# taz.de -- Kritik an Arbeitsbedingungen bei Moia: Die Billig-Chauffeure von VW | |
> Der Shuttleservice Moia will die Verkehrswende gestalten und wird dafür | |
> vom Bund gefördert. Die Fahrer:innen klagen über miese | |
> Arbeitsbedingungen. | |
Bild: Sieht so die Zukunft des ÖPNV aus? „Moia“-Flotte wartet auf Fahrer:i… | |
HAMBURG taz | Für manche sind sie karamellfarben, für andere eher golden. | |
Zumindest sind es kleine Busse, die unter dem Namen Moia seit 2017 in | |
Hannover und [1][seit 2019 in Hamburg] unterwegs sind. Seit 2023 sind die | |
Sammeltaxis in Hamburg als „eigenwirtschaftlicher Linienbedarfsverkehr“ | |
offiziell in den ÖPNV integriert. Immer wieder stehen die | |
Arbeitsbedingungen und die Bezahlung der Fahrer:innen in der Kritik. Die | |
Gewerkschaft IG-Metall fordert schon länger mehr Geld und eine | |
Tarifbindung. | |
Zuletzt hatten die Fahrer:innen im Herbst 2023 zweimal gestreikt, | |
nachdem das Unternehmen Tarifverhandlungen abgebrochen hatte. Am Mittwoch | |
hat das Unternehmen nun erneut die Forderungen abgelehnt. | |
Susanne Markgraf ist am Ende froh, da raus zu sein. „So kann ich noch in | |
den Spiegel gucken“, sagt die ehemalige Moia-Mitarbeiterin. Markgraf, die | |
eigentlich anders heißt, hat einige Jahre lang bei Moia gearbeitet. Erst | |
als Fahrerin und später war sie als „Driver Manager“ die direkte | |
Vorgesetzte für ein Team von Fahrer:innen. | |
Markgraf berichtet der taz von einem Klima der Einschüchterung bei Moia. | |
Als Driver Manager sei sie dazu angehalten worden, dafür zu sorgen, dass | |
die Fahrer:innen möglichst wenig wegen Krankheit ausfallen. „Hauptthema, | |
wonach Driver Manager bewertet werden, ist: Kommen deren Leute zur | |
Arbeit?“, sagt Markgraf. Dieser Druck werde an die Fahrer:innen | |
weitergeben. Anrufe bei krank gemeldeten Fahrer:innen seien die Regel. | |
Fahrer:innen werden ständig wegen Kleinigkeiten zum Gespräch gebeten | |
oder abgemahnt, täglich werde Fahrer:innen gekündigt, sagt Markgraf, | |
meist noch in der Probezeit. Viele hätten deswegen Angst um ihre Jobs und | |
kämen auch krank zur Arbeit. | |
Einmal habe Susanne Markgraf einen Fahrer nach Hause geschickt, der | |
eindeutig nicht mehr habe arbeiten können. „Der war blass wie ’ne wandelnde | |
Leiche und wär’ fast umgekippt“, sagt sie. „Das zu sehen tat schon weh.�… | |
Die Arbeitsbedingungen bei Moia [2][stehen schon länger in der Kritik.] | |
Unter anderem hatten Fahrer:innen kritisiert, dass sie Pinkelpausen erst | |
in einer App beantragen müssen. Aktuell befindet sich die Gewerkschaft in | |
Auseinandersetzung um eine bessere Bezahlung der Fahrer:innen. Die liegt | |
mit 13 Euro pro Stunde zwar über dem Mindestlohn von derzeit 12,41 Euro, | |
aber weit unter dem niedrigsten Haustarif von 17 Euro die Stunde beim | |
Mutterkonzern VW. | |
Rund 30 Prozent der Fahrer:innen arbeiten in Teilzeit, die meisten von | |
ihnen hätten noch andere Jobs, um über die Runden zu kommen. „Selbst viele | |
Vollzeitfahrer haben Nebenjobs, weil das Geld am Ende des Monats nicht | |
reicht“, sagt Peter Alexander, Betriebsrat bei Moia. | |
Moia wirbt offensiv um neue Fahrer:innen, online und mit Aufdrucken auf den | |
Bussen selbst. „Gestalte die [3][Mobilität der Zukunft]“, schreibt das | |
Unternehmen und verspricht Vollzeitfahrer:innen inklusive Zuschlägen | |
