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# taz.de -- EU-Lieferkettengesetz: Unternehmen wollen Regeln
> Wirtschaftsverbände laufen Sturm gegen das EU-Lieferkettengesetz, die FDP
> will es verhindern. Dabei sind viele Unternehmen für ein starkes Gesetz.
Bild: Eine Frau arbeitet in einer Textilfabrik. Die Kirchen haben die Regierung…
Leipzig taz | Milliardenschwere Reedereien, ein großer deutscher
Supermarkt, ein Möbelgigant, ein Pharma-Unternehmen, mittelständische
Bekleidungshersteller aus Süddeutschland – sie alle wollen, dass die
Politik ihre Lieferketten reguliert: mit einem starken
EU-Lieferkettengesetz.
Das ist bemerkenswert. Denn momentan scheint es in Deutschland so, als
laufe die gesamte Wirtschaft Sturm gegen das Gesetz, das einheitliche
Regeln für den Schutz von Menschenrechten in den Lieferketten größerer
Unternehmen schaffen soll. Zu viel Bürokratie, heißt es, eine Überlastung
kleiner Unternehmen, das Ende des Wirtschaftsstandorts Europa.
Hinter dem Wirbel steckt eine breite Kampagne deutscher
Wirtschaftsverbände. In einem gemeinsamen Brief an den Bundeskanzler
forderten der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), die Deutsche
Industrie- und Handelskammer (DIHK) und der Zentralverband des Deutschen
Handwerks (ZDH), dem geplanten Gesetz nicht zuzustimmen.
Das Gesetz ist fertig verhandelt und muss im Februar eigentlich nur noch
formal beschlossen werden. Doch auf den letzten Metern stellt die FDP sich
quer, flankiert von den lauten Stimmen deutscher Verbände.
## Unternehmen wollen starkes Gesetz
Nur: Wer sich bei Unternehmen umhört, bekommt ein viel differenzierteres
Bild. [1][Mittelständler] und Großkonzerne in Deutschland und Europa
sprechen sich für ein starkes Gesetz aus. Die Reedereien Maersk und
Hapag-Lloyd etwa, der Konsumgüterriese Unilever, der Möbelgigant Ikea, der
Discounter Aldi Süd, der Versandhandel Hess Natur, das
Bekleidungsunternehmen S.Oliver oder der Outdoor-Hersteller Vaude. [2][In
Dänemark] und in den Niederlanden haben große Wirtschaftsverbände ein
starkes Lieferkettengesetz ausdrücklich begrüßt – ganz im Gegensatz zu
ihren deutschen Partnern.
Im Dezember hat sich die EU nach mehrjähriger Verhandlung auf ein relativ
scharfes Lieferkettengesetz geeinigt. Nach der Richtlinie können etwa
Betroffene von Menschenrechtsverletzungen Unternehmen unter bestimmten
Voraussetzungen auf Schadenersatz verklagen. Das ist nach dem deutschen
Lieferkettengesetz nicht möglich, das seit Anfang 2023 in Kraft ist.
## FDP blockt
Justizminister Buschmann von der FDP war an den Verhandlungen beteiligt –
und trotzdem versucht die FDP, das Gesetz auf der Zielgeraden zu stoppen.
Wenn die FDP sich innerhalb der Ampelkoalition weiter querstellt, muss die
Bundesregierung sich bei der formalen Abstimmung im EU-Rat im Februar
enthalten. Ziehen daraufhin weitere Länder ihre Zustimmung zurück, wäre das
Gesetz auf den letzten Metern gescheitert. Die FDP nutzt für ihre Blockade
die Argumente der Wirtschaftsverbände. Nur: Offensichtlich sprechen die
Verbände nicht für alle Unternehmen.
Umfragen zeigen, dass sich Unternehmen in Deutschland längst auf die
Lieferkettengesetze eingestellt haben. Die Unternehmensberatung Inverto hat
jüngst für eine Studie über 600 Manager großer deutscher und französischer
Unternehmen befragt. Ein Großteil der Firmen plant demnach bereits mit
einem europäischen Lieferkettengesetz. Drei Viertel der Befragten rechnen
durch eine einheitliche EU-Richtlinie sogar mit zusätzlichen Einnahmen.
## Tchibo-Managerin: „Entsetzt über das Handeln der FDP“
Beispiel Aldi Süd. Man begrüße die Einigung, schreibt der Discounter auf
Anfrage. Sie schaffe ein „level playing field“, also gleiche Bedingungen
für alle Wettbewerber. Ein spanischer Supermarkt etwa muss mit dem neuen
Gesetz dieselben Regeln befolgen wie der Supermarkt Aldi, der momentan
durch das deutsche Lieferkettengesetz vergleichsweise viel Aufwand hat.
Ähnlich argumentiert die Bekleidungsfirma s.Oliver.
Das Unternehmen Tchibo, bekannt für Kaffee und Konsumgüter, geht von sich
aus in die Offensive. „Es ist wichtig, dass Deutschland dieser
EU-Richtlinie […] jetzt zustimmt“, schreibt Johanna von Stechow, Leiterin
der Unternehmensverantwortung [3][auf LinkedIn]. Ihre Kollegin Frederike
Boll, Managerin im Bereich Menschenrechte, ergänzt: „Ich bin entsetzt über
das Handeln der FDP und hoffe, dass der Rest der Bundesregierung stabil
bleibt und sich durchsetzt, für das europäische Lieferkettengesetz zu
stimmen.“ Dem Vernehmen nach will sich die Bundesregierung dieses
Wochenende auf eine gemeinsame Linie einigen, beteiligt sei auch
Bundeskanzler Scholz.
## Menschenrechte und gutes Wirtschaften: kein Widerspruch
Die „Responsible Business Alliance“, ein Zusammenschluss aus 230
internationalen Unternehmen, habe sich in diesen Tagen erneut an den
Bundeskanzler gewandt, um ihre Wertschätzung für das Gesetz auszudrücken,
heißt es. Zu dem Unternehmensbündnis zählen etwa BMW, Airbus oder Amazon.
Antje von Dewitz, die Geschäftsführerin des Outdoor-Herstellers Vaude aus
Baden-Württemberg, hat dem Bundeskanzler sogar einen offenen Brief
geschrieben, damit er dem Gesetz zustimmt. Darin steht: „Es ist möglich,
Verantwortung in der Lieferkette zu übernehmen und gleichzeitig
wirtschaftlich erfolgreich zu sein.“
28 Jan 2024
## LINKS
[1] https://www.vaude.com/de/de/blog/post/eu-lieferkettengesetz-unser-appell-an…
[2] https://etiskhandel.dk/eu-direktiv-er-nu-vedtaget-loven-bliver-central-for-…
[3] https://de.linkedin.com/posts/johanna-von-stechow-02973b118_lieferkettenges…
## AUTOREN
Jonas Seufert
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