| # taz.de -- Umverteilung gegen Armut: Reiche essen sich nicht selbst | |
| > Die Millionenerbin Marlene Engelhorn will Millionen verschenken und wird | |
| > dafür bejubelt. Das ist naiv. Der Fehler liegt schon in ihrer | |
| > Perspektive. | |
| Bild: Bisschen abgehoben, die Reichen | |
| Als [1][die österreichische Millionenerbin Marlene Engelhorn] vergangene | |
| Woche angekündigt hat, einen Großteil ihres Erbes umzuverteilen, war der | |
| Jubel im linksliberalen Milieu groß – und naiv. Über ein Gremium mit dem | |
| Namen „Guter Rat für Rückverteilung“ will die Nachfahrin von BASF-Gründer | |
| Friedrich Engelhorn 25 Millionen Euro zurück an die Gesellschaft geben. | |
| Die zufällig ausgewählten Mitglieder des Gremiums sollen darüber | |
| beratschlagen, was mit dem Geld passiert. Es dürfe nur, so Engelhorn, nicht | |
| für verfassungswidrige, lebensfeindliche, menschenverachtende oder | |
| profitorientierte Zwecke eingesetzt werden. Engelhorn betonte, sie habe | |
| keinerlei Entscheidungsgewalt bezüglich der Verteilung ihres Erbes. | |
| In den sozialen Medien sorgt Engelhorns Ankündigung für Begeisterung. | |
| [2][Für Politikwissenschaftlerin und Autorin Natascha Strobel ist die | |
| Aktion ein „Lichtblick“], die Gründerin der Plattform „Ungleichheit“, | |
| [3][Martyna Linartas, fühlt „Dankbarkeit, Hoffnung, irgendwie auch Stolz“] | |
| ob der frohen Botschaft. | |
| Auch linke Medien stimmen in den Begeisterungssturm mit ein. [4][So | |
| schreibt die Tageszeitung nd], man wünsche sich „solche | |
| Klassenverräterinnen“. [5][Der österreichische Standard kommentiert ihren | |
| „famosen Auftritt“], zieht sogar Parallelen zu Johanna von Orleans. Also zu | |
| einer französischen Nationalheldin und Kriegerin, die im 15. Jahrhundert | |
| verbrannt wurde. | |
| ## Es gilt: Geld strömt nach oben | |
| Diese Reaktionen sind Ausdruck einer Marginalisierung linker Politik. Am | |
| Montag hat die Hilfsorganisation Oxfam eine Studie veröffentlicht, die eine | |
| Erklärung für derartige Gefühlsausbrüche liefert. Das Vermögen der fünf | |
| reichsten Männer habe sich seit 2020 mehr als verdoppelt. Die knapp 5 | |
| Milliarden ärmsten Menschen weltweit verloren in derselben Zeit Vermögen in | |
| Höhe von 20 Milliarden Dollar. Engelhorns Initiative wird bejubelt, weil | |
| sie so unwahrscheinlich ist. | |
| Bei der Entwicklung, wie sie Oxfam skizziert, handelt es sich dagegen um | |
| die Regel: Geld strömt nach oben, während freiwilliger Aktivismus von | |
| Reichen und Superreichen mit der Lupe zu suchen ist. Wer nun Engelhorns | |
| Engagement zur Umverteilung als den Beginn einer Zeitenwende liest, in der | |
| Initiativen wie taxmenow mit ihren Forderungen einer gerechteren | |
| Besteuerung den Anfang machen, liegt falsch. | |
| Der Fehler ist schon in der Position Engelhorns begründet: Wenn die | |
| gesellschaftliche Linke darauf wartet, dass Reiche eigene Vorstellungen von | |
| einer gerechten Welt formulieren, ist sie verloren, denn die Reichen | |
| formulieren diese Vorstellungen zu ihren eigenen Bedingungen. | |
| Wie die Bedingungen aussehen, hat Engelhorn skizziert. Ihre | |
| Herangehensweise, einen Querschnitt der Gesellschaft für den von ihr | |
| initiierten Umverteilungsrat zu adressieren, statt von vornherein die | |
| Interessen von Armutsbetroffenen und Ausgegrenzten in den Mittelpunkt zu | |
| stellen, riecht nach liberaler Umverteilung mit der Gießkanne. | |
| ## Gerechte Verteilung von Anfang an | |
| Ein Blick in die Forderungen von taxmenow zeigt: Die Ideen zur Umverteilung | |
| sind gut gemeint, ändern aber nicht viel an dem Hauptproblem linksliberaler | |
| Steuermodelle: Die fordern höhere Besteuerung, nachdem das Geld von unten | |
| nach oben umverteilt wurde. | |
| Hinzu kommt, wie Stephanie Keltorn, die Ökonomin und ehemalige Beraterin | |
| des US-Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders in einem Interview mit dem | |
| Jacobin gesagt hat, dass „das Problem vielmehr darin besteht, dass die | |
| Reichen zuallererst mehr als ihren gerechten Anteil nehmen“. Wenn diese | |
| Ungleichheiten wirklich geändert werden sollen, müssen progressive | |
| Steuerinitiativen genau dort angreifen. Was die Arbeiter*innen | |
| erwirtschaften, dürfte gar nicht erst in so großem Maß an die Reichen | |
| gehen. Nur kann man bei derartigen Rückverteilungsmodellen nicht auf die | |
| Unterstützung Reicher hoffen – denn Reiche essen sich nun mal nicht selbst. | |
| 15 Jan 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Macht-und-Verantwortung/!5765270 | |
| [2] https://twitter.com/Natascha_Strobl/status/1744719006987386952 | |
| [3] https://twitter.com/martyna_lin/status/1744948615284420667 | |
| [4] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179117.personalie-engelhorn-die-klassenv… | |
| [5] https://www.derstandard.de/story/3000000202501/engelhorns-famoser-auftritt-… | |
| ## AUTOREN | |
| Olivier David | |
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