrtal verzichte. | |
| ## Lindner: Schuldenbremse wird halten | |
| Lindner zeigte sich überzeugt, dass die Schuldenbremse halten werde. Er | |
| könnte sich gegenwärtig keine Aussetzung vorstellen, sagte der FDP-Chef | |
| Reuters in Davos. „Momentan sehe ich nichts, was das rechtfertigen könnte.“ | |
| Die Regierungsspitzen hatten sich im Dezember allerdings eine Aussetzung | |
| offengehalten, wenn die Lage in der Ukraine unerwartete Mehrausgaben | |
| erfordern sollte. Für den Haushalt 2024 wurde die Ukraine-Militärhilfe auf | |
| rund 8 Milliarden Euro verdoppelt. | |
| Der Bundeshaushalt sieht nun nach den Reuters vorliegenden | |
| Abschlussberechnungen Ausgaben von 476,8 Milliarden Euro vor. Davon gelten | |
| 70,5 Milliarden Euro als Investitionen, zu denen allerdings auch die | |
| Erhöhung des Eigenkapitals der Bahn und Kredite von 12 Milliarden Euro für | |
| den Kapitalstock einer Aktienrente gezählt werden. Beides wird nicht auf | |
| die Schuldenbremse angerechnet. Diese finanziellen Transaktionen erhöhen | |
| den laut Schuldenbremse zulässigen Spielraum für neue Schulden um gut 16,9 | |
| Milliarden Euro auf eine maximal zulässige Nettokreditaufnahme von 39,028 | |
| Milliarden Euro, die vollständig ausgeschöpft werden soll. | |
| Die Koalition verzichtet darauf, bei der Bundesagentur für Arbeit 5,2 | |
| Milliarden Euro über die Jahre 2024 bis 2027 einzusammeln. „Es gibt | |
| verfassungsrechtliche Bedenken“, sagte Grünen-Haushälter Sven-Christian | |
| Kindler. Die Lücke werde ebenso wie die Ahrtal-Fluthilfe in Höhe von knapp | |
| 2,7 Milliarden Euro aus der hohen Rücklage aus 2023 finanziert. Diese hatte | |
| der Ampel einen Geldsegen von 6,3 Milliarden Euro beschert. | |
| Die Höhe der Rücklage stand erst am Dienstag nach dem Haushaltsabschluss | |
| des Finanzministeriums fest. In der Koalition wurde Unmut geäußert, dass | |
| Lindner zunächst Spardruck hin zu unpopulären Beschlüssen aufgebaut habe, | |
| obwohl nun mehr Geld in der Kasse sei. An den Kürzungen beim Agrardiesel | |
| hält die Ampel fest. Der Bauernverband hatte weitere Proteste ab Montag | |
| angekündigt, wenn die Ampel das Vorhaben nicht zurücknimmt. | |
| ## Lücke von 17 Milliarden Euro musste geschlossen werden | |
| Der Abschluss der Haushaltsberatungen war ursprünglich bereits Mitte | |
| November vorgesehen. Einen Tag vorher strich das Bundesverfassungsgericht | |
| der Regierung aber 60 Milliarden Euro, die die Ampelkoalition | |
| verfassungswidrig aus Corona-Krediten in den Klima- und | |
| Transformationsfonds übertragen hatte. Die Regierung musste daher den | |
| Haushalt für 2024 neu planen und eine zunächst auf 17 Milliarden Euro | |
| bezifferte Lücke schließen. Dazu dienen etwa eine Anhebung der | |
| Luftverkehrsteuer wie auch Einsparungen im Bürgergeld und beim Agrardiesel. | |
| Der Haushaltsausschuss beschloss weitere Änderungen am Regierungsentwurf. | |
| So wurden noch 12 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen für die | |
| Aktienrente in den Etat eingeplant. Für dieses sogenannte | |
| Generationenkapital und eine Garantie des Rentenniveaus bei 48 Prozent | |
| eines Durchschnittslohns wollen Lindner und Arbeitsminister Hubertus Heil | |
| (SPD) im ersten Quartal ein Gesetzespaket vorlegen. Wegen der fehlenden | |
| Rechtsgrundlage hatte die Koalition 2023 ursprünglich geplante 10 | |
| Milliarden Euro für die Aktienrente wieder gestrichen. | |
| Auf Antrag der Ampel-Fraktionen wurden etwa die verschärften Sanktionen im | |
| Bürgergeld gegen sogenannte Totalverweigerer auf zwei Jahre befristet. | |
| Bauministerin Klara Geywitz (SPD) wurde eine Milliarde Euro in Aussicht | |
| gestellt für ein weiteres Förderprogramm für den Neubau energieeffizienter, | |
| kleiner Wohnungen, für die ein Mietpreiskorridor im unteren Drittel des | |
| Mietspiegels festgeschrieben werden soll. Für 2024 sind 10 Millionen Euro | |
| vorgesehen, aber Geywitz darf Ausgaben für die kommenden Jahre von bis zu | |
| einer Milliarde Euro eingehen. | |
| 19 Jan 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-986976 | |
| [2] /Debatte-ueber-den-Bundeshaushalt/!5985095 | |
| [3] /Oekonom-ueber-die-Schuldenbremse/!5982979 | |
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