für Wochenend-, Feiertags- und Nachtfahrten „monatlich durchschnittlich | |
2.700 Euro“. | |
In der Realität verdienten die meisten Fahrer:innen um einiges weniger, | |
sagt Betriebsrat Alexander. „So ein Gehalt ist zwar möglich, aber man | |
braucht viele Sonntags- und Nachtschichten.“ Besonders für Menschen mit | |
Familie ist das schwer machbar. Viele Fahrer:innen habe die Werbung | |
daher geärgert, sagt Alexander. | |
Die Stimmung zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen war schon vor der | |
Werbekampagne angespannt. Ende vergangenen Jahres wurde bekannt, dass Moia | |
sich in zahlreichen Fällen mit Mitarbeitenden vor Gericht streitet. In über | |
130 arbeitsgerichtliche Prozesse ist Moia in Hamburg seit 2019 involviert | |
gewesen, ein Großteil davon betreffen Kündigungen. Das hatte eine Kleine | |
Anfrage der Linksfraktion in der Bürgerschaft ergeben. | |
„Es gibt eine sehr hohe Fluktuation“, bestätigt Peter Alexander. Diese | |
betreffe nicht nur die 900 Fahrer:innen in Hamburg, sondern auch deren | |
Vorgesetzten, die 30 Driver Manager. Nur die wenigsten von ihnen seien von | |
Anfang an dabei. | |
David Stoop, gewerkschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion in der | |
Hamburgischen Bürgerschaft, wirft dem Konzern vor, aus strategischen | |
Gründen Kündigungen auszusprechen – mit dem Ziel, „Unsicherheit bei den | |
Beschäftigten zu schüren“, sagt Stoop. Moia weist die Vorwürfe als | |
„haltlos“ von sich, man setze „bewusst auf eine langfristige | |
Mitarbeiterbindung“. | |
Dass die Positionen der Fahrer:innen wie auch die der Driver Manager | |
ohnehin ein Ablaufdatum haben, daraus macht Moia kein Geheimnis. In Zukunft | |
sollen die schwarz-goldenen Kleinbusse nämlich autonom, also ohne | |
menschliche Fahrer:innen auf den Straßen unterwegs sein. Bis 2030 will | |
das Unternehmen nach eigenen Angaben an die 10.000 [4][autonom fahrende | |
Shuttles] in Hamburg einsetzen. Gemeinsam mit VW, der Hamburger Hochbahn | |
und dem Automobilzulieferer Benteler wird dieses Vorhaben im | |
Forschungsprojekt „Alike“ entwickelt. Schon 2025 sollen die ersten | |
Fahrgäste in Hamburg mitfahren können. | |
Das Projekt wird mit Geld vom Bund gefördert. Im Oktober 2023 hat | |
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bei einem Besuch in Hamburg | |
medienwirksam einen Scheck über rund 26 Millionen Euro übergeben. Die Stadt | |
Hamburg ist Projektpartnerin. David Stoop sieht daher den Senat und den | |
Bund in der Pflicht, sich bei Moia für bessere Arbeitsbedingungen | |
einzusetzen. | |
Für Betriebsrat Peter Alexander ist es auch der Mutterkonzern VW, den er in | |
der Verantwortung sieht. VW will zur Kritik an den Arbeitsbedingungen bei | |
Moia nichts sagen. Auch auf Nachfrage verweist man an Moia. | |
Susanne Markgraf hat es in ihrer Zeit bei bei Moia so erlebt, dass die | |
Menschen nur als Nummern auf Papier gesehen wurden. „Mir wurde von Kollegen | |
und Chefs gesagt, dass ich zu nett war“. | |
In einer älteren Version dieses Textes war von dem Automobilhersteller | |
Holon die Rede, gemeint war jedoch der Automobilizulieferer Benteler. Holon | |
ist lediglich ein Markenname der Firma Benteler. | |
28 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Amira Klute | |
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