| # taz.de -- Die Frankfurter Crespo Foundation: Punkig Geld ausgeben als Moralph… | |
| > Überall wird die öffentliche Kulturförderung gekürzt. Ist die Crespo | |
| > Foundation mit ihrem ungewöhnlichen Stiftungsmodell eine Alternative? | |
| Bild: Den Glenkeen Garden an der irischen Südküste hat Ulrike Crespo, Gründe… | |
| Der Glenkeen Garden im Südosten von Irland dürfte den Träumen vieler | |
| entsprechen. Ein Ort am Meer, mit Aussicht auf ein Miniaturarchipel. | |
| Teilweise mit Skulpturen, Staudengruppierungen, Wiesen, Wegen, Wäldchen und | |
| Wasserläufen für menschliches Wohlbefinden gestaltet, teilweise ohne | |
| direkte Eingriffe des Menschen der Natur zur Verfügung gestellt. Drei | |
| Häuschen im Cottage-Stil – gut gemacht, mit Komfort aber ohne Luxus – | |
| liegen verstreut [1][in diesem Gartenkunstwerk]. | |
| Diesen Sehnsuchtsort hat die Psychologin, Fotografin und Wella-Erbin Ulrike | |
| Crespo geschaffen. 2019 ist sie gestorben. Ihr Vermögen hat sie der Crespo | |
| Foundation vermacht, um Projekte an der Schnittstellen von Kunst und | |
| Sozialem, Natur und Technik zu unterstützen. | |
| Ein Teil des Stiftungsgelds geht in die Förderung von | |
| Künstler:innenkollektiven, die für jeweils zwei bis drei Monate in diesem | |
| Garten residieren dürfen. Ein weiterer Teil geht in das neue Haus der | |
| Crespo Foundation in Frankfurt am Main, unweit des Römers, wo einige der | |
| in Glenkeen entstandenen Werke ausgestellt werden – derzeit unter anderem | |
| ein Sci-Fi-Museum von Kristin Reiman und Filippa Pettersson, erdacht aus | |
| der Perspektive von Termiten. In einer fiktiven Zukunft, nach dem | |
| Aussterben des Menschen, wären die Insekten darauf spezialisiert, die von | |
| ihm hinterlassene Ressource Plastik weiterzuverarbeiten. | |
| Das Crespo-Haus wurde kürzlich eröffnet. Dafür ließ die Stiftung ein | |
| denkmalgeschütztes Geschäftsgebäude aus den 1950ern zum Ausstellungs- und | |
| Begegnungsraum umbauen. Auch dieses Offenheit ausstrahlende Haus mit | |
| bepflanztem Dachgarten, viel Glas und großer Freitreppe wirkt wie ein | |
| seltener Glücksfall für seine innerstädtische Umgebung. | |
| Weitere Förderzweige | |
| Ein weiterer wichtiger Förderungszweig der Crespo Foundation ist die | |
| Weiterbildung für Migrant:innen. Zudem werden externe Projekte mit sozial | |
| unterstützender Wirkung wie „Weiterschreiben“ aus Berlin bezuschusst, das | |
| geflüchtete Autor:innen bei der Fortsetzung ihrer Arbeit begleitet. Und | |
| es fließt Geld in den „After Nature“-Fotografie-Preis. | |
| Diese Stiftungszwecke sind nicht außergewöhnlich, im Hinblick auf ihre | |
| Stiftungsform aber verkörpert die Crespo Foundation eine Besonderheit. Bei | |
| ihr handelt es sich um das in Deutschland und Europa absolut seltene Modell | |
| einer Verbrauchsstiftung. Das heißt, so sagt es die Direktorin Christiane | |
| Riedel, dass das Kapital nicht „betoniert“ sei und damit bis in die | |
| Ewigkeit der Öffentlichkeit vorenthalten, sondern im Laufe von 20 Jahren | |
| aufgebraucht werden muss. Nach Ablauf dieser Zeit – aktuell noch 15 Jahre – | |
| übergibt die Stiftung auch das Haus an die Stadt Frankfurt, dessen | |
| Grundstück ist ohnehin im Erbbaurecht von ihr gepachtet. | |
| Die Atmosphäre von Haus und Garten spiegelt dieses besondere Konzept des | |
| Weitergebens wider. So ist auch eine ausstellungsbegleitende | |
| Abendveranstaltung im Haus mit neuer und elektronischer Musik eher von | |
| Gastlichkeit und entspanntem Interesse bestimmt, statt von | |
| Sehen-und-gesehen-werden – man könnte auch zu einem Sleep-over bleiben und | |
| in eine Traumwelt versacken. | |
| Das Konzept der Kulturstiftung wirft produktive Fragen auf: Warum ist es so | |
| außergewöhnlich? Warum gibt es nicht mehr solcher Initiativen von Menschen, | |
| die an viel Geld gekommen sind, was ihnen eigentlich unmöglich zustehen | |
| kann? Gelder gerecht zu verteilen, ist keine leichte Aufgabe, schon gar | |
| nicht in einer Zeit, der jegliches Ethos dafür abhanden gekommen scheint. | |
| Modelle globaler Gerechtigkeit | |
| Ansätze dafür [2][schafft beispielsweise die Millionenerbin Marlene | |
| Engelhorn], die ihr Geld durch Bürger:innenforen umverteilen lässt. | |
| Dass jene, denen Geld gewidmet werden soll, ein (moralisches) | |
| Mitspracherecht hätten, wie es zum Beispiel der britische Philosoph Derek | |
| Parfit nahelegte, bleibt Utopie. Moralphilosophie, die sich mit Modellen | |
| globaler Gerechtigkeit beschäftigt, ist weniger en vogue als | |
| Philantrop:innen, die Geld mit Einfluss und privater Ideologie verbinden | |
| und vor allem in eigener Sache missionieren. | |
| Die Crespo Foundation ist relativ klassisch strukturiert, versucht aber | |
| einen Unterschied zu machen. Durch ihre „punk-artige“ Haltung, wie der | |
| Kurator Ben Livne-Weitzman es nennt, Gelder nicht zu horten, erinnert sie | |
| daran, dass ein Diskurs über Stiftungen, eine öffentliche | |
| Auseinandersetzung mit deren Funktionsweisen und Zielen nur rudimentär | |
| geführt wird. | |
| So gelten Stiftungsräte und -kuratorien noch meist als elitäre Gremien, in | |
| die ohnehin schon überbeschäftigte Prominente berufen werden. Dabei könnten | |
| Stiftungen in Zeiten von Gelderkürzungen im Bereich Kultur und Soziales | |
| eine wichtige Rolle spielen. Sie könnten künstlerisches Forschen sowie | |
| soziale Teilhabe gewährleisten oder, im besten Fall, weiterdenken. | |
| 30 Dec 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Astrid Kaminski | |
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