# taz.de -- Verwässerung zu befürchten: Schlichtungsversuch zu Lieferkette | |
> Ein EU-Gesetz soll verhindern, dass für Produkte Menschenrechte verletzt | |
> werden. Die FDP und damit die Bundesregierung machen nicht mit. | |
Bild: Textilfabrik in Ägypten: Geschädigte Arbeiter:innen von Zulieferfabrike… | |
BERLIN taz | Es sieht nicht gut aus für die europäische | |
[1][Lieferketten]-Richtlinie. Kurz vor Ende der offiziellen Fristen laufen | |
in Brüssel die möglicherweise letzten Verhandlungen – mit ungewissem | |
Ausgang. | |
Die Richtlinie soll europäische Unternehmen ab 500 Beschäftigten zur Sorge | |
um die Menschenrechte in ihren weltweiten Zulieferfabriken verpflichten. | |
Hiesige Auftraggeber wie Supermärkte und Textilhändler müssten dazu | |
beitragen, dass die ausländischen Arbeiter:innen beispielsweise | |
Mindestlöhne erhalten und Mindesturlaub in Anspruch nehmen können. | |
Das unterstützen sogar viele [2][der potenziell betroffenen Unternehmen]. | |
Den Juristen Markus Krajewski erstaunt das nicht: Im Vergleich zur | |
bisherigen Situation würden deutsche Firmen durch die Regelungen mehr | |
Rechtssicherheit bekommen, argumentiert der Professor für Völkerrecht der | |
Universität Erlangen-Nürnberg. Neben neuen Pflichten gäbe es also auch neue | |
Vorteile für die Wirtschaft. | |
Kurz vor dem endgültigen Beschluss des Lieferkettengesetzes auf | |
europäischer Ebene legte allerdings die FDP ihr Veto ein, sodass sich die | |
Bundesregierung bei der noch ausstehenden Abstimmung der EU-Mitgliedstaaten | |
enthalten muss. Weil deshalb bisher keine Mehrheit zustande kam, unternimmt | |
die belgische Regierung, die aktuell den Vorsitz des Rats hat, nun noch | |
einmal einen Kompromissversuch. | |
## Das deutsche Lieferkettengesetz geht nicht so weit | |
Einer der strittigen Punkte ist die zivilrechtliche Haftung für | |
Unternehmen, die die EU-Richtlinie enthält. Geschädigte Arbeiter:innen | |
von Zulieferfabriken könnten Schadenersatz von hiesigen Auftraggebern | |
einklagen. Das kritisieren [3][unter anderem deutsche Wirtschaftsverbände | |
und die FDP]. Nach Ansicht von Rechtsprofessor Krajewski würden Unternehmen | |
damit aber nicht schlechter fahren. | |
Denn nach der Analyse des Juristen stellt sich die Lage augenblicklich so | |
dar: Auch heute müssten Unternehmen für Schäden haften, die sie | |
verursachen. Allerdings kommt dabei „nach internationalem Privatrecht das | |
Recht des Schadensorts zur Anwendung, bei Schäden im Ausland also | |
ausländisches Recht.“ Daran habe das deutsche Lieferkettengesetz, das | |
bereits in Kraft ist, nichts geändert, sagt Krajewski. | |
Reichen beispielsweise pakistanische Beschäftigte hierzulande eine Klage | |
gegen ein deutsches Unternehmen ein, muss das hiesige Gericht auf Basis von | |
pakistanischem Recht entscheiden. Damit jedoch ist hier kaum jemand | |
vertraut. Die Folge: Rechtsunsicherheit. | |
„Demgegenüber soll die EU-Lieferketten-Richtlinie regeln, dass das | |
Heimatrecht des beklagten Unternehmens gilt, also deutsches Recht, wenn die | |
Firma in Deutschland sitzt“, erklärt Krajewski. „Aus meiner Sicht ist das | |
für hiesige Unternehmen von Vorteil, weil sie sich mit der Rechtsordnung | |
auskennen.“ | |
Im Zuge der Verhandlungen um einen Kompromiss erscheint es währenddessen | |
möglich, dass die Richtlinie abgeschwächt wird. Einem Bericht des | |
Informationsdienstes Euractiv zufolge will die französische Regierung die | |
Untergrenze für Unternehmen von 500 auf 5.000 Beschäftigte heraufsetzen. | |
Dann würden statt 15.000 Firmen nur noch etwa 1.400 Unternehmen unter die | |
Richtlinie fallen. | |
Eventuell wird sich der Rat der Mitgliedstaaten noch diese Woche mit dem | |
Konflikt befassen. Eine Abstimmung ist aber bisher nicht geplant. Aus dem | |
Europäischen Parlament heißt es, dass ein Verhandlungsergebnis spätestens | |
in der kommenden Woche vorliegen müsse, um die abschließende Entscheidung | |
noch in dieser Legislaturperiode vor den Europawahlen im Juni zu | |
ermöglichen. | |
6 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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